Die Empörung über den wegen sexueller Belästigung verurteilten Walliser Yannick Buttet ist eine Fortsetzung der #MeToo-Debatte. Welche Rolle spielt eigentlich das Strafrecht, wenn am Ende doch die Moral zählt?
Die Ernennung des früheren CVP-Nationalrats Yannick Buttet zum neuen Tourismus-Präsidenten hat im Wallis zu einer Art Massenerregung geführt. Eine von Gewerkschaftern und vom Feministischen Kollektiv lancierte Petition forderte, dass Buttet abgesetzt werde. Mehr als 10 000 Personen haben die Forderung unterzeichnet. Am Dienstagabend hat Buttet dem Druck nachgegeben und seinen Rücktritt bekanntgegeben.
Yannick Buttet hatte vor sieben Jahren schweizweit unrühmliche Bekanntheit erlangt, nachdem bekanntgeworden war, dass er seine ehemalige Geliebte bedrängt hatte und nachts in ihrem Garten von der Polizei aufgegriffen worden war. Auch neigte er dazu, gegenüber Frauen, auch Parlamentarierinnen, unangenehm bis übergriffig zu werden, was im Bundeshaus eine angeregte Debatte über Sexismus, Apéros und Miniröcke auslöste.
Welche Rolle spielt das Strafrecht?
Der CVP-Politiker trat aus dem Nationalrat zurück, etwas anderes blieb ihm angesichts seines unbestrittenen Fehlverhaltens kaum übrig. Er wurde in der Folge wegen Nötigung und wegen sexueller Belästigung verurteilt. Kann ein solcher Mann ein paar Jahre später wieder eine wichtige Stellung besetzen?
Nein, fanden die Petitionäre. Sie argumentierten unter anderem damit, dass Buttet indirekt Chef jener Frau werde, gegen die er früher übergriffig geworden sei. Die Betreffende ihrerseits sah ihre Integrität nach eigener Aussage dadurch allerdings nicht gefährdet. Das wiederum liessen die Gewerkschafter und die Feministinnen nicht gelten. Für sie brauchte es «ein klares Zeichen gegen sexuelle Belästigung», sprich die Absetzung des Täters. Das ist nun geschehen.
Der Fall ist insofern interessant, als er sozusagen die Fortsetzung der #MeToo-Debatte darstellt. Der Widerstand gegen Buttets Ernennung als Tourismus-Präsident wurde nicht mit seinem jetzigen, sondern mit seinem früheren Verhalten begründet. Für dieses wurde er von der Justiz verurteilt und bestraft, den Opfern ist Gerechtigkeit widerfahren. Das führt zu der Frage: Darf ein wegen sexueller Belästigung verurteilter Täter seine Karriere irgendwann fortsetzen? Oder muss er auf Jahre hinaus in der Bedeutungslosigkeit verschwinden? Ist das Gerechtigkeitsempfinden erst befriedigt, wenn er beruflich alle Ambitionen aufgibt?
Sicher, man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass jedes Missverhalten gegenüber Frauen, auch eine sexuelle Belästigung, so charakterlos und unverzeihlich ist, dass ein Mann nie mehr eine einflussreiche Stellung bekleiden darf und sich aus der Öffentlichkeit fernhalten soll. Eine andere Frage ist, wie reif und aufgeklärt eine Gesellschaft ist, die solche Massstäbe anlegt, und welche Rolle eigentlich das Strafrecht spielt, wenn am Ende doch die Moral zählt. Bleiben Frauenbelästiger ihr Leben lang toxisch, Strafe hin oder her? Gilt für sie ein inoffizielles Tätigkeitsverbot im öffentlichen Bereich?
Reizthema Sexismus
Von aussen betrachtet drängt sich der Eindruck auf, dass es im Fall Buttet eigentlich um etwas anderes geht. Die Petitionäre griffen das Reizthema des Sexismus auf, doch in Tat und Wahrheit stört man sich an «männlichen Seilschaften», an «boys’ clubs», welche die guten Posten untereinander verteilen würden.
Mag sein, dass es im Wallis eine speziell ausgeprägte Form von Vetternwirtschaft unter Männern gibt, wie die Kritikerinnen behaupten. Gut möglich, dass Buttet nicht der geeignetste Tourismusdirektor gewesen wäre und es mit einem anderen Auswahlverfahren bessere Kandidaturen gegeben hätte, auch solche von Frauen. Es ist richtig, solche Unsitten, wenn es sie gibt, offen zu kritisieren und die Mischler zu nennen. Doch das ist eine ganz andere Geschichte als jene, einen verurteilten Mann wegen seines Vorlebens für untragbar zu erklären.