Wegen Schüssen auf Maria und Jesus wurde Ameti gecancelt. Das komme einer Inquisition gleich, findet etwa der «Weltwoche»-Chef Roger Köppel.
Mit einem einzigen Post ruiniert Sanija Ameti ihre Karriere. In den sozialen Netzwerken ergiesst sich Hass über sie. Der Tenor ist klar: Die Zürcher GLP-Politikerin hat sich selbst unmöglich gemacht, indem sie auf ein Abbild von Maria und Jesus schoss. Man könnte auch sagen: Sie wurde gecancelt.
In der Politik sind es meist Bürgerliche, die sich gegen die Cancel-Culture wehren. Und so kommt es, dass Ameti ausgerechnet Unterstützung aus dem rechtskonservativen Lager erhält, gegen das sie in der Vergangenheit kräftig ausgeteilt hat.
Von Roger Köppel zum Beispiel. Der «Weltwoche»-Chefredaktor und ehemalige SVP-Nationalrat bezeichnet Ametis Post auf Instagram zwar als einen «qualifizierten Mangel an Intelligenz». Gleichzeitig nimmt er sie in Schutz. In seinem Videoformat «Weltwoche Daily» sagt Köppel, Ameti habe eine «kolossale Dummheit» begangen. Deswegen müsse man sie aber nicht gleich der Inquisition ausliefern. «Alle Leute, die sich jetzt so unglaublich darüber empören, wie diese Ikonenbilder zerschossen worden sind – diese Kreise haben sich bisher auch nicht durch besonderes christliches Traditionsbewusstsein hervorgetan.»
Für Kritik sorgt zudem der Umgang der GLP-Mutterpartei mit Ameti. Lukas Hässig, Betreiber der Online-Plattform «Inside Paradeplatz», schreibt über den GLP-Präsidenten Grossen: «Cheap, Cheaper, Grünliberal».
Grossen sei ein «Scharfmacher vom Feinsten», bemerkt Hässig, dessen Groll auf den Parteichef aber offenbar weiter zurückgeht: Er verweist auf einen Vorschlag, den der Parteipräsident während der Pandemie eingebracht hatte: Pfleger und Kita-Betreuerinnen sollten mit einem Sticker zeigen, ob sie geimpft seien oder nicht. Im Fall Ameti spiele er nun den Heiligen. «Eine Windfahne mit Hang zum Polizei- und Sittenwächter-Staat.»
Mindestens ambivalent ist die Haltung der Jungen SVP Schweiz zu Ameti. Zuerst verkündete sie, Strafanzeige wegen Verletzung der Glaubensfreiheit einzureichen. Ein Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft erklärte gegenüber der NZZ, sie habe bisher kein Verfahren eingeleitet. Die Kantonspolizei prüfe den Sachverhalt.
Der Parteipräsident Nils Fiechter forderte am Montag, Ameti müsse von allen Ämtern zurücktreten. Nur Stunden später schien es ihm aber plötzlich nicht mehr so wohl zu sein mit seiner Tirade gegen Ameti. Es sei zwar «richtig und gut», dass sie politisch erledigt sei, schrieb er auf der Online-Plattform X. Doch dass sie ihren Job verliere, sei «falsch und unfair»: «Lassen wir die Justiz arbeiten und urteilen. Die Anwendung von Selbstjustiz ist nicht angezeigt. Wir wollen keine Hexenjagd.»
Dabei hatte die JSVP selbst in ihrer Medienmitteilung noch geschrieben: «Sie verhöhnt das Christentum auf unsägliche Art und Weise und spricht die bildliche Sprache von islamistischen Terroristen.» Ameti selbst hatte erklärt, sie stehe unter Polizeischutz, weil sie Morddrohungen erhalten habe.
Ameti ist nicht die erste öffentliche Person, die Opfer einer solchen «Hexenjagd» wird. Manchmal reicht nur eine unbedachte Aussage, um in Ungnade zu fallen.
Die Zürcher Influencerin und ehemalige Freestyle-Skifahrerin Mirjam Jäger beklagte sich 2020 auf Instagram, sie stecke in der Stadt Zürich wegen einer «Black Lives Matter»-Demo im Stau. Jäger schrieb: «Danke, liebe Demonstranten, unsere Pläne in der Stadt habt ihr ziemlich durcheinandergebracht. Jetzt habt ihr dann langsam genug demonstriert.» In der Folge wurde Jäger beschimpft, und die Post, die sie als Werbefigur engagiert hatte, beendete die Zusammenarbeit mit ihr.
Die linksalternative Band Lauwarm musste im Sommer 2022 ein Konzert in der – ebenfalls linken – Brasserie Lorraine in Bern abbrechen, weil sich einzelne Personen im Publikum «unwohl» fühlten. Man warf der Band «kulturelle Aneignung» vor, weil ihre Mitglieder als Weisse Reggae-Musik spielen und einige von ihnen Dreadlocks tragen.
Im Jahr 2017 sprach der damalige Aargauer Nationalrat Jonas Fricker (Grüne) im Parlament über Tiertransporte und sagte: «Als ich das letzte Mal so eine Dokumentation (. . .) gesehen habe, sind mir unweigerlich die Bilder der Massendeportation nach Auschwitz aus dem Film ‹Schindlers Liste› hochgekommen. Die Menschen, die dort deportiert wurden, hatten eine kleine Chance, zu überleben. Die Schweine, die fahren in den sicheren Tod.» Die Entrüstung über diese Aussage war gewaltig. 56 Stunden nach seiner Rede trat Fricker zurück.
Hat sich Sanija Ameti mit ihrem Post für alle Zeit zur Persona non grata gemacht? Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds. Man könne nachvollziehen, dass die symbolische Gewalt der Schüsse auf Maria und Jesus entsetze, schreibt die Organisation. «Aber Menschen machen Fehler. Als Christ:innen sind wir dazu aufgerufen, zu vergeben, anstatt Hass zu schüren.»