Die Stiftung Preussischer Kulturbesitz bekommt mit Marion Ackermann eine neue Direktorin mit Gespür für die Fragen der Zeit. Sie muss die SPK komplett neu ausrichten.
Metropolen glänzen. Mit ihren legendären Sammlungen und berühmten Museen: Paris mit dem Louvre, Madrid mit dem Prado; Bilbao hat das Guggenheim und Sankt Petersburg seine Eremitage. Viele dieser Häuser zeigen spektakuläre Ausstellungen, betreiben kluge Ankäufe oder mutige Expansionsstrategien. Das British Museum hat es immerhin durch kleine Skandale in die öffentliche Wahrnehmung gebracht; und Dresden machte von sich reden, als eine Diebesbande die sächsischen Kronjuwelen im Grünen Gewölbe klaute.
Ganz anders Berlin? Dort gibt es jetzt zusätzliche Schliesstage in den Staatlichen Museen. Der Stiftung Preussischer Kulturbesitz (SPK) fehlt schlicht das Geld; der grosse Besuchermagnet, das Pergamonmuseum, wurde für Jahre geschlossen. Die Bauleute haben jetzt das Sagen, und die Steinmetzen wundern sich, mit welcher Akribie dort saniert werden kann. Nur die dringend benötigten Eintrittsgelder, die fehlen natürlich für sehr lange Zeit.
Auch rettende Ideen kosten viel
Die Misere war absehbar gewesen. Vor einem Dreissig-Millionen-Loch allein bei den laufenden Ausgaben hatten die Haushälter schon lange gewarnt. Aber die Unterfinanzierung der Stiftung ist nur die eine Hälfte eines alten Problems. Die andere ist jetzt noch hinzugekommen: Auch das Ende 2022 mit grossem politischem Getöse in Gang gesetzte Reformvorhaben war von Anfang an nicht richtig finanziert. Gute dreissig Millionen fehlen auch hier. Denn die Stiftung sollte in ihre Teile zerschlagen werden. Dezentralisierung schien die rettende Idee. Doch auch das kostet Geld, sehr viel Geld sogar, was die Kulturpolitik geflissentlich übersehen hat. Die Verantwortlichen in der Stiftung haben indes sehr schnell erkannt, dass die Zeichen der Zeit in eine ganz andere Richtung weisen: Die Stiftung braucht keine autonomen Spielwiesen mehr, sondern eine schlanke, straffe Verwaltung.
Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass sich der Stiftungsrat in Berlin mit der Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, jetzt ausgerechnet eine Frau an die Spitze der Preussenstiftung geholt hat, die diesen anderen Weg bereits geht und ihrem nicht weniger komplizierten Dresdner Museumsverbund längst straffere Strukturen verordnet hat.
Die gelernte Kunsthistorikerin und Kuratorin Marion Ackermann wird im kommenden Jahr auf den Archäologen Hermann Parzinger im Präsidentenamt folgen, und alle Beteiligten scheinen glücklich zu sein. Die fröhliche Kulturstaatsministerin Claudia Roth ohnehin, die noch am wenigsten dazu beigetragen hat, die finanziellen Probleme der Stiftung zu lösen. Aber auch Parzinger selbst, dem das Amt sichtbar zur Bürde geworden ist.
Schon ein Blick auf den beeindruckenden Werdegang der 1965 in Göttingen geborenen Ackermann macht augenfällig, dass mit ihr eine exzellente Besetzung für eine der wohl schwierigsten Rollen im deutschen Kulturbetrieb gefunden wurde. Sie tritt im nächsten Jahr an die Spitze dieses mit fünfzehn Sammlungen in sechs zentralen Einrichtungen an fünf Standorten tief zerklüfteten Kulturimperiums, wozu noch die Staatsbibliothek, das Geheime Preussische Staatsarchiv, das Ibero-Amerikanische Institut und die Musikforschung gehören.
Dieses nur historisch begreifbare, einzigartige Ensemble, das den Vergleich mit der berühmten Smithsonian Institution in Washington nicht zu scheuen braucht, hat sich nie als gemeinsames Ganzes empfunden. Man spricht lieber von den Standorten, vom Kulturforum oder von der Museumsinsel – oder den einzelnen Häusern wie der Alten und der Neuen Nationalgalerie. Die Dachmarke SPK blieb entsprechend blass. Als «dysfunktional» hat der Wissenschaftsrat die Organisation der Stiftung in seinem Gutachten 2020 beschrieben. Ihre Finanznot war wohl auch ihm bekannt.
Parzingers Verdienst und Stillstand
Es soll deshalb Finanzierungszusagen der früheren Kanzlerin gegeben haben. Aber dann kam der Regierungswechsel und mit ihm der Stillstand. Die amtierende Kulturministerin Roth hat ein Schatzhaus von Weltgeltung unter ihren Händen verröcheln lassen, weil sie das Geld für ihren politischen Klimbim brauchte. Und der amtierende Präsident Parzinger? Der hat darüber zu lange geschwiegen. Ihm droht jetzt die Rolle des Sündenbocks. Er muss seine Ära als bleiern beschreiben lassen, ein Eindruck, der sich nicht zu Unrecht verfestigt hat.
Nach der glanzvollen Wiederaufbauphase der Berliner Museumsinsel in den nuller Jahren unter Parzingers Vorgänger Klaus-Dieter Lehmann und dem Pathos der wiederauferstandenen Kulturnation legte sich ein grauer Schleier über die Stiftung. Doch die Verteidiger Parzingers werden nicht müde, das Bild eines Präsidenten zu zeichnen, der mit grosser Leidensfähigkeit den Riesentanker der Preussenstiftung durch alle Fährnisse steuerte. Dass die Preussenstiftung nicht – wie beabsichtigt – zerschlagen wurde, ist vor allem Parzingers Verdienst.
Der Kontrast zu seiner agilen Nachfolgerin könnte nicht grösser sein. Hier der zaudernde Sachwalter. Dort die strahlende Erlöserin aus Dresden, die viele jetzt in den Museumshimmel erheben, den es für sie nicht einmal in Dresden gab. Dass an die Spitze der Stiftung eine Frau kommen sollte, stand von Anfang an fest.
Doch weder Ulrike Lorenz von der Stiftung Weimarer Klassik, die man auffallend häufig in der Hauptstadt sah, noch Sandra Richter, die Direktorin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, noch die streitlustige Museumsleiterin Cecilie Hollberg, die ihre Wahlheimat Florenz einst als Kulturnutte beschimpft hatte, kamen in die engere Wahl. Ackermann verfügte über die besseren Karten – und über die besseren Drähte ins Rothsche Kulturministerium. Sie bekam den Zuschlag.
Begnadete Ausstellungsmacherin
Von Aufbruchstimmung redet man jetzt in der Stiftung. Doch wer in die müden alten Männergesichter während der Pressekonferenz in der Staatsbibliothek sah, der wünscht der neuen Präsidentin Feuer und Schwert. Das Feuer bringt sie wohl mit. Dresden war kein Spaziergang für sie gewesen. Ihre Nonchalance, mit der sie zu Anfang auf den Diebstahl der sächsischen Kronjuwelen im Grünen Gewölbe reagierte, haben ihr die Sachsen bitter übelgenommen.
Sie sei leider keine Managerin, heisst es dort auch in Regierungskreisen. Die prekäre Sicherheitslage der Dresdner Sammlungen war ihr wohl kaum bekannt. In manchen Fettnapf ist sie getreten. Und im Zeitgeist sah sie häufig ihren willkommenen Freund.
Aber ihr eigentlicher Ruf ist der einer begnadeten Ausstellungsmacherin mit wachem Gespür für die Fragen der Zeit. Sie versucht die klassische Rolle des Kunstmuseums zu überwinden, will über die Kunst wirksam werden und nicht über das Gepränge einer Institution. Man hätte deshalb von ihr bei ihrer Vorstellung in Berlin ein paar Gedanken mehr erwarten können als nur die abgedroschene Floskel von der Demut, die sie vor ihrem neuen Amt erfüllt.
Zu Recht. Das Wort vom «Tanker» ist ein viel zu harmloser Vergleich für diese Stiftung; man sollte von einem «Seelenverkäufer» sprechen. Und Ackermann gerät mitten hinein in einen grundstürzenden Wandel, was zu ihrer Chance werden kann. Sie wird diesen Prozess wohl oder übel managen müssen. Ihre neue Rolle ist nicht mehr das gewohnte Tête-à-Tête mit der Kunst. Ob ihr das klar ist, weiss man noch nicht. In der Redaktion der Zeitschrift «Monopol» reibt man sich jetzt schon die Hände, dass eine ausgewiesene Kunstkennerin an die Spitze der Stiftung tritt. Und dass die neue Intendantin die alten Hausheiligen endlich zum Tanzen bringe, ist das, was auch Florian Illies sich von der neuen Präsidentin in der «Zeit» erhofft. Ihre selbstbewussten Direktoren von den Staatlichen Museen werden das sehr genau lesen.
Nationaler Schatz
Eine gedeihliche Zukunft der Stiftung setzt freilich viel mehr als nur den Reformwillen aller Beteiligten voraus. In der deutschen Kulturpolitik wird man endlich wieder begreifen müssen, welch nationalen Schatz diese Stiftung bedeutet. Bei der Vorstellung Ackermanns wurde zwar viel über die grossen Herausforderungen geredet; über das preussische Erbe fiel wieder kein Wort.
Von der amtierenden Kulturstaatsministerin Roth kann man das nicht mehr erwarten. Dafür fehlt ihr schlicht und einfach das Gen. Aber dass auch die künftige Präsidentin bei ihrem ersten Auftritt nur die üblichen Sprachhülsen parat hatte, enttäuschte doch sehr. Selbstredend also soll die Stiftung künftig ein Ort der Bürgergesellschaft werden; und natürlich muss es demokratische Formate geben; und der Postkolonialismus kommt genauso wenig zu kurz wie das Change-Management und die Augenhöhe; Mitarbeiter wollen ja schliesslich Mitgenommene sein. Aus solchen Binsen wird freilich kein Teppich.
Über eines will man sich in Berlin eben wiederum keine Rechenschaft geben: dass diese Stiftung ihre eigene Würde besitzt. Jede Generation, die dort von neuem beginnt, steht – wie man sagt – auf den Schultern der anderen. Die Preussenstiftung ist Teil unseres nationalen Gedächtnisses geworden; ein Erinnerungsraum für unsere dunkle wie helle Geschichte. Diesen Raum für künftige Generationen begehbar zu halten, wird die vornehmste Aufgabe der neuen Präsidentin sein. Daran wird man sie eines Tages messen.