Freitag, September 27

Die Bezahl-App Twint schaltete bei allen Partnerbanken eine grosse Spendenaktion für Libanon. Wer die Aktion initiiert hatte, war allerdings nicht erkennbar. Twint hat die Angaben nun ergänzt, dennoch hat die UBS das Banner auf ihrer Bezahl-App entfernt.

Politisch affine Benutzerinnen und Benutzer der Twint-App haben am Dienstagabend leer geschluckt. Nach dem Einloggen erschien jeweils ein grosses Banner: «Angriffe im Libanon: Unterstützung ist gefordert», hiess es da. Klickte man auf «bezahlen», hiess es dann: «Eskalation im Libanon: Deine Spende bringt lebenswichtige Hilfe für viele Menschen in Not.» Zu lesen war dann von «über 1000 Zielen im Libanon» und davon, dass die libanesischen Behörden bereits Hunderte Tote und Tausende Schwerverletzte meldeten, ein weiterer Button forderte dann zum «Jetzt spenden» auf.

An wen aber eine solche Spende ging und wer der Initiator war, war nicht kenntlich gemacht. Stand Twint dahinter oder die jeweilige Bank? Eine Schweizer Hilfsorganisation vielleicht oder ein libanesisches Hilfswerk? Oder aber stammte die Aktion gar aus dem Umfeld des «Staates im Staate», der Terrororganisation Hizbullah, welche Libanon faktisch kontrolliert?

Grundsätzlich liegt die Verantwortung für das geschaltete Spenden-Banner bei der Bezahl-App Twint, wie Nachfragen bei Twint, mehreren Banken und Hilfsorganisationen zeigen. Twint arbeitet eng mit Schweizer Hilfswerken und Organisationen zusammen. Eskaliert eine Krise oder ein Konflikt, kann der Dienstleister reagieren, sobald er sich mit mindestens einer Organisation auf eine solche Notfallkampagne einigt. In diesen Situationen zähle für die Zivilbevölkerung jede Minute, erklärt Marco Zaugg. Seine Firma Weunity ist bei Twint für die digitalen Spenden zuständig.

Der Konflikt zwischen Israel und dem Hizbullah in Libanon eskalierte am Montagmorgen. Hunderte Personen wurden seither getötet, Zehntausende Bewohner haben die Flucht aus den schiitischen Dörfern ergriffen. Laut Zaugg schaltete Twint am Dienstagabend schweizweit den grossen Spenden-Banner auf.

Während weniger Stunden kamen dann insgesamt fünf Partner an Bord. Die humanitären Hilfsorganisationen Caritas Schweiz, Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), Unicef Schweiz und Liechtenstein, Swiss Barakah Charity und Glückskette sind seit vielen Jahren in Libanon vor Ort und kennen die Lage der Zivilbevölkerung sehr genau.

Auf die Anfrage der NZZ reagierte Twint dann rasch. So wurde das Banner sofort angepasst, seit Mittwoch, 17 Uhr ist klar kenntlich, dass die Spendengelder an etablierte Hilfsorganisationen gehen und damit humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung vor Ort geleistet wird.

Angefragte Banken verwiesen fast durchgehend auf Twint und zeigten sich im Gespräch dann teilweise beruhigt darüber, dass der Wortlaut im Banner angepasst wurde. Daniel Slongo, Sprecher der Schwyzer Kantonalbank, erklärt, dass Twint solche Kampagnen zwar allein betreue. Allerdings seien mit der Bank Grundsätze dazu vereinbart worden, welche Art von Kampagnen geschaltet werden dürfe. Reagiert hat die UBS, diese entfernte das Libanon-Banner am Donnerstag von ihrer Twint-App. Über die Gründe hält sie sich bedeckt, der Entscheid fiel laut UBS nach einer internen Analyse. Dem Vernehmen nach soll dieser aber nichts mit allfälligen Rückmeldungen von Kunden zu tun gehabt haben.

Die Medienstelle von Twint betont, dass «die User aktiv entscheiden, für welche Hilfsorganisation sie spenden wollen». Hierbei handle es sich um einen etablierten Prozess, mit dem bereits für zahlreiche Notfallsituationen schnell und effizient humanitäre Hilfe geleistet werden konnte. Im Endeffekt hätten die Banken aber die Hoheit über die Inhalte in ihrer jeweiligen Twint-App, so Twint.

Den teilnehmenden Hilfsorganisationen würden 1,8 Prozent der Spenden an Gebühren verrechnet, sagt Zaugg. Diese umfassen alle anfallenden Kosten von Twint, Weunity und den teilnehmenden Banken. 70 Prozent der bei Twint Spendenden übernehmen aber die Gebühren selbst. Bei einer Spende von 50 Franken pro Person mache das zusätzliche 90 Rappen aus, so Zaugg.

Die Twint-App hat geschätzte 5 Millionen aktive Userinnen und User. Livia Leykauf, die Sprecherin von Caritas Schweiz, betont denn auch, dass im Falle einer Katastrophe digitales Fundraising wie über Twint ein sehr effizienter und erfolgreicher Kanal sei.

An der Hauruckübung von Twint zeigt sich eindrücklich, dass Geschwindigkeit um jeden Preis keine gute Idee ist. Und gerade bei Themen mit unterschiedlichen politischen Ansichten wie dem Nahost-Konflikt kann es sehr heikel werden.

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