In Erdbecken oder wasserleitenden Gesteinsschichten lässt sich die Wärme des Sommers speichern. Das hilft, im Winter Strom zu sparen und senkt die CO2-Emissionen.
Langfristig nutzbare Wärmespeicher dienen auf clevere Weise dem Klimaschutz. Denn man kann im Winter Energie sparen, wenn man mit im Sommer gespeicherter Wärme heizen kann – das hilft, Emissionen zu vermeiden. Ausserdem entlasten die Speicher die Stromnetze. In Dänemark hat man mit solchen Anlagen schon viele positive Erfahrungen gemacht, aber auch in Deutschland und der Schweiz wird die Technik mehr und mehr eingesetzt.
Ein solcher saisonaler Wärmespeicher entsteht zum Beispiel in Hechingen bei Tübingen. Wer das Plateau der ehemaligen Erddeponie erklimmt, blickt plötzlich in den Abgrund. Eine fast fussballfeldgrosse, gestufte Ausschachtung tut sich dort auf, elf Meter tief, die Seiten wie mit dem Lineal gezogen. Die neu angelegte Grube soll einmal randvoll mit Wasser gefüllt werden. Nicht um den Hechingern einen Badesee zu schenken – sondern um Energie zu speichern.
«Aus diesem Becken werden wir rund 2000 Menschen im benachbarten Neubauquartier Killberg IV mit klimaneutraler Wärme versorgen», erläutert Markus Friesenbichler, Geschäftsführer der Stadtwerke Hechingen. Dazu wird der Kommunalbetrieb an der Südflanke der Grube eine grosse Solarthermieanlage installieren. Sie erhitzt das Wasser im Sommer auf bis zu 90 Grad Celsius.
Die umgebenden Erdmassen und eine isolierende Abdeckung sorgen laut Friesenbichler dafür, dass das Wasser bis weit in den Winter heiss genug bleibt, um die Wohnungen und Häuser gemütlich warm zu bekommen. Die Gebäude sind über ein Nahwärmenetz mit dem Speicher verbunden. «Dank unserem Erdbeckenspeicher werden wir auf das Jahr gerechnet rund 70 Prozent des Wärmebedarfs der Haushalte durch die Solarthermieanlage decken können», erklärt der Stadtwerke-Chef.
Der schwäbische Kommunalbetrieb umgeht mit seinem Speicher ein naturgegebenes Dilemma bei der Energieversorgung: Im Sommer ist Wärme im Überfluss verfügbar, im Winter muss sie aufwendig erzeugt werden. Das geschieht heute noch vorwiegend mit fossilen Brennstoffen. Fast 40 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland entstehen durch die Wärmeversorgung, in der Schweiz sind es gut 35 Prozent.
Dänemark speichert Wärme in Erdbecken
Langzeit-Wärmespeicher wie der in Hechingen machen es möglich, in den kalten Monaten mit klimaneutraler Sommerwärme zu heizen. In Dänemark gibt es bereits eine ganze Reihe solcher Erdbeckenspeicher, im restlichen Europa dagegen bis anhin nur wenige Pilotprojekte.
Ebenso wie der Speicher in Hechingen werden die dänischen oft von Solarthermieanlagen gespeist, also von Anlagen, welche die Sonnenstrahlung in Wärme umwandeln. Mitunter kommen aber auch strombetriebene Wärmepumpen zum Einsatz, die im Sommer quasi auf Vorrat Wärme für den Winter erzeugen. Denn nicht nur bei der Wärme gibt es eine saisonale Schieflage, sondern auch beim Strom: Im Sommer liefern Photovoltaikanlagen um ein Vielfaches mehr Energie als im Winter. Mit Batteriespeichern lässt sich Strom aber lediglich für wenige Tage speichern.
«Es ist sehr sinnvoll, mit dem im Sommer reichlich verfügbaren Solarstrom Wärmepumpen zu betreiben und die erzeugte Wärme in einen saisonalen Speicher zu leiten», sagt Professor Jörg Worlitschek, Gründer und Co-Leiter des Kompetenzzentrums Thermische Energiespeicher der Hochschule Luzern. Im Winter wird der Speicher entladen: Wärmepumpen nutzen dessen Wärme, um Heizenergie zu erzeugen.
Die Anlagen arbeiteten umso effizienter, je höher die Temperatur der Wärmequelle sei, auf die sie zugriffen, sagt der Forscher. «Sie benötigen also für die Wärmeerzeugung weit weniger Strom, als es ohne Speicher der Fall wäre.» Damit werde der saisonale Wärmespeicher zu einer Art Langzeit-Stromspeicher.
Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass die Stromnetze entlastet werden, wenn die Wärmepumpen im Sommer mehr Strom beziehen. Denn mancherorts könnten die Netze bei einem starken Ausbau der Photovoltaik nicht mehr den gesamten Strom aufnehmen, der an sonnigen Tagen in die Leitungen flutet.
In der Schweiz hat das Konzept mit den Wärmepumpen besonders viel Charme. Denn so lässt sich der zusätzliche Strombedarf im Winter verringern, der unter anderem durch den Umstieg von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen entstehen wird.
Im Winter könnte der Strombedarf gesenkt werden
Saisonale Wärmespeicher können den winterlichen Strombedarf, der sich nicht durch eine Erzeugung im Inland decken lässt, bis 2050 um rund 40 Prozent reduzieren. Das hat Worlitschek zusammen mit Gianfranco Guidati, Wissenschafter am Energy Science Center der ETH Zürich, und Kollegen aus anderen Forschungsinstituten berechnet.
Für die Reduktion des Strombedarfs ist es auch nützlich, dass die Speicher ebenso Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen und Industriebetrieben aufnehmen könnten. Diese Abwärme wird gerade im Sommer oft grösstenteils ungenutzt in die Umwelt abgegeben. Verwendet man diese Energie im Winter zum Heizen, müssen Wärmepumpen weniger Arbeit leisten. Mancherorts lässt sich die Wärme aus dem Speicher auch direkt verwerten, weil für die Nutzung keine hohen Temperaturen benötigt werden. Dann sind dort gar keine Wärmepumpen nötig.
Erdbeckenspeicher wie der in Hechingen seien in der Schweiz wegen ihres Platzbedarfs wohl nur vereinzelt durchsetzbar, sagt Gianfranco Guidati von der ETH Zürich. Doch es gibt Alternativen: Deutlich einfacher ist es, den Erdboden als Wärmespeicher zu verwenden.
Erdsonden leiten die Wärme in die Tiefe
Genau das geschieht in einem Neubauquartier in Risch-Rotkreuz am Zugersee. Hier wird Wärme, die bei der Kühlung der Gebäude im Sommer anfällt und die von Solarthermie-Kollektoren auf den umliegenden Dächern erzeugt wird, über bis zu 280 Meter tief reichende Erdsonden in den Boden geleitet. Im Winter entziehen die Sonden dem Erdreich die Wärme wieder und stellen sie Wärmepumpen zur Verfügung. Diese können damit sehr effizient Heizenergie erzeugen.
«Das Erdreich eignet sich hervorragend, um sehr grosse Mengen an Wärme über lange Zeit zu speichern», sagt Guidati. Zudem nähmen solche Speicher praktisch keinen Platz an der Oberfläche ein, sie seien so gut wie unsichtbar.
Auch die Stadtwerke Hechingen werden den Untergrund als Speicher nutzen, als Ergänzung zu ihrem Erdbecken. Sie haben bereits neben der Grube tiefe Sonden installiert, die im Winter Wärme für eine Wärmepumpe liefern. Der Boden wird im Sommer durch die Solarthermieanlage erwärmt. Die Wärmepumpe soll vor allem dann laufen, wenn der Erdbeckenspeicher im späten Winter nicht mehr ausreichend Wärme bereitstellen kann.
Darüber hinaus haben aber auch sogenannte Geothermiespeicher in der Schweiz grosses Potenzial, davon ist Guidati überzeugt. Das Konzept sieht vor, im Sommer erhitztes Wasser in sogenannte Aquifere – unterirdische Schichten aus porösen, wasserführenden Materialien wie Sand- oder Kalkstein – zu leiten. Dort gibt es die Wärme ab und wird wieder an die Oberfläche gepumpt. Im Winterhalbjahr wird der Kreislauf umgekehrt.
Eine solche Anlage entsteht derzeit am Stadtrand von Bern: Der Versorger Energie Wasser Bern (EWB) richtet in bis zu 500 Meter tief gelegenen Sandsteinschichten einen Speicher ein, der Abwärme aus der örtlichen Kehrichtverbrennungsanlage aufnehmen soll. In den Voralpen und auch in der Waadt, im Jura und anderswo gibt es vielerorts Aquifere, die sich für Geothermiespeicher nutzen lassen.
Viele Konzepte müssen noch erprobt werden
Darüber hinaus arbeiten Experten an einer Reihe weiterer Konzepte für saisonale Wärmespeicher, die aber noch nicht praxisreif sind. Dazu zählen etwa thermochemische Speicher, die umkehrbare chemische Reaktionen nutzen, um Wärme in einem Stoff zu speichern. Ein Team des Instituts für Solartechnik SPF der Ostschweizer Fachhochschule und des Unternehmens Luft und Laune arbeitet an grossen wassergefüllten Speicherballons, die in Seen verankert werden sollen. Und Wissenschafter der Hochschule Luzern schlagen vor, auch in nicht genutzten, eigens gedämmten Räumen von Gebäuden – in Luftschutzkellern zum Beispiel – Wasser-Wärmespeicher einzurichten.
Noch dominieren in der Schweiz fossile Heizungen, Elektrizität wird zum Heizen wenig benötigt. Darum ist der Strombedarf im Winter nicht besonders hoch. Und weil erst wenige Photovoltaikanlagen gebaut wurden, stellt sich auch noch nicht die Frage, was mit dem Strom passieren soll, der im Sommer erzeugt wird. Die saisonale Schieflage bei der Strom- und Wärmeerzeugung sei hierzulande derzeit kein Problem, sagt Worlitschek darum. Das werde sich jedoch in absehbarer Zeit ändern.
Mit dem starken Zubau von Wärmepumpen steigt im Winter der Stromverbrauch, und mit dem starken Zubau von Photovoltaikanlagen wächst im Sommer die Strommenge, die über die Netze transportiert und dann verbraucht werden muss. «Deshalb dürfen wir keine Zeit verlieren: Wir sollten schnellstmöglich eine Reihe von Erdboden-, Aquifer- und Beckenspeichern einrichten, die wir dann vervielfältigen können, wenn wir solche saisonalen Speicher in grosser Zahl benötigen», empfiehlt der Forscher.
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