Wird in der Schweiz auch künftig verdient als anderswo? Vorteilhaft wäre es. Denn das Leben ist nicht nur schön – sondern auch teuer.
Die Schweiz ist ein Hochlohnland, doch in Stein gemeisselt sind die guten Löhne nicht. Werden wir künftig immer noch mehr verdienen als der Rest der Welt? Ja, das ist die Antwort, wenn wir es richtig machen. Nein, lautet die Antwort, wenn zu viel falsch läuft.
Nach der ökonomischen Konvergenztheorie sollten sich die Löhne in den unterschiedlichen Ländern über die Zeit angleichen. Die schwächeren Länder haben Aufholpotenzial. De facto hat eine solche Annäherung in den letzten Jahrzehnten aber nicht stattgefunden. Der Grund: Die wirtschaftliche Entwicklung ist sehr unterschiedlich. Manchmal machen die reicheren Länder mehr richtig als die ärmeren. Zuweilen sind auch Glück und Pech im Spiel. Die Folge: Der Abstand bleibt bestehen.
Fehler der Nachbarn vergrössern das Lohngefälle
In der Schweiz lag der Durchschnittslohn für eine Vollzeitstelle 2022 gemäss OECD kaufkraftbereinigt bei 72 993 Dollar. Höher ist er nur in Island, Luxemburg und den USA. Die drei grossen Nachbarländer Deutschland (58 940), Frankreich (52 764) und Italien (44 893) fallen im Ranking deutlich ab.
Aus der EU wird der Schweiz abgesehen vom Fondsstandort Luxemburg keiner schnell gefährlich. Wobei gefährlich das falsche Wort ist. Der Wohlstand in der Schweiz steigt mit demjenigen der Handelspartner und fällt mit ihm. Deutschland steckt in der Krise, die Nachfrage des Nachbarn nach Schweizer Exporten sinkt. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, das Potenzial für Lohnsteigerungen wird geringer.
Machen die EU-Länder mit ihrer verfehlten Industrie-, Klima- und Steuerpolitik noch mehr falsch als bisher, wird sich das Lohngefälle zur Schweiz noch vergrössern. Damit verbessert sich die Situation der Schweiz aber nur relativ; absolut ist damit nichts gewonnen. Absehbar ist hingegen, dass Asien inklusive China künftig weiter aufholen wird.
Hohe Lebenshaltungskosten relativieren den Vorteil
Trotz dem hohen Wohlstand ist aber auch das vermeintliche Lohnparadies Schweiz nicht himmlisch. Schliesslich sind nicht nur die Löhne hoch, sondern auch die Lebenshaltungskosten. 2021 hatte lediglich die Hälfte der AHV-pflichtigen Erwerbstätigen einen Lohn über 62 000 Franken. Gemessen an dem, was man in Polen, Portugal oder Bulgarien verdient, ist das zwar viel. Riesige Sprünge lassen sich damit aber in der Schweiz nicht machen.
Die beste Aussicht auf gute oder steigende Löhne bietet das bewährte Erfolgsrezept: Innovation, Qualität und Anpassungsfähigkeit. Dazu noch starke Institutionen und eine stabile Währung. Das macht die Schweiz produktiv, pragmatisch und profitabel. Solange die Schweiz dieses Rezept befolgt, stehen die Chancen gut, dass die Bevölkerung auch in Zukunft einen komfortablen Lebensstandard geniessen kann.
Werden wir künftig immer noch mehr verdienen als der Rest der Welt? Wir wissen es nicht. Wir wissen aber, dass es hilfreich wäre. Denn klar ist: Das Leben ist schön – und teuer.
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