Homophobe Störaktionen an der Pride und im Zürcher Tanzhaus haben strafrechtliche Folgen.
Die Vermummten kamen durch die Seitentüre der Kirche St. Peter und Paul im Zürcher Kreis 4. Die jungen Männer schleppten im Juni 2022 ein weisses Holzkreuz mit der Aufschrift «No Pride Month» mit sich, um einen Gottesdienst unter dem Motto «Vielfalt feiern» an der Zurich Pride zu stören.
Die Täter filmten ihre Aktion. Doch weit kamen sie nicht. Gottesdienstbesucher stellten sich den Männern in den Weg und verhinderten, dass sie in die Kirche gelangen konnten. Die mit weissen T-Shirts bekleideten Vermummten flüchteten, das Kreuz liessen sie in der Kirche stehen. Die Verantwortlichen der Pride alarmierten die Polizei und erstatteten Anzeige.
Schon bald war klar, wer hinter der feigen Aktion steckt: die rechtsextreme Gruppierung «Junge Tat».
Nun hat der Vorfall strafrechtliche Konsequenzen: Wie die Zürcher Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung schreibt, wurden gegen sechs Mitglieder der Jungen Tat Strafbefehle erlassen. Diese erfolgten wegen des Vorfalls an der Pride sowie wegen einer Störaktion im Zürcher Tanzhaus.
In den Strafbefehlen wurden die jungen Männer unter anderem wegen Rassendiskriminierung, Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit, Landfriedensbruch, Nötigung sowie weiterer Delikte verurteilt. Dafür wurden die Beschuldigten mit Geldstrafen zwischen 100 und 180 Tagessätzen sowie Bussen bestraft. Die Strafbefehle sind noch nicht rechtskräftig.
Homophobe Flyer mit einer Drohne in Umlauf gebracht
Der Umzug der queeren Gemeinschaft, für den jeweils mehrere zehntausend Menschen nach Zürich reisen, ist in den letzten Jahren wiederholt ins Visier der Rechtsextremisten geraten.
Auch dieses Jahr unternahm die «Junge Tat» einen Versuch: Von einem Motorboot im Zürcher Seebecken und mittels einer Drohne versuchten sie, ihre homophoben Botschaften in Umlauf zu bringen. Doch die Polizei schritt ein, sechs Schweizer und ein Deutscher im Alter zwischen 19 und 33 Jahren wurden für weitere Abklärungen auf eine Polizeiwache gebracht.
Öffentlich ist die Gruppierung mit solchen Aktionen zur dominierenden Kraft innerhalb der rechtsextremen Szene geworden. Ihre Grösse ist zwar überschaubar, aber die Junge Tat erreicht immer wieder Aufmerksamkeit mit ihren oft recht plumpen Aktionen.
In ihrem jüngsten Diskriminierungsbericht warnt die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus deshalb von der «Jungen Tat». Mit ihren Aktionen propagiere die Gruppierung den Hass auf Fremde und Minderheiten.
Und: Die Organisation bewege sich geschickt in den sozialen Netzwerken und betreibe so effiziente Mitgliederwerbung. Auch der Nachrichtendienst des Bundes erwähnt die Rechtsextremisten explizit. In seinem jüngsten Bericht hält der NDB fest, die «Junge Tat» interessiere sich für aktuelle, öffentlichkeitswirksame Themen, um sie für ihren öffentlichen Auftritt zu instrumentalisieren.
Es ist deshalb kein Zufall, dass die Geschichte der Gruppe mit Störaktionen an Anlässen wie dem Frauentag in Zürich, mit rassistischen Aufklebern und Flyern unter dem Namen ihrer Vorläuferorganisation, der Eisenjugend begann.
Für Aufsehen sorgte vor allem ein digitales Störfeuer: Im Frühling 2020 loggten sich die beiden Rädelsführer zusammen mit weiteren Mitstreitern in Zoom-Vorlesungen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein. Dort studierte einer der jungen Männer. Sie nannten sich «Alles Gute A. H. 88» und «Geburtstagsgast A. H.».
Sie platzierten rassistische und antisemitische Sprüche, riefen «Heil Hitler» und «Sieg Heil». In einem antisemitischen Eisenjugend-Video verbrannte ein Mitstreiter eine Israel-Flagge, einer der Anführer trat mit einer Kalaschnikow auf. Dafür und für die Störung der Vorlesungen verurteilte die Zürcher Staatsanwaltschaft mehrere Mitglieder der Gruppe später wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe.
Inzwischen bezeichnen die Führungsfiguren der Jungen Tat die damaligen Aktionen als Jugendsünden. Gegenüber CH Media erklärte einer der jungen Männer, er bereue diese Taten zutiefst. Mit Nationalsozialismus wolle er nichts mehr zu tun haben. «Wir sind gewaltfreie politische Aktivisten und wehren uns nur, wenn wir von Linksextremen angegriffen werden.»
Bloss: Das Gedankengut, dass die Gruppierung verbreitet, ist rechtsextrem geblieben. Einzig die Strategie der Jungen Tat hat sich seither geändert. Vermehrt versuchen die Rechtsextremen sich bei rechtskonservativen SVP anzudocken. Für Schlagzeilen sorgten zuletzt die Verbindungen zur Führung der jungen SVP und zur Winterthurer SVP-Politikerin Maria Wegelin.
Sellner soll erneut eingeladen werden
Und: Die internationalen Kontakte der Rechtsextremen. Im Frühjahr wollte der prominente österreichische Rechtsextremist Martin Sellner im aargauischen Tegerfelden eine Rede halten. Auf Einladung der «Jungen Tat». Die Polizei schritt jedoch ein, der Anlass wurde abgebrochen.
Mit Sellner versucht es die Junge Tat in diesem Herbst erneut. Der Rechtsextremist soll im Oktober einen Vortrag halten. Der Veranstaltungsort halten die Organisatoren geheim. Diese stellen sich aber bereits auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden ein. Auf dem Flyer verweisen sie auf eine Website. Ihr Titel: Wo ist Sellner.