Im Sommer 2023 entglitt René Benko allmählich die Kontrolle über die Signa-Gruppe. Nun gibt es Anzeichen, dass er in dieser Zeit Geschäftspartner aushorchen liess.
Kontrolle war für René Benko laut seinem Umfeld stets wichtig. Schon als die Geschäfte bei der Signa-Gruppe noch gut liefen, liess sich der österreichische Immobilieninvestor stets von zwei bis drei Bodyguards begleiten. Rund um seine Villa in Igls, einem Dorf oberhalb von Innsbruck, waren zahlreiche Kameras angebracht. Das war aber nicht alles. Selbst seine eigenen Mitarbeiter gingen davon aus, dass ihr Tun überwacht wurde. Seien es E-Mails, die sie verschickten, oder Dokumente, die sie im Büro ausdrucken wollten.
Bereitete er sich auf Treffen mit Investoren vor, sammelte er laut ehemaligen Signa-Mitarbeitern minuziös Informationen über sie. Dazu gehörten auch private Themen. Das signalisierte Interesse und schaffte Vertrauen: Hatte der Sohn beim letzten Treffen grad sein Studium begonnen, so fragte Benko beim nächsten Mal nach, wie sich der Sohn denn an der Universität behaupte.
Aus Kontrollwahn wird Paranoia
Ab Ende 2022 liefen die Geschäfte bei Benkos Signa nicht mehr so gut. Mit Klaus-Michael Kühne sprang – damals noch nicht bemerkt von der Öffentlichkeit – ein wichtiger Investor ab. Auch die anderen Gesellschafter in der Signa Holding wurden langsam unruhig. Benko wollte ihnen erneut eine Kapitalerhöhung schmackhaft machen, worüber sie gar nicht begeistert waren. Im November 2023 fiel das Kartenhaus in sich zusammen, Signa musste Konkurs anmelden.
Je stärker sich die Schlinge um Benkos Hals zuzog, desto weniger soll er seinen Mitstreitern vertraut haben.
Es gab auch Spekulationen, dass Benko die Lebensläufe von Inspektoren der Europäischen Zentralbank hatte ausforschen lassen. Diese hatte im Sommer 2023 bei den Banken in Europa Fragen nach deren Investitionen bei Signa gestellt.
Betroffen von Kontrollmassnahmen waren aber mutmasslich auch wichtige Geschäftspartner. Zu ihnen zählt etwa Dieter Berninghaus, Benkos in Zürich ansässiger Chefstratege im Handelsgeschäft. Dies zeigt eine Recherche der beiden österreichischen Investigativjournalisten Sebastian Reinhart vom Magazin «News» und Rainer Fleckl von der «Kronen Zeitung». Benko soll seinen wichtigsten Berater mitsamt seiner Familie über Monate ausspioniert haben.
Den Journalisten liegt unter anderem ein 39-seitiger Bericht vor, den ein Privatermittler für Benko erstellt hat. Die NZZ hatte Einblick in das Papier. Es enthält detaillierte Aufstellungen zu Berninghaus’ privaten Vermögensverhältnissen, inklusive Aktientransaktionen seiner Frau –alles Informationen, die öffentlich nicht ohne weiteres zugänglich sind. Der Privatermittler hat gegenüber «News» und «Kronen Zeitung» bestätigt, Ermittlungen «zu Herrn Berninghaus» durchgeführt zu haben. Benko selbst habe er aber nie getroffen.
Berninghaus zeigt sich auf Anfrage der NZZ «schockiert und fassungslos über die in der Recherche ans Tageslicht gekommenen Fakten». Zu möglichen rechtlichen Schritten wollte er sich nicht äussern. Zuerst müssten die Fakten analysiert werden. René Benko hat auf eine Anfrage der NZZ nicht reagiert.
Anzeichen, dass Berninghaus zur Zielscheibe geworden war, gab es schon vor einem Jahr. Im Herbst 2023 tauchten in verschiedenen Medien Dokumente über frühere Tätigkeiten des Managers auf, die ihn in ein schlechtes Licht rückten.
Ein Bruch im Dream-Team
Lange Zeit waren Benko und Berninghaus ein Dream-Team gewesen: Der eine kannte sich bei Immobilien gut aus, der andere im Handelsgeschäft. Erste Kontakte hatten sie, als Berninghaus noch Handelschef bei der Migros war. So half er Benko 2013, den Kauf der deutschen Handelskette Karstadt einzufädeln.
Nach Berninghaus’ Wechsel von der Migros zu Signa im Jahr 2016 verfolgten die beiden hochfliegende Pläne. Berninghaus baute innerhalb des Signa-Konzerns die Handelssparte auf, die er auch leitete. In der Schweiz orchestrierte er 2020 bei Signa die Übernahme von Globus und in Grossbritannien den Kauf der Luxuswarenhäuser Selfridges. Das «grösste Luxus-Kaufhaus der Welt» wollten sie damit schaffen, wie er 2022 in einem Interview mit der «Bilanz» sagte.
Ziemlich bald nach seinem Wechsel zu Benko beteiligte sich Berninghaus zudem auch selbst an Signa. Dies war allerdings nur Eingeweihten bekannt.
Zum Bruch zwischen den beiden kam es nach der Selfridges-Transaktion Anfang 2022. Benko holte den saudischen Staatsfonds PIF mit ins Boot, ohne Berninghaus und den thailändischen Joint-Venture-Partner Central Group zu informieren. Berninghaus, der ein sehr gutes Einvernehmen mit Central hatte, fühlte sich hintergangen, weil er wusste, dass Central das nicht goutieren würde.
Berninghaus zog sich im Mai 2023 abrupt aus der Signa-Gruppe zurück. Er war an einem seltenen Krebs erkrankt, den er in Kalifornien behandeln lassen musste.