Nun will auch der Kanton Luzern den Pranger für säumige Prämienzahler abschaffen. Andere Kanton halten trotz Kritik an diesem Zwangsmittel fest.
Die Politik erfindet immer wieder Instrumente, die bei ihrer Einführung als das Ei des Kolumbus angesehen werden. Oft erweisen sich diese Ideen in der Praxis als wenig tauglich, sind aber kaum mehr aus der Welt zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Liste säumiger Prämienzahler (LSP). Wer auf dieser Liste landet, bekommt von der Krankenkasse nur noch die Kosten für Notfallbehandlungen erstattet.
Nach verschiedenen anderen Kantonen will nun auch die Luzerner Regierung diese schwarze Liste abschaffen. Den Anstoss dazu hat der SP-Nationalrat David Roth gegeben, der während seiner Amtszeit als Kantonsrat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht hatte.
Nutzen ist nicht belegt
Die Regierung begründet ihren Entscheid mit einem Kantonsvergleich der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) aus dem Jahr 2022. Die bisher unveröffentlichte Studie zeige «nicht eindeutig auf, dass diese Liste ein erfolgreiches Instrument ist, um die Zahl der säumigen Prämienzahlenden zu reduzieren», hält der Regierungsrat fest. Die Zahl der Verlustscheine über Prämien und Kostenbeteiligungen werde mutmasslich durch mehrere Faktoren beeinflusst. So etwa von der Altersstruktur, der Erwerbsbeteiligung und der finanziellen Situation der Bevölkerung.
Ein Grund für die Abschaffung sind für Luzern auch die Finanzen. So verursacht die LSP dem Kanton einen jährlichen Gesamtaufwand von fast 60 000 Franken. Die Kosten würden durch höhere Sicherheitsanforderungen und entsprechende IT-Anpassungen künftig deutlich steigen. Zudem seien kurzfristig Investitionen von 200 000 Franken nötig. «Aufgrund der Tatsache, dass der direkte Nutzen der LSP in all den Jahren nicht abschliessend und faktenbasiert nachgewiesen werden konnte, ist davon auszugehen, dass dieser in einem ungünstigen Verhältnis zu den Kosten steht», bilanziert der Regierungsrat.
Sollte das Luzerner Parlament dieser Argumentation folgen und die schwarze Liste abschaffen, läge es damit im Trend. In den vergangenen Jahren haben die Kantone Graubünden, Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen und Zug dieses Instrument wieder abgeschafft. Die Begründungen waren überall ähnlich: einerseits wegen des fehlenden Nutzens, andererseits wegen der Gefahr, dass den auf der Liste aufgeführten Personen die notwendige medizinische Grundversorgung verweigert werden könnte.
Diese Kritik wurde unter anderem durch einen Fall im Kanton Graubünden ausgelöst. In Chur starb 2018 ein an Aids leidender Mann. Ihm wurde zweimal die Bezahlung einer lebenswichtigen Therapie verweigert, weil er von seiner Krankenversicherung betrieben wurde und deshalb auf der schwarzen Liste stand.
Erfinder halten an Liste fest
Gescheitert sind Versuche der Abschaffung auf Bundesebene. 2021 beantragt der Bundesrat, den Kantonen das Recht zu entziehen, eine Liste der säumigen Prämienzahler zu führen. Das Parlament lehnte dies vor allem aus föderalistischen Gründen ab. Trotzdem bricht ein Kanton nach dem anderen aus der Phalanx aus.
Vorerst unbestritten ist das Instrument nur noch in den Kantonen Aargau, Tessin und Thurgau. Der Kanton Aargau hat vor zwei Jahren sein Regime immerhin etwas gelockert. Dort landen nur noch Versicherte auf der Liste, die ihre Krankenkassenprämien nicht bezahlen wollen. Personen mit einem oder mehreren Verlustscheinen, die ihre Prämien nicht bezahlen können, werden von der Liste gestrichen.
Im Kanton Thurgau wurde letztmals über eine Abschaffung im Jahr 2023 diskutiert. Doch SP und Grüne scheiterten im bürgerlich dominierten Kantonsparlament mit dieser Forderung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Thurgau die schwarze Liste erfunden und damit andere Kantone auf die Idee gebracht hat, den gleichen Weg zu gehen. Eine Abschaffung wäre ein Eingeständnis des Scheiterns der eigenen Idee, die immer weniger Anhänger hat.