Sonntag, September 29

Der Verkehrsminister lässt die neuen Subventionen für Nachtzüge einfrieren. Das ist unorthodox, aber vernünftig. Wenn die Lobbyisten nun alle pragmatischen Vorschläge abschiessen, bleibt nur noch eine Option: höhere Steuern.

Er will es, und er zeigt es auch. Bundesrat Albert Rösti ist spürbar entschlossen, die anlaufende Finanzdebatte nicht einfach als lästige Übung über sich ergehen zu lassen, getreu dem alten Berner Reflex, sich selbst in Deckung zu bringen, auf dass es die anderen treffen möge. Nein, der SVP-Bundesrat will offenkundig den Prozess mitgestalten und das Beste daraus machen.

Das zeigte sich bereits vergangenen Freitag, als eine bundesrätliche Dreierdelegation vor die Medien trat, um das Entlastungspaket zu präsentieren. So überzeugend, so leidenschaftlich hat Rösti über die Schuldenbremse und den hohen Wert stabiler Staatsfinanzen gesprochen, dass deutlich wurde: Hier redet nicht einfach der Umwelt-, Verkehrs- und Energieminister, dessen Departement einige der grössten Opfer bringen muss, sondern ein Bundesrat, der sich für das Ganze verantwortlich fühlt.

Das soll keine Heiligsprechung sein, von einem bürgerlichen Bundesrat darf man finanzpolitische Stringenz erwarten (auch wenn die Erwartung nicht immer erfüllt wird). Gleichwohl zeigt Rösti, wie man diese unumgängliche Debatte auch angehen könnte: pragmatisch, lösungsorientiert, mit Augenmass – also so, wie sie zurzeit eben gerade nicht geführt wird. Politisch und medial wird allzu gern und oft dramatisiert und Stimmung gemacht.

Heute einführen, morgen abschaffen?

Dass die Welle der Empörung nun Rösti selbst trifft, erstaunt nicht. Der Streit dreht sich um neue Subventionen für Nachtzüge, die der Bund nach bisheriger Planung nächstes Jahr einführen wollte. Das Parlament hat diese Förderung – wie üblich befristet – im neuen CO2-Gesetz verankert, das Anfang 2025 in Kraft tritt. Der Bundesrat aber will sie angesichts der Finanzlage möglichst bald wieder abschaffen. Es geht immerhin um 30 Millionen Franken im Jahr.

Neu ist nun, dass Rösti vorgesorgt hat: Entgegen der bisherigen Planung soll auch nächstes Jahr kein Geld für Nachtzüge fliessen. Der Bundesrat hat die Zahlungen bereits auf Eis gelegt. Seitdem die Tamedia-Zeitungen am Dienstag darüber berichtet haben, gehen die Wogen hoch. Die betroffene Lobby reagiert entsetzt, nicht nur linke Politiker greifen Rösti an, auch Mitte-Parlamentarier äussern sich kritisch, allen voran Martin Candinas, der Präsident des ÖV-Verbands Litra, dem Bundesratsambitionen nachgesagt werden.

Dass sich die SBB und die Freunde der Eisenbahn über den Entscheid ärgern, ist verständlich. Man kann dem Bundesrat auch vorwerfen, er widersetze sich damit dem Willen des Parlaments. Allerdings liegt in dieser Sache erst ein Verpflichtungskredit vor, der einen Höchstbetrag definiert, einen definitiven Budgetkredit hat das Parlament noch nicht beschlossen. Will heissen: Der Bundesrat hat Spielraum. Und selbst wenn die Intervention politisch etwas rabiat sein mag, so ist sie sachlich absolut sinnvoll.

Man stelle sich vor, Rösti würde die Sache laufen lassen: Der Bund führt die neue Subvention 2025 ein, die Gelder fliessen, die zusätzlichen Zugverbindungen werden eingerichtet. Und wenig später ist dann wieder Schluss, wenn sich der Bundesrat mit seinem Sparvorschlag durchsetzt. Das wäre erst recht absurd.

Dort kürzen, wo es nicht schmerzt

Man mache sich nichts vor. Nach vielen fetten Jahren haben Bundesrat und Parlament es verlernt, Prioritäten zu setzen und zu verzichten. Wenn sie schon kaum in der Lage sind, bestehende Ausgaben und Subventionen zu kürzen oder zu streichen, dann sollten sie jetzt wenigstens keine neuen mehr einführen. Keine Zahlung lässt sich leichter kürzen als die, die es noch nicht gibt.

Wenn jede Lobby ihre Pfründe verteidigt, wird es ungemütlich für alle. Dann kann der Bund schon jetzt Steuererhöhungen im grossen Stil planen. Die Zeit der Partikularinteressen ist bis auf weiteres vorbei. Gerade bürgerliche Parlamentarier sollten trotz allen Lobbymandaten das Gesamtinteresse nicht vergessen – ganz besonders jene, die einmal Bundesrat werden möchten.

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