Sonntag, September 29

Die 48-jährige Make-up-Artistin ist Creative Image & Makeup Partner bei Byredo. Im Interview spricht Lucia Pica über Foundation-Fehler, ihre persönliche Lippenstiftsammlung und ihre Vision für das schwedische Kult-Label.

Frau Pica, wie lange brauchen Sie als Make-up-Artistin morgens im Bad?

Lucia Pica: Ich brauche anderthalb Stunden, um mich fertig zu machen. Aber diese Zeitspanne umfasst viele kleine Rituale. Für mein Make-up brauche ich 10 Minuten.

Was machen Sie sonst noch in dieser Zeit?

Ich starte meinen Tag mit einem heissen Wasser mit Zitrone, vor meinem Espresso. Ich meditiere und mache ein bisschen Yoga. Dann folgt die Beauty-Routine.

Ein volles Programm!

Ich bin schnell.

Erzählen Sie uns von den anderen 10 Minuten.

Die verbringe ich mit der Hautpflege und gehe dann zum Lippenstift über, von dem ich ein wenig auf die Wangen tupfe, um meinem Gesicht Farbe zu verleihen. Es folgen Concealer, Eyeliner, Mascara, ein wenig Augenbrauendefinition. Ausserdem benutze ich einen matten Bronzer zum Konturieren. Ich verwende ihn auch als leichten Lidschatten, den ich entlang des Wimpernkranzes nach aussen verblende.

Ist das ein spezieller Trick?

Ja, gerade wenn man älter wird, können die Augenlider etwas schwerer werden. Mit dieser «Chiaroscuro»-Technik, die innen hell und aussen dunkler ist, kann man dem optisch entgegenwirken.

Sie verwenden eine Menge Produkte, um letztlich ganz natürlich auszusehen?

Das kann man so sagen. Aber sie haben alle eine Funktion, und ich kann sehr detailliert mit ihnen arbeiten. Letztlich geht es darum, herauszufinden, was zu einem passt und wie man sich wohlfühlt.

Was machen viele Menschen bei der Verwendung von Make-up falsch?

Oft sehe ich Gesichter mit mehr Foundation, als sie eigentlich brauchen. Wenn ich Foundation verwende, trage ich sie mit den Fingern auf. Mit den Händen erspürt man das Produkt und erwärmt es, wodurch der Teint dann natürlicher aussieht, weil alles mit der Haut verschmilzt.

Was ist sonst noch wichtig bei einer Grundierung?

Die Wahl des Farbtons. Viele Menschen wählen den falschen für ihre Haut. Zurzeit gibt es den Trend, ein Produkt mit einem gelblichen Unterton aufzutragen. Das sieht in den meisten Fällen nicht gut aus. Ich bevorzuge es, die Farbe auf den Hautton abzustimmen und vielleicht einen etwas helleren Concealer für den inneren Gesichtsbereich zu verwenden, um Akzente zu setzen.

Gibt es noch einen Trend, der Sie irritiert?

Ich würde mir wünschen, dass wir zu weicheren, natürlicheren Augenbrauen übergehen. Nicht zu geschwungen, nicht zu kantig, nicht zu gestylt.

Was ist in Ihren Augen ein völlig überbewertetes Schönheitsprodukt?

Fixierspray. Ich möchte, dass die Haut atmen kann.

Wann sind Sie zum ersten Mal mit Make-up in Berührung gekommen?

Als ich ungefähr zehn Jahre alt war. Ich fand die Produkte und den Akt des Schminkens faszinierend, ebenso wie ältere Frauen, die geschminkt waren. Sehr oft besuchte ich eine Nachbarin, die einen Badezimmerschrank voller Make-up hatte, das ich stundenlang ausprobierte.

Wie kamen Sie dann später dazu, Make-up-Artistin zu werden?

Ich besuchte einen einmonatigen Make-up-Kurs bei Greasepaint in London, und das war genug, um mir diese Welt zu eröffnen. Von da an arbeitete ich in Make-up-Geschäften und assistierte etwa sieben Jahre lang in Teilzeit, bis ich Charlotte Tilburys (britische Schönheitsunternehmerin und Make-up-Künstlerin / Anmerkung der Redaktion) erste Assistentin wurde. Dort blieb ich einige Jahre. Im Jahr 2007 begann ich meine eigene Karriere, die mich nach acht Jahren zu Chanel und schliesslich zu Byredo führte.

Sie haben sechs Jahre lang als Make-up und Color-Director für Chanel gearbeitet, bevor Sie 2021 zu Byredo kamen. Wie unterscheidet sich die Arbeit für einen der grössten Luxuskonzerne der Welt von jener bei einem gehypten Nischenlabel wie Byredo?

Der grösste Unterschied: Bei Byredo ist es möglich, direkt mit dem Gründer der Marke, Ben Gorham, zu sprechen. Das machte es für mich einfacher, die Marke zu verstehen, seine persönlichen Erfahrungen anzuhören, seine ganz eigene Geschichte. Gleichzeitig ist Gorham sehr gut darin, Menschen wie mir kreative Freiheit zu geben. Byredo hat die richtige Balance zwischen Luxus und Coolness. Ich habe das Gefühl, dass es der richtige Ort für mich ist, um mich voll und ganz auszudrücken und eine gewisse Expertise in die Make-up-Sparte einzubringen.

Das gab es bei Chanel nicht?

Natürlich gab es das bei Chanel auch. Aber das ist eine Marke mit einer langen, bedeutenden Geschichte. Sie hat ein grösseres Publikum und höhere Erwartungen. Aber auch dort haben wir Neuland betreten. Schliesslich war Gabrielle Chanel, die die Marke im letzten Jahrhundert gegründet hat, eine echte Rebellin. Das hat mich damals sehr inspiriert.

Was ist Ihre Vision für Byredo, eine Marke, die seit zwanzig Jahren vor allem für Parfums bekannt ist?

Meiner Meinung nach kann ein Lippenstift eine Person genauso gut charakterisieren wie ein Duft. Ich möchte die Lücke zwischen Parfum und Make-up schliessen. Wir konzentrieren uns darauf, ein qualitativ hochwertiges und starkes Fundament zu schaffen, auf dem die Make-up-Sparte wachsen kann. Alles ist sehr durchdacht, was Textur, Farben, Inhaltsstoffe und die Geschichten hinter den Produkten und den Kollektionen angeht.

Wie viele Lippenstifte besitzen Sie?

Hunderte. Jene, die ich in meinem Schminkkoffer habe, aber auch Produkte, die ich für Chanel oder jetzt für Byredo kreiert habe, sowie welche von anderen Marken. Es gibt immer neue Texturen, Farben und Schattierungen, die mich begeistern!

Das klingt wie eine Sucht.

Ich würde es mit der Suche nach dem perfekten weissen T-Shirt vergleichen: Ich bin immer auf der Suche nach dem perfekten Rot, dem perfekten Nude. Keine Ahnung, wie viele rote Lippenstifte ich kreiert habe, aber irgendwie schaffe ich es immer, neue Farbtöne zu finden und mich für sie zu begeistern.

Teenager tragen derzeit viel Make-up, ältere Frauen weniger. Glauben Sie an einen Generationenunterschied, wenn es um Make-up geht?

Ich glaube, je älter man wird, desto besser kennt man sich selbst und weiss, was zu einem passt. Man experimentiert vielleicht noch, aber innerhalb seiner bereits abgesteckten Grenzen. Wenn man jung ist, ist man je nachdem noch auf der Suche nach seinem Stil.

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