Das Attentat hat unter Republikanern ein neues Accessoire hervorgebracht. Solche modischen Bekenntnisse gibt es immer wieder.
War es die KI? Das muss man sich heute fragen, wenn einem Bilder begegnen, die zu absurd sind, um wahr zu sein. Beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee diese Woche sass eine ganze Reihe Teilnehmer mit Pflaster am rechten Ohr, so wie es Donald Trump seit dem Attentat trägt. Rechteckige Mullbinden, an den Seiten mit medizinischem Klebeband fixiert. Teilweise waren sie so gross oder standen so ab, dass es aussah, als hätte jemand bei Photoshop Copy-and-Paste gemacht.
Trump-Anhänger legten sich Bandagen an, um Mitgefühl auszudrücken und «ihn zu ehren», wie ein Delegierter auf Fox News erklärte. Sie habe es «aus Solidarität» getan, sagte eine Frau aus Arizona – für «Präsident Trump». Er solle wissen, dass sie an seiner Seite stünden nach dieser «Tragödie, die niemals hätte passieren dürfen».
Einer hatte sogar die Parole «Fight, fight, fight» mit Kugelschreiber auf den Verband geschrieben, Trumps Worte, die direkt nach dem Anschlag unmissverständlich von seinen Lippen abzulesen waren. Bald würden den neuen Fashion-Trend alle tragen, zitierte das «Time Magazine» einen Mann. Findige Apotheker legen wahrscheinlich bereits haufenweise Vorräte an Mullbinden an. Selbst bei Unversehrten müssen die schneeweissen Bandagen ja gewechselt werden.
Nur Olaf Scholz’ Augenklappe fand keine Nachahmer
Solidaritätsbekundungen, auch in Form von Äusserlichkeiten, sind nichts Neues. Nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» 2015 erklärten Menschen in den sozialen Netzwerken und auf der Strasse: «Je suis Charlie.» Aus Protest gegen das Mullah-Regime in Iran schnitten sich Frauen weltweit die Haare ab. Jüngst trugen Prominente wie Nichtprominente Palästinenser-Schals oder Kleider in den Farben der palästinensischen Fahne.
Als Olaf Scholz vergangenes Jahr nach einem Sturz beim Joggen eine Zeitlang mit Augenklappe herumlaufen musste, sah man allerdings keine SPD-Wähler mit dem Accessoire. Derart plakative Bandagen erinnern eher an klassische Fanartikel. Swifties tragen Freundschaftsbänder, Madonna-Konzertgänger Cowboyhut, Republikaner «Maga»-Kappen und nun eben Pflaster. Subtext: Wir sind Trump – und deshalb jetzt ganz Ohr.
Der Präsidentschaftskandidat selbst hat mit der Bewegung wohl nichts zu tun. Bislang werden auch noch keine Pflaster in Parteifarbe verkauft. Dafür haben andere erkannt, dass man dieses Momentum – Glück im Unglück – nutzen kann. So sagte die Unternehmerin Andrea Neuer gegenüber CNN, sie habe mit Migräne darniedergelegen, als sie vom Anschlag gehört habe. Dann schaltete sie im Schlafzimmer den Fernseher ein und rief, obwohl von Emotionen überwältigt, geistesgegenwärtig ihren Mann an: «Das muss ein T-Shirt werden!»
T-Shirts mit Trump mit gereckter Faust
Die T-Shirts bietet Familie Neuer nun an ihrem Stand beim Parteitag in Milwaukee zum Verkauf an. Schwarze T-Shirts mit dem ikonischen Foto von Trump mit gereckter Faust und dem Wort «Fearless» darüber. Auch anderswo wurden T-Shirts, Hüte, Anstecker und gerahmte Bilder mit dem Motiv verkauft. «Märtyrer-Merch», wie ihn die Welt tatsächlich noch nicht gesehen hat. Natürlich versuchten sie nicht, aus einem so schrecklichen Ereignis Kapital zu schlagen, sagt Andrea Neuer, aber die Gelegenheit sei schlicht zu lukrativ, um sie nicht zu nutzen.
Auch auf Online-Marktplätzen wie Amazon und Etsy wurden bereits kurz nach dem Attentat Artikel mit Trumps blutverschmiertem Gesicht angeboten, dazu die Parolen «Fight» oder «Never surrender», nie aufgeben. Angeblich verkauft sich das alles hervorragend. Mehr denn je gilt wohl: Wenn es nicht auf irgendeinem T-Shirt steht, ist es nicht passiert.