Das Geschäft des grössten Schweizer Versicherers läuft hervorragend, doch stehen 2024 viele Herausforderungen vor der Tür: Die Zinsen und Trump sorgen für Fragezeichen.
Die Zurich ist auf Rekordjagd. Der Versicherungskonzern hat seinen Betriebsgewinn um eindrückliche 21 Prozent erhöht und auf 7,4 Milliarden Dollar nach oben geschraubt. Netto schaute zwar weniger heraus, als die Analysten erwarteten. Wegen des raschen Zinsanstiegs musste die Zurich hohe Buchverluste auf ihrem Anleihen-Portfolio verkraften. Der Reingewinn beträgt dennoch 4,4 Milliarden Dollar. Das ist deutlich mehr, als etwa die Grossbank UBS (ohne Sondereffekte) hereingeholt hat; und es unterstreicht die anhaltende Führungsrolle der Zurich am Schweizer Finanzplatz.
Die Zurich will jetzt die Aktionäre am Erfolg teilhaben lassen – und wie. Sie erhöht die Dividende von 24 auf 26 Franken pro Aktie und kündigt ein Aktienrückkaufprogramm von bis zu 1,1 Milliarden Franken an. Insgesamt schüttet der Versicherer damit mehr an seine Aktionäre aus, als er 2023 verdient hat.
Die Aktionäre freuen sich
Diese reagieren erfreut: Die Zurich-Aktie gewinnt am Donnerstagvormittag im Handel mehr als zwei Prozent an Wert. Ein Grund für die Freude war die Ansage von Zurich-Chef Mario Greco, dass der Gewinn pro Aktie fortan um 10 Prozent pro Jahr steigen soll.
Auf den ersten Blick muss man sich fragen, ob sich die Zurich das auf Dauer leisten kann. Selbst wenn man die ausserordentlichen Verluste auf festverzinslichen Anlagen herausrechnet, würde die Zurich ihren kompletten Reingewinn 2023 an die Anleger ausschütten. Langfristig will Zurich eigentlich «nur» drei Viertel ihres Gewinns an die Aktionäre ausschütten; ähnlich wie dies etwa die Konkurrentin Axa anstrebt.
Die Zurich hatte dank einigen Verkäufen allerdings noch freie Mittel, für die sie keine sinnvolle Verwendung fand; auch daher das Rückkaufprogramm und die Grosszügigkeit ihren Aktionären gegenüber. Der Versicherer kann sich das zudem leisten. Ihre Kapitalisierung ist noch immer stark, die relevante Quote des Schweizer Solvenztests liegt bei 233 Prozent. Das hauseigene Minimalziel der Zurich beträgt 160 Prozent. Erst wenn die Quote gegen 100 Prozent fällt, würden Sanierungsmassnahmen fällig. Der Kapitalpuffer bleibt also dick.
Fünf Herausforderungen
Die Reaktion der Analysten auf die Jahreszahlen fiel dennoch gemischt aus, auch weil die Erwartungen hoch waren. Folgende Herausforderungen werden die Zurich 2024 beschäftigen.
- Leichte Enttäuschung im Retail-Geschäft: Die wichtigste Sparte der Zurich, die Schaden- und Unfallversicherung, hat 2023 weniger Gewinn erzielt als erwartet. Der Grund liegt beim Geschäft mit Privatkunden und KMU, das im Verhältnis zu den Prämieneinnahmen noch immer zu hohe Kosten aufweist. Die Zurich-Spitze arbeitet seit geraumer Zeit an diesem Problem und hat kontinuierliche Besserung bis 2025 versprochen. Es geht voran, aber noch nicht schnell genug.
- Preisentwicklung: Die Zurich profitierte in den vergangenen Jahren vor allem in den USA, aber zuletzt auch in der europäischen Autoversicherung von einer grossen Preissetzungsmacht. Einen «harten Markt» nennt man es, wenn die Kunden mehr Versicherungsdeckung verlangen, als die Versicherer ihnen geben möchten. Die Folge sind steigende Preise. Manche Geschäftssparten könnten sich nun aber in Richtung eines Käufermarkts entwickeln. Diese Kehrtwende ist für jene Versicherer gefährlich, die Wachstum bolzen ohne Rücksicht auf die Risiken zu nehmen. Das hat die Zurich zuletzt nicht getan; es wird entscheidend sein, dass sie weiterhin diszipliniert auftritt.
- Farmers: Die Zurich arbeitet sehr eng mit der genossenschaftlichen US-Versicherungsgruppe Farmers Exchanges zusammen; der Schweizer Versicherer bietet ihr zahlreiche Dienstleistungen rund um das Kerngeschäft an. Dieses Geschäft hat der Zurich im vergangenen Jahr 2,3 Milliarden Dollar an Betriebsgewinn eingebracht. Das hat alle Beobachter positiv überrascht. Denn bis Mitte 2023 hatten die Farmers Exchanges – und indirekt damit auch die Zurich – über längere Zeit mit hohen Kosten wegen Naturkatastrophen zu kämpfen gehabt. Gegenmassnahmen haben im zweiten Halbjahr aber erstaunlich gut gegriffen; allerdings profitierte Farmers auch von wenig Katastrophenschäden gegen Jahresende. 2024 wird ein Jahr der Bewährung.
- US-Wahlen: Die Zurich ist sehr stark in den USA. Viele ihrer wichtigen Industriekunden etwa setzen grosse Stücke auf die USA (und deren Subventionen). Was also würde eine Trump-Wahl für den Versicherer bedeuten? Zurich-Chef Mario Greco und Finanzchef George Quinn schauen nicht gern in die politische Glaskugel – zumindest nicht für und vor Journalisten, die sie an diesem Donnerstag mehrfach zu geopolitischen Risiken befragen wollten. Die Antwort lautet meist: Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Aber wir sind in den vergangenen Jahren profitabel gewachsen, während Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation und Rezessionstendenzen. Die Botschaft wird nicht ausgesprochen, ist aber klar: Niemand weiss, was Trump in einer zweiten Amtszeit tun würde. Aber wir haben bisher noch alle Politiker überstanden.
- Makroökonomisches Umfeld: Der Nettogewinn der Zurich fiel wie erwähnt wegen des scharfen Zinsanstiegs geringer aus als erwartet. Insofern wird sich auch 2024 die Entwicklung der US-Leitzinsen im Reingewinn niederschlagen; positiv oder negativ. Auch der Dollarkurs bleibt wichtig, etwa weil die Zurich für ihre Dividende ein Franken-Ziel ausweist, ihre Bilanz aber in Dollar führt. Leitzinsen und Währungskurse kann die Zurich natürlich nicht beeinflussen. Gleichwohl ist auch sie früher oder später auf Support der Finanzmärkte angewiesen, wenn sie ihre hohen Mittelfristziele bis 2025 erreichen will.