Das Zürcher Medienhaus hat am Dienstag bekanntgegeben, wie der Ende August angekündigte Radikalumbau umgesetzt werden soll: Die Regionalredaktionen werden in die Zentralen integriert, und der Westschweiz bleibt noch eine einzige Redaktion.
Winterthur, die sechstgrösste Ortschaft der Schweiz, die zweitgrösste Stadt des Kantons Zürich, hat eine besondere Geschichte. Winterthur stand immer im Schatten der Stadt Zürich und entwickelte in der Folge ein eigenes Selbstverständnis als Industrie- und Arbeiterstadt.
Das Sprachrohr der Region war seit 1836 der «Landbote». Schon vor der Gründung des Bundesstaats im Jahr 1848 schrieben die der demokratischen Bewegung verhafteten Winterthurer Redaktoren gegen die Übermacht der Städte und die Überreste der alten Ständegesellschaft an. Die in Winterthur geschmiedeten Ideen einer direkten Demokratie verbreiteten sich auch dank dem «Landboten» rasant und führten in Zürich zur Revision der Kantonsverfassung.
177 Jahre lang war der «Landbote» selbständig, dann übernahm ihn im Jahr 2013 das Zürcher Verlagshaus Tamedia. Die Druckerei in Winterthur wurde geschlossen und verkauft, die Redaktion zog um. Unter Tamedia wurde die Zusammenarbeit mit den anderen, ebenfalls nicht mehr selbständigen Zürcher Regionalzeitungen verstärkt. Es entstand der Zürcher Zeitungsverbund mit damals rund neunzig Journalistinnen und Journalisten.
«Züritipp» wird eingestellt
Nun ist auch diese Ära vorüber. Das Zürcher Medienhaus hat am Dienstag bekanntgegeben, wie der Ende August angekündigte Radikalumbau umgesetzt werden soll: Die Regionalredaktionen werden in die Zentralen integriert, neu ist je ein Digital-Desk für die Westschweiz und die Deutschschweiz zuständig, für Print ist künftig landesweit noch ein Desk verantwortlich, und in der Westschweiz bleibt noch eine einzige Zeitungsredaktion erhalten. Die geplante Konzentration hat in der Romandie grosse Proteste bei betroffenen Journalisten und besorgten Politikern ausgelöst. Die Waadtländer Regierung teilte am Dienstag mit, man sei sehr besorgt um die Medienvielfalt. Der Abbau betreffe die Westschweiz besonders stark.
Für den «Landboten» bedeutet der Umbau, dass er gemeinsam mit der «Zürichsee-Zeitung» und dem «Zürcher Unterländer» in die Redaktion Zürich integriert und zentral von der Chefredaktorin des Flaggschiffs «Tages-Anzeiger», Raphaela Birrer, geführt wird. Dasselbe Schicksal ereilt die «Sonntags-Zeitung», die ebenfalls Birrer unterstellt wird. Arthur Rutishauser, der langjährige Leiter der «Sonntags-Zeitung», bleibe Chefredaktor des Blatts, heisst es in einer auf der Website des «Tages-Anzeigers» ausgeschalteten Version der Medienmitteilung. Das Schicksal der Chefredaktoren der Regionalzeitungen bleibt offen. Mit ihnen würden Gespräche über künftige Aufgaben geführt.
Sicher ist, dass sich Tamedia künftig nur noch vier Redaktionen für die Tages- und Sonntagstitel in Zürich, Bern, Basel und in der Romandie leisten will. Ebenfalls von den Sparmassnahmen betroffen sind die Beilagen: Das Ausgeh- und Kulturmagazin «Züritipp» wird eingestellt, das Westschweizer Magazin «Femina» erscheint statt wöchentlich noch einmal im Monat. Bei den Redaktionen von «Schweizer Familie», «Finanz und Wirtschaft» sowie «Bilanz» ändert sich nichts.
Die Konzentration auf die vier Standorte trifft vor allem die Westschweiz hart. Neu bilden die Redaktionen von «Tribune de Genève», «24 heures» und «Le Matin Dimanche» eine Einheit. Die geschichtsträchtige «Tribune de Genève» soll weiterhin «als wichtige Marke einen eigenen digitalen Auftritt haben und als Zeitung erscheinen». In diesem Sinn verschont wird auch der Berner «Bund». Die Redaktionen der Berner Oberländer Titel «Thuner Tagblatt» und «Berner Oberländer» gehen analog den Zürcher Regionalzeitungen in der «Berner Zeitung» auf.
55 Stellen werden abgebaut
Ursprünglich hatte Tamedia einen Stellenabbau von 90 Vollzeitstellen in den Redaktionen und 200 in den Druckereien angekündigt. Infolge interner Wechsel und Nichtbesetzung von Vakanzen werden nun noch 55 Vollzeitstellen abgebaut.
Wie Tamedia mitteilt, sind von diesen Personalmassnahmen voraussichtlich 30 Vollzeitstellen in der Deutschschweiz und 25 Vollzeitstellen in der Westschweiz betroffen. Tamedia sei sich der Schwere dieser Massnahmen bewusst. Es kämen Sozialpläne inklusive die Möglichkeit von Frühpensionierungen zur Anwendung.