Montag, September 30

Kritisieren ja, aussteigen nein: Der Nationalrat will die Menschenrechtskonvention nicht kündigen. Justizminister Jans schlägt leise Töne an.

Zu Beginn hatte Justizminister Beat Jans für das Klima-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom April nur lobende Worte gefunden. Der Entscheid stärke die Rechte der Schweizerinnen und Schweizer, meinte er im Frühling noch begeistert. Mit dieser Position war Jans indes wenn nicht gerade ein Exot, dann doch in der klaren Minderheit. Die eidgenössischen Räte empörten sich in einer Erklärung über den «richterlichen Aktivismus» aus Strassburg, und auch der Bundesrat kritisierte das Klima-Urteil im August deutlich.

Der Bundesrat hinterfragt

Am Dienstag tönte es von Jans denn auch deutlich weniger euphorisch. Die SVP hatte eine ausserordentliche Session zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verlangt und forderte kurzerhand die Kündigung des Vertragswerks. An Jans war es, die Position des Bundesrates zu vertreten. Die Landesregierung hinterfrage das Klima-Urteil kritisch, sagte er. Sie sei der Meinung, dass eine Ausweitung der EMRK durch die Mitgliedstaaten des Europarates beschlossen werden müsse und nicht durch den Gerichtshof erfolgen dürfe. Man werde diese Haltung dem Europarat mitteilen.

Gleichzeitig wies Jans darauf hin, dass man das jüngste Urteil aus Strassburg zugunsten eines bosnischen Drogendealers möglicherweise weiterziehen werde. Der Entscheid strapaziert die Schweizer Regelung über die Ausschaffung krimineller Ausländer.

Alain Berset als Argument

Während die SVP Jans mit kritischen Fragen löcherte, wurden ihm von links willkommene Bälle zugespielt. So konnte er ausführen, dass eine Kündigung der EMRK das Image der Schweiz massiv schädigen würde und man den Europarat doch nicht ausgerechnet dann verlassen solle, wenn die Schweiz mit Alain Berset neu den Generalsekretär stelle. Alle Parteien ausser der SVP sahen das ebenso, die Motion scheiterte klar mit 121 zu 65 Stimmen.

Das EMRK-Thema wird am Mittwoch auch den Ständerat beschäftigen. Dort hat eine Motion des Freisinnigen Andrea Caroni, die den EGMR «auf seine Kernaufgabe» beschränken will, gute Chancen auf Annahme. Obschon der Vorstoss Selbstverständliches verlangt, zeigt sich die NGO-Plattform Menschenrechte bereits höchst alarmiert und ortet einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Strassburger Richter.

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