Mehr als vier Prozent hat der Genussschein des Pharmakonzerns am Donnerstag zum Börsenstart eingebüsst. Grund waren Daten zu einem Schlankheitsmedikament.
In diesen Tagen zeigt sich wieder einmal, wie hoch die Nervosität bei den Roche-Aktionären ist – und wie sehr sie sich an das Thema Abnehmspritzen klammern. Am Donnerstagmorgen verloren die Genussscheine des Pharmakonzerns zum Börsenstart zeitweise gegen fünf Prozent an Wert.
Zwei Enttäuschungen in Folge
Das war eine Reaktion auf neue Studiendaten zu einem Schlankheitsmedikament. Bereits zu Wochenbeginn hatte ein Datensatz für ein anderes potenzielles Präparat für Enttäuschung bei einem Teil der Analysten und zu deutlichen Kurseinbussen gesorgt.
Beide Mittel, eine Abnehmspritze und eine Pille, stammen aus der Firma Carmot, die Roche Ende 2023 für fast drei Milliarden Dollar kaufte. Mit der Übernahme will der Konzern in dem boomenden Geschäft mit Medikamenten gegen Übergewicht Fuss fassen, das Konkurrenten wie Novo Nordisk oder Eli Lilly Milliardenumsätze und eine Vervielfachung des Aktienkurses beschert hat.
Tatsächlich haben sich die Roche-Papiere in den letzten Monaten nach einem mehrjährigen Sinkflug wieder erholt – nicht zuletzt weil die Börse in dem Trendgebiet Fettleibigkeit ein Versprechen für die Zukunft sieht. Obwohl das erste Medikament von Roche in diesem Bereich vermutlich erst in vier Jahren auf den Markt kommt, sorgt jede noch so kleine Neuigkeit aus der Entwicklung für Kursbewegungen.
Das wurde diese Woche deutlich. Denn die Wirkung der beiden Medikamente war zwar sehr gut. Die Patienten verloren rascher Gewicht als bei Konkurrenzprodukten. Jedoch gab es Fragezeichen bei den Nebenwirkungen, die zum Teil heftiger ausfielen.
Gratwanderung für den Konzern
Noch ist die Entwicklung in einem frühen Stadium und möglicherweise lassen sich unerwünschte Nebeneffekte mit einer veränderten Dosierung verringern. Aber alleine die Möglichkeit, dass dies eine Markteinführung verzögern könnte, reichte offenbar aus, um Investoren zu verunsichern.
Für Roche ist das Thema Schlankheitsmedikamente eine Gratwanderung. So mag sich die Führung denken, dass etwas Fantasie im Aktienkurs nicht schaden kann. Die jüngsten Reaktionen zeigen aber auch, wie wenig es braucht, damit diese Fantasie verpufft.
Der Hype um die zugekauften Abnehm-Medikamente hat auch damit zu tun, dass bei Roche in den vergangenen Jahren in der eigenen Forschung wichtige Produktkandidaten gescheitert sind. Diese Flops haben Lücken in der Pipeline hinterlassen.
Neue Umsatzrenner gesucht
Bei all dem Wirbel um das Trend-Thema Diätpillen geht zuweilen vergessen, was die grosse Aufgabe des neuen Roche-Chef Thomas Schinecker ist: Er muss dafür sorgen, dass die Forscher aus dem eigenen Haus langfristig neue, umsatzträchtige Produkte auf den Markt bringen.
Dafür steckt das Unternehmen nach wie vor gigantische Summen in die Forschung. Diese Woche weihte die Roche-Führung am Hauptsitz in Basel im Beisein von Wirtschaftsminister Guy Parmelin ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum ein. Kostenpunkt der auf vier miteinander verbundenen Hochhäuser verteilten Einrichtung: 1,2 Milliarden Franken. Gleichzeitig will Schinecker aber die Kosten im Griff behalten.
Doch die Steigerung der Produktivität birgt Risiken. Denn einerseits möchte Schinecker wenig aussichtsreiche Projekte früher aussortieren. Hier hatten Forscher in der Vergangenheit oft zu lange an Dingen weitergearbeitet, die wenig erfolgversprechend waren.
Andererseits besteht bei einem rascheren Aussortieren auch die Möglichkeit, dass man sich vorschnell von etwas trennt. So geschehen mit dem Wirkstoff Orforglipron: Diesen hat die japanische Roche-Tochter Chugai einst an Eli Lilly auslizenziert, weil man selber damals nicht mehr in dem Gebiet tätig war. Für den US-Konzern verspricht das Medikament nun zum Kassenschlager zu werden.