Freitag, September 27

Wer jetzt den Ruhestand antritt, besitzt meist hohe Ersparnisse. Laut einer neuen Analyse erreichen Paarhaushalte aus dem Mittelstand ein Vermögen von 1,6 Millionen Franken.

Schon die Kinder lernen es im Brettspiel namens «Spiel des Lebens»: Wie erfolgreich das Leben verläuft, entscheidet sich an einer Reihe von Weggabelungen. Welchen Beruf ergreife ich, heirate ich und hält die Partnerschaft, kann ich ein Eigenheim kaufen? Das Ziel des Spiels ist simpel: Es gilt, bis zum Lebensende möglichst viel Kapital anzuhäufen.

Für die Generation der Babyboomer hat sich das «Spiel des Lebens» sehr günstig entwickelt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des VZ Vermögenszentrums, basierend auf einer Auswertung von über 2000 Haushalten. Demnach geht ein mittelständischer Paarhaushalt mit einem stattlichen Vermögen von 1,6 Millionen Franken in die Pensionierung.

«Mit der Studie wollen wir eine Orientierungshilfe bieten», sagt Karl Flubacher vom VZ. «Wir möchten aufzeigen, welche Ersparnisse für den Ruhestand angemessen sind, um den Lebensstandard ohne Abstriche weiterführen zu können.» In seinen Beratungen verspüre er eine zunehmende Verunsicherung. Viele Leute fragten sich, ob sie auch im Seniorenalter finanziell über die Runden kämen.

Der Ruhestand kostet viel

Das errechnete Medianvermögen von 1,6 Millionen Franken wirke auf den ersten Blick hoch, bestätigt Flubacher. Doch oftmals würden die eigenen Ersparnisse unterschätzt, insbesondere jene aus der Pensionskasse. «Ebenso unterschätzen die meisten allerdings, wie hoch der Geldbedarf im Ruhestand ausfällt: Für einen Lebensabend von 25 Jahren ist ein Reservepolster von einer Million durchaus angemessen.»

In seiner Studie fokussiert sich das VZ ausschliesslich auf Haushalte aus dem Mittelstand. Zu dieser Kategorie gehört man, wenn das Einkommen 70 bis 150 Prozent des Medians beträgt – was bei Paarhaushalten einem Bruttolohn von 100 000 bis 214 000 Franken im Jahr entspricht. Der Mittelstand umfasst ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung. Das Alter der untersuchten Paarhaushalte liegt zwischen 60 und 68 Jahren – sie stehen somit knapp vor oder nach der Pensionierung.

Den grössten Vermögensposten bilden die Gelder in der Pensionskasse. Deren Medianwert liegt bei knapp 600 000 Franken. Hinzu kommen 140 000 Franken an liquiden Mitteln sowie ein Guthaben in ähnlicher Höhe bei der Säule 3a. Die VZ-Studie bestätigt überdies frühere Untersuchungen, wonach die Schweizer ausgesprochene Börsenmuffel sind. So hält der Babyboomer-Haushalt im Schnitt lediglich 90 000 Franken in Wertschriften, wobei darunter auch Kassenobligationen oder Mischfonds fallen. Somit ist der Betrag, der via Aktien gespart wird, nochmals deutlich tiefer.

Verschenkte Gewinne

Flubacher verweist auf die negativen Realzinsen und erklärt: «Auf dem Sparkonto verliert man jedes Jahr an Kaufkraft: Nach Abzug der Inflation und der Steuern liegt der Ertrag im Minus. Wer nicht an der Börse investiert, verschenkt damit ein erhebliches Gewinnpotenzial.» Laut der VZ-Studie verzichtet jeder zweite Babyboomer-Haushalt gänzlich auf Wertschriften. In der Säule 3a ist der Anteil noch tiefer: Nur ein Drittel besitzt ein Wertschriftendepot.

Stark verbreitet ist dagegen der Immobilienbesitz: Von den analysierten Paarhaushalten besitzen 86 Prozent eine eigene Liegenschaft, deren Wert im Schnitt 1 Million Franken erreicht. Die Hypothek beläuft sich derweil auf 480 000 Franken (vgl. Tabelle). Die Daten zum Wohneigentum verdeutlichen, dass die vom VZ analysierte Gruppe des Mittelstands keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbildet. Allerdings ist die Abweichung auch nicht riesig: So zeigen gesamtschweizerische Statistiken, dass in der Altersgruppe von 60 bis 75 Jahren immerhin drei Viertel der Paarhaushalte eine Liegenschaft besitzen.

Insgesamt habe die Generation der Babyboomer von vorteilhaften Rahmenbedingungen profitiert, sagt Flubacher. «Viele haben um die Jahrtausendwende zu günstigen Preisen eine Immobilie gekauft, deren Wert enorm gestiegen ist. Das wirtschaftliche Wachstum in den letzten Dekaden war ebenfalls solid, was sich in den starken Kurssteigerungen an der Börse widerspiegelt.»

Trotzdem: Auch für die Babyboomer wüchsen die Bäume nicht in den Himmel, mahnt der VZ-Experte. Oft komme es zu einem Aha-Erlebnis, wenn man die notwendigen Ausgaben im Ruhestand aufsummiere. Pro Jahr müsse ein Paar mit Kosten von 90 000 bis 100 000 Franken planen. Die Zahl orientiert sich an der Haushaltsbudgeterhebung des Bundes. Allein für die Krankenkasse, Versicherungen und Gebühren gehen 20 000 Franken weg, hinzu kommt die Steuerbelastung von im Schnitt 12 000 Franken.

Grosse Kluft beim Vermögen

Kalkuliert man dank der AHV mit jährlichen Einnahmen von 50 000 Franken, so bleibt noch immer eine Lücke von über 40 000 Franken. «Um im Alter zwischen 65 und 90 Jahren Wohnkosten, Steuern sowie alle Ausgaben zu finanzieren, braucht ein Ehepaar zusätzlich zur AHV-Rente mehr als eine Million Franken», rechnet Flubacher vor.

Während die Kosten für den Lebensbedarf vergleichsweise starr sind, besteht auf der Vermögensseite eine immense Spannbreite. Dies zeigt sich ebenso in der VZ-Analyse: Nimmt man die ärmeren 25 Prozent aus der Gruppe des Mittelstands, so sinkt das verfügbare Vermögen bereits auf 1,15 Millionen Franken. Umgekehrt kommt das reichste Viertel auf einen stolzen Besitz von 2,1 Millionen.

Das «Spiel des Lebens» ist diesbezüglich realitätsnah: Eine gelungene Entscheidung in jungen Jahren kann dazu beitragen, dass man im Alter eine reichliche Ernte einfahren kann. Umgekehrt lässt sich eine unglückliche Fügung später nur noch schwer aufholen.

Exit mobile version