Freitag, November 29

Ohne den Weltfussballer Rodri sind die «Citizens» defensiv verwundbar. Das Team muss dringend die Stabilität wiederfinden – sonst bleibt Pep Guardiola mit dem englischen Klub erstmals seit 2016/17 titellos.

Pep Guardiola gilt als taktisches Genie. In seiner Trainerkarriere hat er es immer wieder geschafft, mit neuen Ideen die Spielweise seiner Teams weiterzuentwickeln. Seine prägnanteste Einführung bei Manchester City ist bisher der sogenannte «Swapper» gewesen. Der Begriff bezeichnet im Englischen eigentlich einen Partnertausch. In Guardiolas Spielkonzept wechselt der gemeinte Spieler aber nicht zwischen zwei Beziehungen, sondern zwischen zwei verschiedenen Positionen auf dem Platz.

Dabei handelt es sich in der Regel um die Innen- und Aussenverteidiger der «Citizens», die im Ballbesitz ihre angestammte Rolle verlassen und ins defensive Mittelfeld aufrücken. Auf diese Weise verstärkt der Trainer die Stabilität seiner Mannschaft und sichert sie zusätzlich vor Kontern des Gegners ab.

Wer eignet sich als Rodri-Ersatz?

Trotz seiner Innovationskraft findet Guardiola allerdings bis jetzt keinen Ersatz für den spanischen Weltfussballer Rodri. Seit dem Kreuzbandriss des Mittelfeldstrategen im September ist Manchester City fulminant abgestürzt. Ohne den 28-Jährigen erlitt der Klub seit Februar 2023 10 Pleiten in 29 Spielen. Die Niederlagenquote beträgt 34,5 Prozent – im Vergleich zu den sagenhaften 2,6 Prozent, wenn Rodri für Manchester City auf dem Platz gestanden hatte.

Der Verein wartet mittlerweile seit über einem Monat auf einen Sieg in einem Pflichtspiel; zuletzt resultierten fünf Pleiten in Serie und ein Remis – eine solche Negativserie hat Guardiola in seiner Trainerkarriere noch nie erlebt. In der Premier League vergrösserte sich der Rückstand der noch zweitplatzierten «Citizens» vor dem Auswärtsmatch am Sonntag beim Leader Liverpool auf 8 Punkte. Und in der Champions League muss das zurzeit im 17. Rang klassierte Team um den Einzug in die Play-off-Runde für die Achtelfinals bangen.

Während Rodris seltener Abwesenheit in den vergangenen Jahren hat Guardiola zahlreiche Spieler auf dessen Position vor der Abwehr ausprobiert: Ilkay Gündogan, Bernardo Silva, Mateo Kovacic, Rico Lewis, Kalvin Phillips. Doch keiner von ihnen vereint dessen Fähigkeiten, der Mannschaft in der Defensive Stabilität und Zweikampfstärke sowie in der Offensive Rhythmus und Struktur zu geben.

Zuletzt vertraute Guardiola erneut Gündogan – und lag mit der Entscheidung daneben. Nach seiner Rückkehr vom FC Barcelona wirkt der Deutsche erstaunlich ausser Form, aber auch in besserer Verfassung hatte er seine Stärken nie als Wellenbrecher. Gündogans Wirken auf der für ihn ungewohnten Defensivposition erinnerte an den verlorenen Champions-League-Final 2021, als Guardiola auf Rodri in der Startformation verzichtet hatte. Guardiolas Team wurde damals vom FC Chelsea genauso kompromisslos ausgekontert wie zuletzt: In den letzten sechs Spielen kassierte es 17 Gegentore.

Kürzlich erzählte der deutsche Trainer Fabian Hürzeler in einem «Bild»-Podcast, dass er vor seinem Wechsel nach England zu Brighton & Hove Albion bei Guardiola nachgefragt habe, was der Schlüssel sei, um Matches in der Premier League zu gewinnen. Dieser habe geantwortet, man müsse in erster Linie «das Umschaltverhalten des Gegners kontrollieren». Doch genau das gelingt Manchester City ohne Rodri nicht mehr. Einer der geeignetsten Kandidaten für die Rodri-Vertretung scheint deshalb der Schweizer Manuel Akanji zu sein.

Nach seinem Transfer von Borussia Dortmund 2022 hat der Abwehrspieler bei Manchester City mit erstaunlicher Flexibilität und Verlässlichkeit überzeugt. Er zählt zu jenen Profis, die Guardiola wiederholt als Swapper verwendet hat. Dadurch konnte Akanji wichtige Erfahrungen im Mittelfeld sammeln; der 29-Jährige wuchs zunehmend in diese Rolle hinein. Und im Gegensatz zu seiner Anfangszeit in Manchester versucht er mittlerweile mehr Einfluss und Verantwortung zu übernehmen.

Das verdeutlichten Akanjis Impulse als Innenverteidiger im Spielaufbau. Zwar würde er als Taktgeber sicher nicht über die gleiche Umsicht und Ballsicherheit wie Rodri verfügen. Aber seine Zweikampfstärke könnte zu mehr Stabilität verhelfen. Auch Akanjis Abwehrkollege John Stones wäre eine Option. Noch sieht Guardiola von dieser Option ab.

Kürzlich verlängerte Guardiola den Vertrag mit Manchester City bis 2027

Die Krise seiner Mannschaft hinterlässt derweil sichtbare Spuren bei ihm. Nach dem wahnwitzigen 3:3 nach einer 3:0-Führung bis zur 75. Minute gegen Feyenoord Rotterdam in der Champions League am Dienstag waren auf Guardiolas Kopfhaut überall errötete Stellen zu erkennen. Zudem hatte er einen blutenden Cut auf dem Nasenbein. Die Wunden, die das Resultat einer Kneipenschlägerei hätten sein können, hatte sich Guardiola selbst zugefügt, wie er nach dem Spiel gegen Feyenoord freimütig einräumte.

Guardiola berichtete, er habe sich mit den Fingernägeln die Haut aufgerissen. «I want to harm myself», sagte er mit gequältem Lächeln: «Ich will mir selbst weh tun.» Die Aussage war sarkastisch gemeint – wobei ihm einige Kommentatoren in England aufgrund seines Perfektionismus durchaus zutrauen würden, die Krise derart persönlich zu nehmen, dass er sich selbst dafür geisselt.

Am nächsten Tag erklärte Guardiola in einem Post auf X, er sei von der Reporterfrage überrumpelt worden und habe auf keinen Fall das Thema Selbstverletzungen verharmlosen wollen. Dabei verwies er auf eine Organisation, an die sich Betroffene mit solchen Problemen wenden können.

Vor einer Woche hat Guardiola seinen auslaufenden Vertrag bei Manchester City bis 2027 verlängert – ein einmaliger Vorgang im Fussballgeschäft in einer solch angespannten Lage. Der Trainer will die Misere unbedingt selbst meistern.

In dieser Saison sind weitere Titel für Manchester City aber erst einmal in so weite Ferne gerückt wie in Guardiolas erster Saison 2016/17, als er auf der Insel titellos blieb. Daran dürfte sich bis zur Rückkehr von Rodri wenig ändern. Und der fehlt für den Rest der Saison.

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