Die Verschuldung der Schweizer Privathaushalte ist hoch. Von Auto-Leasing bis hin zu Kleinkrediten für Ferienausgaben: Jugendliche und junge Erwachsene verschulden sich besonders oft. Es braucht mehr finanzielle Bildung und ein Umdenken im Konsumverhalten.
Interessanterweise denkt man im Land der Mieter beim Stichwort Privatverschuldung schnell an Hypothekarschulden – und das mit Fug und Recht. Bei den Hypotheken gehört die Schweiz zu den Spitzenreitern unter den OECD-Ländern. Die Quote der inländischen Hypothekarforderungen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung beträgt 150 Prozent, sie ist in den letzten zwanzig Jahren stark angestiegen.
Spätestens seit der Immobilienkrise der 1990er Jahre dürfte klar sein, dass Hypothekarschulden ein volkswirtschaftliches Risiko darstellen. Das Hypothekargeschäft ist ein Klumpenrisiko für die Schweizer Banken, da es mit Abstand den grössten Teil ihres Kreditgeschäfts ausmacht. Allerdings kam die jüngste Untersuchung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zum Schluss, dass die bisherigen Häuserpreisanstiege stetig waren und keinem plötzlichen Boom entsprachen. Ausserdem wurden verschiedene Branchenregulierungen und Massnahmen seitens des Bundes ergriffen, um das systemische Risiko zu minimieren.
Selbstverständlich tragen auch die Banken bei der Vergabe von Hypotheken eine klare Mitverantwortung. Solange Hypothekarkredite an Personen vergeben werden, die auch bei stärkeren Zinsanstiegen ihre Zahlungen stemmen können, ist diese Art der Privatverschuldung unproblematisch. Im Gegenteil: Sie kann mit Blick auf die Steuerbelastung für Herrn und Frau Schweizer sogar finanziell sinnvoll sein, weil die Schuldzinszahlungen steuerlich absetzbar sind.
Ausgeprägte Verschuldung bei Jugendlichen
Deutlich kritischer zu beurteilen sind hingegen andere Arten der Privatverschuldung, die weit weniger Beachtung im öffentlichen Diskurs finden. Knapp 40 Prozent der Haushalte hierzulande haben mindestens einen Kredit, eine Kontoüberziehung oder eine unbezahlte Kreditkartenrechnung. Besonders frappierend: Bei den unter 25-Jährigen ist sogar beinahe jede zweite Person betroffen.
Am häufigsten verschulden sich die Jungen für den Erwerb eines Fahrzeugs, für den das Ersparte nicht ausreicht. Im Sommer steigt aber auch die Verlockung, einen Kredit zur Finanzierung der Traumreise in die Ferne aufzunehmen. Ferner weisen die Jungen bei den Krediten für den Kauf persönlicher Gegenstände wie Bekleidung oder Unterhaltungselektronik eine deutlich höhere Quote auf als ältere Altersgruppen.
Aus ökonomischer Perspektive lässt sich argumentieren, dass eine gewisse Konsumglättung über den Lebenszyklus hinweg rational ist. Die Leute geben in jungen Jahren mehr Geld aus, weil sie erwarten, dass sie später ein höheres Einkommen erzielen werden. Problematisch wird es jedoch, wenn junge Erwachsene konstant über ihre Verhältnisse leben und in eine Schuldenspirale geraten. Tatsächlich nehmen rund vier Prozent der jungen Erwachsenen einen Kredit auf, um bereits bestehende Schulden oder Rechnungen zu begleichen.
Zudem setzt die Theorie der Konsumglättung voraus, dass die Individuen informiert und rational handeln. Hier zeichnen die Daten ein düsteres Bild: Werden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach einer Einschätzung des Zinssatzes solcher Kredite gefragt, weiss rund die Hälfte der Befragten nicht, wie hoch der Zins ist, oder geht davon aus, dass er null beträgt. Ein weiteres Viertel unterschätzt den effektiven Zinssatz. Junge neigen also nicht nur zu einer höheren Privatverschuldung, sondern sind auch weniger über deren Konsequenzen informiert als ältere Altersgruppen.
Finanzielle Bildung ist mangelhaft
Damit liegt der erste Teil der Lösung zur Senkung der Privatverschuldung der Jungen auf der Hand: Es braucht eine bessere finanzielle Bildung, die sogenannte Financial Literacy. Junge Erwachsene sollen früh den Umgang mit Geld erlernen und sich mit der Haushaltsbudgetierung vertraut machen. Wenn sich jemand bewusst für das Leasing statt den Kauf eines Autos entscheidet und die Vor- und Nachteile kennt, ist das in Ordnung, solange man die Kosten im Blick hat.
Mit finanzieller Bildung allein ist es jedoch nicht getan. So braucht es zweitens ein Umdenken im Konsumverhalten. Auf Dauer kann ein Leben auf Kredit nicht funktionieren – auch nicht in einer wohlhabenden Gesellschaft wie der unsrigen. Unser Gesellschaftsvertrag lässt sich nur aufrechterhalten, wenn jeder seinen Konsum dem eigenen Haushaltsbudget anpasst. Es ist bedenklich, dass fast 15 Prozent der 16- bis 17-Jährigen der Aussage «Manchmal möchte ich etwas unbedingt haben und kaufe es, auch wenn ich es mir eigentlich nicht leisten kann» zustimmen. Verzicht ist zwar nicht cool, aber langfristig erfolgversprechend – für die Jungen selbst wie auch die Gesamtgesellschaft.
Melanie Häner-Müller leitet den Bereich Sozialpolitik am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern.
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