Montag, September 30

Jetzt fehlen nur noch ein paar wenige Mitte-Stimmen, und für den Asylminister Beat Jans könnte es richtig unbequem werden.

Thierry Burkart wählte deutliche Worte, um nach der Sommerpause den neuen Asylkurs seiner Partei anzukündigen. Praktisch überall im Migrationsbereich will der FDP-Präsident die Schrauben anziehen. Wer an Leib und Leben bedroht sei, müsse Asyl erhalten. Bei allen anderen, die illegal in die Schweiz einreisten, stellte er eine härtere Gangart in Aussicht. «Der Missbrauch unseres Asylsystems nimmt extreme Züge an», sagte Burkart in einem Interview mit der NZZ.

Die FDP versucht zwar seit langem, unter dem Motto «Hart, aber fair» Akzente in der Migrationspolitik zu setzen. Aber so richtig wollte das dem Freisinn niemand abnehmen. Nach Burkarts Ansage hagelte es denn auch postwendend Kritik seitens der Linken. Die FDP, so die nicht ganz selbstlose Sorge, nähere sich mit diesem schrillen Stil der SVP an. Bei der SVP wiederum sah man das Alleinstellungsmerkmal in Gefahr. Er glaube nicht, dass die FDP den Worten ihres Präsidenten auch Taten folgen lasse und die Asylanträge der SVP unterstütze, sagte Thomas Aeschi vor der Session.

Jans zeigt mit dem Finger auf Keller-Sutter

Nun sind der SVP-Fraktionschef und alle, die an der Disziplin der manchmal sehr eigenwilligen FDP-Nationalräte zweifelten, eines Besseren belehrt worden. In der ausserordentlichen Asylsession vom Dienstag folgte die FDP-Fraktion sämtlichen Motionen der SVP, die mit diesen das bestehende Asyl- und Ausländerrecht verschärfen wollte. Das Signal war klar: Die FDP steht hinter dem neuen Asylkurs von Burkart.

Bei den knappen Mehrheitsverhältnissen schafften es FDP und SVP aber nicht, gemeinsam eine Mehrheit zusammenzubringen. Zwei SVP-Mitglieder waren entschuldigt. Bei der FDP scherte der Waadtländer Nationalrat Laurent Wehrli aus. Bei den wichtigen Abstimmungen enthielt sich der Präsident der Aussenpolitischen Kommission oder war dagegen. Dazu kamen zwei bis drei Nationalräte, die die Abstimmungen verpassten, unter ihnen der Fraktionschef Damien Cottier. Aus Sicht der sonst so disziplinierten Gruppe war das ärgerlich – und vor allem peinlich.

So wurde eine SVP-Motion, die die Sekundärmigration härter bekämpfen wollte, mit 94 zu 89 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Dadurch sollte der sogenannte Asyltourismus unterbunden werden, wonach Migranten mehrere sichere Länder überqueren, bevor sie in der Schweiz ein Gesuch stellen. Ein weiterer Vorstoss der Volkspartei wurde mit 97 zu 90 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Hier sollte der Bundesrat damit beauftragt werden, zusammen mit den Grenzkantonen Transitzonen zu schaffen, die die Gesuchsteller bis zum Entscheid nicht hätten verlassen dürfen. Noch vor einem Jahr lehnte die FDP-Fraktion eine ähnlich lautende Motion der SVP geschlossen ab.

Zwei andere SVP-Motionen wurden in der ausserordentlichen Asylsession derweil problemlos überwiesen, weil nebst der FDP auch die Mitte geschlossen mitmachte. Zum einen soll der Bundesrat – gegen seinen Willen – Massnahmen ergreifen, damit Kantone, Gemeinden sowie die Sozialwerke und -versicherungen relevante Daten von illegal eingereisten Migranten untereinander austauschen können. Damit sollen Migranten, die sich illegal in der Schweiz aufhalten und untergetaucht sind, aufgespürt und ausgeschafft werden können.

Zum anderen will die bürgerliche Mehrheit nicht, dass vorläufig Aufgenommene ihre Familienmitglieder in die Schweiz nachziehen dürfen. Es ergebe keinen Sinn, zumal es sich bei vorläufig Aufgenommenen um abgewiesene Asylsuchende handle, die nicht unmittelbar in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden könnten und – eigentlich – nur vorübergehend in der Schweiz blieben. Die Ratsmehrheit vermutet, dass dieser provisorische Status von Wirtschaftsmigranten missbraucht wird. Man darf gespannt sein, wie der Bundesrat mit dieser Motion umgehen wird, sofern sie auch im Ständerat eine Mehrheit findet. Aus Sicht der Regierung ist die Motion nicht vereinbar mit der Bundesverfassung.

Während sich die FDP bei den emotionalen Debatten im Rat vornehm zurückhielt, wurde sie selbst mehrfach ins Visier genommen. Die SP warf ihr vor, beim Familiennachzug eine Kehrtwende vollzogen zu haben. Wobei die SP nach der Debatte auch die Mitte kritisierte. Der Nationalrat habe das «fundamentale Menschenrecht auf Familienleben» abgeschafft, und das unter Mithilfe der «Familienpartei», höhnte der dauerempörte SP-Nationalrat Fabian Molina auf X. Aber auch die FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter wurde in die Debatte hineingezogen – zwar implizit, dafür von niemand Geringerem als ihrem Bundesratskollegen Beat Jans.

Auf eine wohlwollende Zwischenfrage der SP-Nationalrätin Min Li Marti, wie die vielen Pendenzen bei den Asylgesuchen überhaupt zustande gekommen seien, legte Jans viel Wert darauf, auf das Jahr 2022 zu verweisen. Damals seien allerdings die Asylstrukturen durch die Ukraine-Flüchtlinge zusätzlich belastet worden, schob der SP-Bundesrat nach. Doch im Rat kam die wohl der Machttektonik geschuldete Botschaft an: Die SP-Bundesräte – zuerst Elisabeth Baume-Schneider und jetzt Jans – haben diese «Anhäufung von Pendenzen» von der damaligen Asylministerin der FDP geerbt.

«Hauruckübungen»

Ob es klug war von Jans, seine Bundesratskollegin auf diese Weise in die Asyldebatte zu ziehen, sei dahingestellt. Er selbst wirkte über weite Strecken angespannt und verunsichert. Rund ein halbes Dutzend Beamte aus dem Justizdepartement war im Nationalratssaal zugegen. Sie datierten ihren Chef im Lauf der Debatte mit neuen Papieren auf und redeten auf ihn ein. Jans versuchte, bei seinen Stellungnahmen auf die gleichen Kernaussagen zurückzugreifen, die er übers Wochenende bereits in einem Interview mit den Zeitungen von CH Media getätigt hatte.

Es sei gut, dass man über das Asylwesen debattiere, aber er sehe keine Gründe für «Hauruckübungen». So bezeichnet der Justizminister das Mittel der Motion, mit der das Parlament der Regierung Beine machen kann. Falls die FDP am eingeschlagenen Kurs festhält und im Nationalrat auch weiterhin geschlossen auftritt, könnte es für Jans in Asylfragen ruppig werden. Künftig reichen ein paar wenige Mitte-Stimmen, und das «Hau ruck!» der ausserordentlichen Asylsession wird zur neuen Normalität.

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