Grossaktionär Klaus-Michael Kühne hat im März wieder zugeschlagen und wohl weitere rund 34 Mio. Fr. in den Logistiker investiert. Es lohnt sich, die Aktien in den Blick zu nehmen – trotz einem Schönheitsfehler.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Der Verwaltungsrat von Kühne + Nagel hat einen geschäftigen März hinter sich. In der ersten Hälfte kauften nicht-exekutive Mitglieder gemäss Daten der SIX Exchange Regulation (SER) K+N-Aktien im Wert von 41 Mio. Fr. Angesichts der hohen Beträge dürfte es sich dabei mehrheitlich um Ehrenpräsident und Grossaktionär Klaus-Michael Kühne gehandelt haben; Transaktionen in Höhe von 34 Mio. Fr. wurden denn auch durch «eine nahestehende juristische Person» abgewickelt. Über die Kühne Holding hält Kühne rund 54% am Logistiker.
Im Vergleich mit den mutmasslichen Käufen im September ist das zwar noch nichts, damals registrierte die SER über wenige Wochen verteilt Insiderkäufe mit einem Gesamtvolumen von fast 1,3 Mio. Aktien beziehungsweise rund 275 Mio. Fr.
Aber es stellt sich für interessierte Investoren damit die Frage, ob die Managementtransaktionen wieder ein guter Kaufindikator sind.
Konversationsrate dürfte sich erholen
In der Vergangenheit waren die Aktivitäten von Grossaktionär Kühne durchaus immer mal wieder ein gutes Argument, aktiv zu werden. Das zeigen nicht zuletzt die Käufe im September 2022: Damals erwarb er die Titel zu einem durchschnittlichen Preis von rund 213 Fr. je Aktie, im darauffolgenden Frühjahr stand der Kurs bei über 260 Fr.
Dieses Mal haben die Insiderkäufe am 1. März begonnen, just an jenem Tag also, an dem der Aktienkurs gegen 15% auf das Niveau von Anfang Dezember 2023 einbrach, nachdem das Unternehmen ernüchternde Zahlen für das vergangene Jahr vorgelegt hatte. Im Schnitt zahlte – mutmasslich – Klaus-Michael Kühne rund 247 Fr. je Aktie und damit deutlich weniger als die 295 Fr., die die Titel noch Anfang Jahr wert gewesen waren.
Die erneute Kursbaisse seit Anfang März ist Ausdruck der – unerwartet klaren – Normalisierung bei K+N: 2023 zeigten fast alle Kennzahlen deutlich nach unten, nachdem sich die Logistikbranche davor drei Jahre lang dank sehr hoher Frachtraten in einem Ausnahmezustand befunden hatte. Die Konversationsrate etwa, das Verhältnis von Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) zum Rohertrag (Umsatz abzüglich der Frachtraten), fiel von 26 auf 16%. Viele Investoren waren damit anscheinend auf dem falschen Fuss erwischt worden.
Doch nach dem Schock an der Börse könnte mittlerweile bereits etwas zu viel Negativität eingepreist sein. Die Aussichten bleiben zwar getrübt. Aber wie anlässlich der Präsentation der Jahreszahlen angekündigt, dürften sich die Volumen bei K+N langsam erholen. Zudem forciert das Unternehmen lukrativeres Geschäft vor allem bei der Seefracht, selbst wenn das kurzfristig zulasten des Wachstums geht. So soll die Konversionsrate mittelfristig wieder 25 bis 30% erreichen.
Ohnehin bleibt Kühnes Strategie «Roadmap 2026» trotz schwierigem Marktumfeld und externer Belastungsfaktoren gültig. Das Unternehmen hat gezeigt, dass es auch dank dem Asset-Light-Modell sehr anpassungsfähig ist. Das Management hat die Kosten im Griff, die Bilanz ist grundsolide und die Marktführerschaft ist nicht in Gefahr.
Wer auf einen Einstiegszeitpunkt gewartet hat und etwas Geduld mitbringt, könnte nun eine Position aufbauen. Versüsst wird die Wartezeit mit einer ansehnlichen Dividendenrendite von etwas mehr als 4% für das laufende Jahr.
Einen Schönheitsfehler gibt es aber noch.
Fehlerhafte Angaben im Geschäftsbericht?
Damals wie heute lässt sich leider nicht mit Sicherheit sagen, dass tatsächlich nur Klaus-Michael Kühne über die Kühne Holding zugekauft hat. Dafür sprechen aber die sehr hohen Beträge sowie das Faktum, dass die Käufe über eine nahestehende juristische Person durchgeführt worden sind.
Ein kleines Rätsel geben mir die Angaben im Anhang des Geschäftsbericht 2022 auf: Trotz der offensichtlich grossen Insiderkäufe haben sich damals weder die ausgewiesenen Positionen von Mehrheitsaktionär Kühne über die Holding (52,9%) und der Kühne Stiftung (4,7%), noch die Beteiligungen der übrigen Verwaltungsratsmitgliedern massgeblich verändert.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Angaben schlicht fehlerhaft sind. Das unterstreicht der Geschäftsbericht 2023, wonach die Beteiligung der Holding Ende Dezember mehr als 54% betrug und Klaus-Michael Kühnes ausgewiesene Aktien auf einen Schlag um rund 1,3 Mio. gestiegen sind, ohne dass es im Jahr 2023 zu grösseren Transaktionen gekommen wäre. Eine Antwort des Unternehmens auf die Nachfrage von The Market steht noch aus.
Das ist im besten Fall peinlich, weil kein aktualisierter Geschäftsbericht online verfügbar ist.
Sollte der Fehler in der Zwischenzeit gar nicht korrigiert worden sein, könnte das aber Konsequenzen nach sich ziehen. Denn die Angaben im Anhang des Geschäftsberichts sind nicht freiwillig. Gemäss Art. 959c Abs 2 des schweizerischen Obligationenrechts müssen Anzahl und Wert von Beteiligungsrechten oder Optionen auf solche Rechte für alle Leitungs- und Verwaltungsorgane sowie für die Mitarbeitenden aufgeführt werden.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter