Mit dem Stück «Cop Killer» sorgte Ice-T für einen der grössten Skandale in der Geschichte des amerikanischen Hip-Hop. Der Rapper profilierte sich aber auch durch originelle Musik. Mit seiner Crossover-Band Body Count ist er jetzt in Zürich aufgetreten.
Ein wenig seltsam kommt man sich ja schon vor. Da kreiselt man als Akademiker in einer mitteleuropäischen Stadt im Moshpit vor der Bühne einer mittelgrossen Konzerthalle und schubst andere Mittelklassemenschen herum – zu Songs über amerikanische Strassenkriminalität, Rassenunruhen, Massenmörder.
Auf der Bühne des gut gefüllten Komplex 457 in Zürich thront der 66-jährige afroamerikanische Abstinenzler Ice-T. Der Miterfinder des Gangsta-Rap präsentiert sich inmitten seiner siebenköpfigen Band Body Count, von deren Originalbesetzung nur noch er und der Gitarrist Ernie C übrig sind. Alle andern sind jung an Krebs gestorben oder erschossen worden.
Politisch unkorrekt
In den 1990er Jahren prägte die in Los Angeles gegründete Gruppe den Crossover aus Hip-Hop und Metal. Sie brachte aber nicht nur Genres, sondern auch soziale Gruppen zusammen – sogenannte Weisse und sogenannte Schwarze. Ein raues Diversity-Training ohne Quoten und Leitfäden. Einst selbst als Kleinkrimineller unterwegs, lebt Ice-T unterdessen längst im Luxus. Was hat uns die Band Body Count heute noch zu sagen? Hat sie mehr zu bieten als Nostalgie und etwas Sozialkitsch? Durchaus!
Das Konzert verläuft routiniert, wenngleich die Band noch immer «eine geile Energie» hat, wie ein Fan im Publikum meint. Auf der Setlist stehen sowohl Klassiker wie «There Goes the Neighborhood» als auch neue, unveröffentlichte Songs. Ice-Ts 33-jähriger Sohn Little Ice und die neunjährige Tochter Chanel Nicole dürfen mit auf die Bühne – Obszönitäten, politisch unkorrekte Einwürfe und textliche Gewaltorgien hin oder her. It’s showtime! Doch die eigentliche Botschaft Ice-Ts könnte aktueller und wichtiger nicht sein.
Seit Jahrzehnten verficht der Rapper Antirassismus ohne identitäres Scheuklappen-Denken. Anstatt Menschen mit immer mehr Identitäts-Labels zu markieren und zu klassifizieren, auf dass sie von Kulturkämpfern gegeneinander ausgespielt werden, kombiniert er altlinken Klassenkampf und Universalismus mit liberalem Empowerment: Arbeite hart, gefalle dir nicht in der Opferrolle! Rassismus ist für ihn nur eine Chiffre für Machtstreben; Armut und Machtlosigkeit sieht er als das wahre Problem.
Die Rechte hat sich alles Mögliche von der Linken aneignen können, von Kapitalismuskritik über Identitätspolitik bis zu gegenkultureller Ästhetik – nicht aber den Universalismus. Ausgerechnet der wird in diskursmächtigen Teilen der Neuen Linken heute als «westliches Konstrukt» und Feigenblatt einer imperialistischen Haltung denunziert.
Es ist die Flagge genau dieses Universalismus, die Ice-T seit dem Debütalbum «Body Count» (1992) hochhält. Damals etwa im Song «Momma’s Got to Die Tonight», später auf Studioalben wie «Bloodlust» (2017) und in Songs wie «No Lives Matter». «Momma» erzählt die Geschichte eines Schwarzen, dessen Mutter seine weisse Freundin ablehnt. Während heute wie ein Mantra betont wird, es gebe «keinen Rassismus gegen Weisse», wusste es Ice-T damals schon besser: Es gibt ihn sehr wohl! Weil Menschen nicht in Statistiken leben, sondern in konkreten Situationen.
Ice-Ts Anliegen: Wiederholt nicht die Fehler der alten Rassisten, macht es anders und besser! In «No Lives Matter», einem Höhepunkt des Auftritts in Zürich, stellt der Rapper klar: «Ehrlich gesagt geht es nicht nur um Schwarze / Es geht um Gelbe, um Braune, um Rote / Es geht um alle, die kein Geld haben / Auch um arme Weisse, die sie ‹Trash› nennen.» Diese universelle Botschaft ist rar geworden, vor allem wenn sie mit dem Lob der Eigenverantwortung einhergeht.
Shitstorms und Zensur
Im Rückblick war es ein Glück, in den 1990er Jahren als Teenager mit Ice-T und Body Count sozialisiert zu werden. Man baute seine antirassistische Haltung nicht über politische Korrektheit auf, sondern über das Gegenteil. Body Count bot kein Sensibilitätstraining, vielmehr verletzte die Band konsequent alle Gefühle – die von «weissen» Rassisten wie auch die von akademischen Feministinnen. Die Band lechzte geradezu nach Shitstorms und Zensur – die dann auch prompt erfolgten: Die Proteste gegen den Song «Cop Killer» wurden in den USA so stark, dass die Band ihn vom Debütalbum nahm und durch den Protestsong «Freedom of Speech» ersetzte.
Musiker wie Ice-T haben drastische Provokation normalisiert. Wer heute die ältere, im Stahlbad der Pop-Kultur gehärtete Generation provozieren will, setzt deshalb besser auf «Mindfulness» und ärgert mit Diversity-Beauftragten oder Sprachleitfäden. Wokeness bringt die neuen Alten vielleicht genauso auf die Palme wie einst «Cop Killer» die alten.