Freitag, September 27

Die Gewerkschaften und Teile der SVP machen Stimmung gegen die einheitliche Finanzierung aller medizinischen Leistungen. Das ist kontraproduktiv.

Erneut schiessen die Krankenkassenprämien nach oben: Nachdem sie auf dieses Jahr hin um 8,7 Prozent gestiegen sind, werden sie 2025 nochmals um 6 Prozent teurer. Das ist die Quittung dafür, dass die Politik in den vergangenen Jahren die nötigen Reformen zu wenig konsequent vorangetrieben hat. Für viele Haushalte werden die Prämien zu einer noch grösseren Belastung.

Das wäre eigentlich eine gute Ausgangslage, um die Dringlichkeit zu unterstreichen für die grösste Gesundheitsreform seit vielen Jahren: die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (Efas), über die das Schweizer Stimmvolk am 24. November abstimmt. Paradoxerweise droht nun jedoch das Gegenteil: Die Gewerkschaften wollen den neuen Prämiensprung instrumentalisieren, um gegen die Efas zu kämpfen.

Sie stützen sich vor allem auf eine Studie des Krankenkassenverbandes Santésuisse. Laut dieser treibt der Einbezug der Langzeitpflege das Prämienvolumen um mehrere Milliarden Franken pro Jahr in die Höhe. Denn bisher war der Anteil der Kassen an den Pflegekosten gedeckelt, und die Gemeinden und Kantone mussten die Mehrkosten wegen der Alterung der Gesellschaft allein tragen. Künftig wäre das nicht mehr der Fall.

Das BAG kommt zu anderen Schlüssen

Nur: Santésuisse ist in den letzten Jahren zuweilen mit alarmistischen Einwürfen aufgefallen, und auch die Behauptungen bezüglich der Efas sind umstritten. Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) kam zu dem Schluss, dass die Reform das Potenzial für Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken im Jahr hat. Und von diesen würden auch die Versicherten profitieren. Sollte es dennoch wegen der Pflege zu einer übermässigen Belastung der Prämienzahler kommen, könnte das Parlament den Verteilschlüssel immer noch anpassen.

Die einheitliche Finanzierung beseitigt groteske Fehlanreize, die das Schweizer Gesundheitswesen lähmen. Künftig wäre es für die Krankenkassen und die behandelnden Ärzte viel attraktiver, teure Spitaleintritte zu vermeiden und auf die günstigeren ambulanten Behandlungen zu setzen. Das spart nicht nur Kosten und ist für die Patienten im Normalfall angenehmer. Es braucht auch deutlich weniger Personal – ein wichtiges Element in Zeiten des Fachkräftemangels.

Die Reform ist so überzeugend, dass sich praktisch alle wichtigen Akteure des Gesundheitswesens zu ihr bekennen (eine absolute Seltenheit!), ebenso die Kantone. Und doch ist es ein realistisches Szenario, dass das Volk sie versenken wird. Ähnlich wie die kürzlich gescheiterte Vorlage zu den Pensionskassen (BVG) ist die Efas ziemlich komplex. Und wenn die Schweizer etwas nicht verstehen, neigen sie dazu, Nein zu stimmen.

Wiederholung des Debakels droht

Perfid ist, dass die Gewerkschaften behaupten, die Efas würde die Macht der Krankenkassen zulasten der Kantone erhöhen – und dass sie gleichzeitig mit den Zahlen von Santésuisse hantieren. Es droht auch in dieser Hinsicht die Wiederholung des BVG-Debakels, das die Gewerkschaften mit irreführenden Statistiken provoziert haben.

Auch das Argument, der Staat könnte die Ambulantisierung ja einfach dekretieren, ist absurd. Einerseits, weil es besser ist, die Anreize richtig zu setzen, so dass die Verlagerung automatisch passiert. Andererseits, weil dies unter dem aktuellen Finanzierungsregime genau zu den Prämiensprüngen führen würde, die die Linken angeblich verhindern wollen. Denn im ambulanten Bereich zahlen die Krankenkassen heute die Rechnung allein – sie wären also die Leidtragenden von mehr Behandlungen ohne Spitalübernachtung.

Verantwortungslos ist das Verhalten der Bundesratsparteien SVP und SP. Bei der Abstimmung im Nationalrat hatten sich beide Fraktionen mehrheitlich für die Reform ausgesprochen. Die SP liess sich danach von den Gewerkschaften vereinnahmen und sprach sich gegen die Efas aus. Und auch bei der SVP ist ein populistischer Schwenker zu befürchten: Der Parteileitungsausschuss empfiehlt der Delegiertenversammlung einstimmig die Nein-Parole.

Es braucht deshalb in den kommenden Wochen einen Effort der vernünftigen Kräfte in der Politik. Aber auch all der Vertreter der Ärzteschaft, der Spitäler, der Spitex oder der Apotheken, die in der Bevölkerung eine grosse Glaubwürdigkeit geniessen: Sie müssen erklären, warum es Efas unbedingt braucht.

Sonst steht die Schweizer Gesundheitspolitik bald vor einem gewaltigen Scherbenhaufen.

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