Afrikas reichster Mann, Aliko Dangote, träumt davon, das Grundübel der nigerianischen Wirtschaft zu beheben. Nun liefert seine riesige Raffinerie erstmals Benzin aus. Doch Dangote hat mächtige Feinde.
Ein grosses wirtschaftliches Paradox in Afrika ist möglicherweise Geschichte: Nigeria fördert zwar mehr Erdöl als jedes andere Land auf dem Kontinent und ist einer der weltweit grössten Erdölproduzenten. Doch das Benzin, das Nigerias Tanks und Generatoren füllt, wird importiert – die Regierung des 200-Millionen-Einwohner-Landes gab für die Einfuhr pro Jahr oft mehr aus als für Bildung und Gesundheit.
Nun ändert sich das. Mitte September rollten mehrere hundert Laster auf das Gelände der Dangote-Raffinerie am Rand der Millionenmetropole Lagos. Sie holten dort erstmals Benzin ab, das die Raffinerie produziert hatte. Nigerias Finanzminister Wale Edun sprach von einem «historischen Durchbruch». Mittelfristig soll die Raffinerie den gesamten Benzinbedarf Nigerias decken und darüber hinaus Treibstoff exportieren. Falls das gelingt, ist es eine Revolution.
Zu verdanken hat Nigeria das dem Industriellen Aliko Dangote. Dangote, 67-jährig, aus dem muslimischen Norden des Landes, ist der reichste Mann auf dem afrikanischen Kontinent. Als Dangote 2013 erstmals Pläne für den Bau einer gigantischen Raffinerie vorstellte, hielten viele das für Phantasterei. Sie glaubten, die Raffinerie werde scheitern wie so viele Grossprojekte in Nigeria, einem Land, in dem Eisenbahn- und Autobahnprojekte vollmundig verkündet werden – um in der Umsetzung dann wegen fehlender Mittel und Misswirtschaft zu versanden.
Doch 2023 stand Aliko Dangotes Raffinerie. Sie hat zwanzig Milliarden Dollar gekostet und ist so gross wie viertausend Fussballfelder. Und nun hat sie erstmals Benzin ausgeliefert.
Kriminelle und korrupte Politiker verdienen am Öl
Aliko Dangote, der unter anderem mit Zement reich geworden ist, hat Nigerias Bevölkerung versprochen, dass der Benzinpreis dank seiner Raffinerie langfristig sinken werde. Für viele Nigerianerinnen und Nigerianer kann das nicht früh genug passieren. Nigeria, die zweitgrösste Volkswirtschaft in Subsahara-Afrika, steckt in einer tiefen Krise. Die Inflation liegt bei über 30 Prozent, Nahrungsmittel und viele andere Alltagsgüter werden laufend teurer. Im August kam es deshalb zu Demonstrationen im Land.
Die steigenden Lebenshaltungskosten hängen direkt mit dem Benzinpreis zusammen. Als Präsident Bola Tinubu im Mai 2023 ins Amt kam, hob er Treibstoffsubventionen auf, mit denen die Regierung den Benzinpreis seit den 1970er Jahren künstlich tief gehalten hatte. Die Subventionen hatten den Staat 2022 zehn Milliarden Dollar gekostet – bei der Bevölkerung aber waren sie beliebt.
Nachdem die Regierung die Subventionen gestrichen hatte, verdreifachte sich der Benzinpreis – und in der Folge stiegen Transport- und Lebensmittelkosten. Die staatliche Erdölgesellschaft sah sich bald gezwungen, den Preis wieder künstlich zu senken.
Nigerias Erdölindustrie krankt an Korruption und jahrzehntelanger Misswirtschaft. Die vier staatlichen Raffinerien stehen meist still. Dazu werden mehr als zehn Prozent des geförderten Rohöls gestohlen, zum Beispiel durch das Anzapfen von Pipelines. Daran verdienen neben kleinen Öldieben auch internationale kriminelle Organisationen und ins Geschäft verwickelte Politiker. Nigeria förderte zuletzt 1,4 Millionen Fässer Öl pro Tag – das Ziel der Regierung wären 2 Millionen Fässer.
«Die Erdölmafia ist mächtiger als die Drogenmafia»
Dass Nigerias dysfunktionale Erdölwirtschaft gerade in der Elite des Landes auch viele Profiteure hat, merkte Aliko Dangote spätestens, als seine Raffinerie eröffnet war. Immer neue Hindernisse tauchten auf: Die Korruptionsbehörden durchsuchten Dangote-Büros in Lagos; ein Regulator warf dem Unternehmer vor, ein Monopol errichten zu wollen und nur Treibstoff von minderwertiger Qualität zu produzieren.
An einer Konferenz auf den Bahamas im Juni sagte Dangote: «Ich wusste, dass es einen Kampf geben würde, aber ich wusste nicht, dass die Erdölmafia mächtiger ist als die Drogenmafia.» Dangote warf Vertretern der staatlichen Erdölgesellschaft NNPC vor, am Import von Benzin zu verdienen – etwa indem sie heimlich eine Raffinerie auf der Mittelmeerinsel Malta betrieben.
Vorerst scheint sich der Industrielle durchgesetzt zu haben gegen die Widerstände. Seine Raffinerie liefert Benzin aus. Doch Hindernisse werden bleiben. Es ist unklar, ob die staatliche Erdölgesellschaft NNPC laufend genügend Erdöl liefern kann, um die Raffinerie zu versorgen. Bereits musste Dangote aus den USA und anderen Ländern importieren – eine neue absurde Wendung in der tragikomischen Geschichte der nigerianischen Erdölwirtschaft.
Zudem dürfte es dauern, bis Dangotes Made-in-Nigeria-Benzin auch tiefere Preise für die Konsumenten bedeutet. Seine Firma muss die Baukosten der milliardenteuren Raffinerie wieder hereinbringen – entsprechend ist das Benzin nicht billig. Einen Tag nachdem die NNPC begonnen hatte, Benzin von Dangotes Raffinerie zu beziehen, erhöhte sie den Benzinpreis deswegen erneut um 11 Prozent.