Ein Neubau wäre aus Sicht der Klinikleitung dringend nötig, wird aber wegen der Auflagen der Zürcher Denkmalpflege sehr schwierig.
Die grösste psychiatrische Klinik der Schweiz ist ein Auslaufmodell, und das wird für den Kanton Zürich eher früher als später zum finanziellen Problem. Wer diese Tatsache bis jetzt nicht auf dem Radar hatte, kann sich nach der jüngsten Sitzung des Kantonsrats nichts mehr vormachen. Denn dort waren die Warnzeichen an diesem Tag unüberhörbar.
Lange Zeit war der grösste Nachteil der Klinik am Stadtrand von Zürich ihr Name: Burghölzli. So heisst sie zwar schon seit 1966 nicht mehr. Damals wurde sie in Psychiatrische Universitätsklinik (PUK) umbenannt, und offiziell spricht man heute vom «Standort Lengg». Aber der alte Name hielt sich im Volksmund hartnäckig. Und mit ihm auch überholte Bilder wie jenes von der «Gummizelle», die daran erinnern, dass die Klinik vor 154 Jahren als «Irrenheilanstalt Burghölzli» gegründet wurde.
Jetzt ist aber auch das Klinikgebäude selbst zum Nachteil geworden. Diese schlossähnliche Neorenaissance-Anlage, die mit ihrer grossen architektonischen Geste bis heute von einer humanistischeren Haltung gegenüber psychisch kranken Menschen zeugt. Sie ist längst ein Schutzobjekt von überkommunaler Bedeutung und steht dadurch einer dringend nötigen Modernisierung des Betriebs im Weg.
Gebäude laut SVP-Politiker «furchteinflössend»
Rein optisch ist die Anlage immer noch eindrucksvoll – manche, wie der SVP-Kantonsrat Bernhard im Oberdorf aus Zürich, empfinden ihre Silhouette auch als «furchteinflössend». Die Klinik ist grösser als all die anderen Monumentalbauten aus dem 19. Jahrhundert. Grösser als die Universität, die ETH, die Kaserne oder der Hauptbahnhof.
Dass man sie dennoch kaum wahrnimmt, weil sie sich hinter einem bewaldeten Hügel wegduckt, liegt nicht etwa daran, dass man die «Irren» seinerzeit verstecken wollte. Die Sorge war vielmehr, dass eine schöne Aussicht auf den Zürichsee die unglücklichen Patienten noch unglücklicher machen könnte. Deshalb liess man den ursprünglichen Plan fallen, die Anlage auf einem Hügel zu errichten.
Heute ist sie zu einem Grossteil geschützt. «Sogar der Obstgarten hinter der Anlage im Burghölzli steht unter Denkmalschutz», sagte im Oberdorf im Kantonsrat. Er und die anderen Mitglieder der kantonsrätlichen Aufsichtskommission über Gesundheit und Bildung zeigten sich beeindruckt von einem Besuch vor Ort. Ein Neubau am bisherigen Standort werde durch solche Auflagen stark erschwert. Sie würden «exorbitant hohe Kosten» auslösen, sagte Claudia Frei (GLP, Uster).
Die Klinikleitung möchte dort etwas Neues bauen, um all ihre stationären Einrichtungen zusammenzulegen, die heute auf verschiedene Standorte verteilt sind: jene für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Dadurch könnten Synergien genutzt und die vorhandenen Mittel effizienter eingesetzt werden als heute. Zudem entspreche die heutige Infrastruktur gerade im stationären Bereich zum Teil nicht mehr aktuellen Standards.
In der jüngeren Vergangenheit sind die Gebäude am bisherigen Standort immer wieder im Rahmen der Möglichkeiten modernisiert worden. So wurde zum Beispiel ein zusätzlicher Bettentrakt im Innern der historischen Anlage gebaut, und ein anderer Trakt wurde ausgekernt und erweitert. Dieses Potenzial ist laut einem Kliniksprecher inzwischen jedoch ausgeschöpft.
Kurz: Von einem Neubau würden nicht nur Patienten und Personal profitieren, er wäre auch betriebswirtschaftlich von Vorteil – und daher im Sinn des Kantons, der Eigentümer der Klinik ist. Aber um ans Ziel zu gelangen, brauchte es voraussichtlich erst einmal kräftige finanzielle Unterstützung durch den Kanton.
Klinikleitung klopft bei Natalie Rickli an
Die Klinikleitung hat jedenfalls bei der SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli angeklopft. Sie teilte ihr unverblümt mit, dass sie in Zukunft nicht in der Lage sei, die Erneuerung ihrer Infrastruktur selbst zu finanzieren. So erzählte es Rickli selbst im Kantonsrat.
Für die Gesundheitsdirektorin ist dies ein Déjà-vu. Eigentlich wären die kantonalen Gesundheitseinrichtungen seit ihrer Verselbständigung für solche Investitionen selbst verantwortlich, sie müssten die Mittel in eigener Verantwortung auftreiben. Doch letztes Jahr hat sich bereits das Universitätsspital bei Rickli gemeldet: Es sei damit überfordert, neben den grossen Neubauten der kommenden Jahre auch noch die Erneuerung der Altbauten zu finanzieren.
Hier wie dort geht es nun um die gleiche Frage: Wurde bei der Verselbständigung und der Übertragung der Immobilien vom Kanton an die Institutionen der Investitionsbedarf nicht angemessen berücksichtigt? Im Fall der psychiatrischen Universitätsklinik hat Rickli eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Problem klären soll.
Für manche Kantonsräte scheint es schon ausgemacht, dass sich der Kanton auf beträchtliche Ausgaben gefasst machen muss. Daniel Heierli (Grüne, Zürich) etwa rühmte die Offenheit der Klinikleitung: «So wissen wir schon jetzt, bevor die Bagger aufgefahren sind, was Sache ist, und beschliessen nicht irgendwelche grossartigen Projekte in der irrigen Meinung, diese belasteten die Kantonsfinanzen nicht.»
Andere wie Claudia Frei scheinen hingegen zu hoffen, dass sich die Kosten reduzieren lassen, indem die Schutzwürdigkeit der Burghölzli-Anlage zumindest teilweise relativiert wird: «Die Infrastruktur soll trotz Denkmalschutz der Institution dienen und soll sie nicht behindern», sagte sie. Es dürfe nicht sein, dass so etwas einem Betrieb wie der PUK bei der Ausübung ihres Auftrages im Weg stehe.
Wie die Geschichte ausgeht und ob das «Burghölzli» vollumfänglich bestehen bleibt, ist zurzeit noch offen. Klar ist nur: Die Klinikleitung macht Druck. Sie bezeichnet die Verzögerung eines Neubaus in der Lengg als das allergrösste Risiko der PUK, gemessen an der Eintretenswahrscheinlichkeit und Schadensgrösse. Noch bedrohlicher als der Fachkräftemangel und die Abwanderung von Personal.
Ab Frühjahr 2025 will sie eine Studie erarbeiten lassen, damit sie bis Ende Jahr Lösungsvorschläge für die konkrete Ausgestaltung ihres Bauvorhabens vorlegen kann. Auch Rickli will im Verlauf des kommenden Jahres dann informieren, wo die Reise hingeht.