Die Preise für amerikanische Gewerbeimmobilien sind stark gesunken. Ausläufer der Turbulenzen sind auch in Europa angekommen. Die Aufseher beidseits des Atlantiks müssen nun wachsam sein.
Einige Krisen brechen mit einem lauten Knall aus. Andere schwelen während Jahren und werden von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, bis irgendwann ein Punkt erreicht ist, ab dem es rasch sehr ungemütlich wird. Zum zweiten Typus gehört die derzeitige Unruhe am Markt für Gewerbeimmobilien.
Sie hat ihren Ursprung – wie so oft bei wirtschaftlichen Verwerfungen – in den Vereinigten Staaten, dem Land mit dem grössten Markt für gewerbliche Liegenschaften. Doch längst sind die Probleme auch auf andere Weltregionen übergeschwappt.
Der Preis der Zinswende
Letztlich geht es um die Nachwirkung einer jahrelang viel zu lockeren Geldpolitik. Seitdem die amerikanische Notenbank ihre Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation erhöhen musste, sind die Preise für amerikanische Gewerbeimmobilien um 11 Prozent eingebrochen. Am Markt tut man sich schwer mit dem Ende des Gratisgeldes. Denn bei höheren Zinsen verteuern sich nicht nur Investitionen in Immobilien und Refinanzierungen bestehender Schulden. Auch die Konjunktur schwächt sich ab – und somit die Nachfrage nach gewerblichen Flächen.
Doch damit nicht genug: In den USA zeigen noch immer viele Arbeiter und Arbeiterinnen wenig Lust, nach dem Ende der Pandemie wieder in die städtischen Bürotürme zurückzukehren. Man hat sich an die Vorzüge des Home-Office und den Wegfall des Pendelns gewöhnt und will diese Arbeitsform in die Zukunft retten. Entsprechend kündigen viele Firmen ihre Mietverträge oder ziehen in kleinere Bürohäuser um. In den USA ist die Leerstandsquote bei Büros auf 20 Prozent gestiegen; das ist der höchste Wert seit Erhebung solcher Daten im Jahr 1979.
Die mit diesen Umwälzungen verbundenen Geldsummen sind gross. Gemäss Internationalem Währungsfonds werden in den USA in den nächsten zwei Jahren ungefähr 1,2 Billionen Dollar an gewerblichen Immobilienkrediten fällig. Rund ein Viertel davon sind Kredite für den Büro- und Einzelhandelssektor, wo die Leerstände besonders hoch sind. Es sind vor allem kleinere und mittlere Regionalbanken, welche die Schuldscheine halten – dieselben Institute also, die schon im Frühjahr 2023 im Zuge des Untergangs der Silicon Valley Bank ins Visier gerieten.
Gefährlicher als vor Jahresfrist
Das Problem ist dieses Mal aber weitreichender, und zwar aus zwei Gründen: Erstens sind die im Fokus stehenden Wertpapiere riskanter. Bei der Silicon Valley Bank ging es vor allem um Staatsanleihen, also grundsolide Papiere, deren Kursverluste die Bank damals in den Ruin trieben. Heute geht es um Kredite für Gewerbeimmobilien. Deren Wert und Ausfallrisiko sind viel schwieriger abschätzbar, etwa aufgrund sinkender Mieteinnahmen, steigender Unterhaltskosten oder der teureren Refinanzierung.
Zweitens zeigen sich ähnliche Strukturprobleme auch in Europa oder Asien. Leerstehende Büroflächen aufgrund des Home-Office-Trends sind keine Eigenart der USA. Auch der Online-Handel, der die Lage verschärft, weil Shopping vermehrt auf dem Sofa statt in Läden stattfindet, ist globaler Natur. Zudem werden Immobilienkredite längst rund um den Globus gehandelt. Das zeigt sich bei der Deutschen Pfandbriefbank. Sie hält milliardenschwere Kredite für Büros und Einkaufszentren in den USA, was den Aktienkurs des Geldhauses jüngst einbrechen liess.
All dies muss nicht in Schutt und Asche enden wie beim gescheiterten Immobilienunternehmer René Benko. So dürfte der Zinsgipfel in den USA und Europa erreicht sein, weshalb die Finanzierung in Zukunft eher wieder günstiger wird. Auch haben die Aufsichtsbehörden beidseits des Atlantiks das Problem auf dem Radar. Gleichwohl verdient das Thema mehr Aufmerksamkeit, schliesslich wurde auch die Finanzkrise 2008 am US-Immobilienmarkt ausgelöst. Die Ausrede, man habe das Problem nicht kommen sehen, wird dieses Mal nicht verfangen. So breitet sich dieser Schwelbrand schon seit Jahren aus.