Die EU-Kommission eröffnet ein Verfahren gegen die Online-Plattform Tiktok. Unter anderem geht es um Jugendschutz und Suchtverhalten.
(dpa) Die Europäische Kommission geht gegen Tiktok vor. Es soll geprüft werden, ob der Online-Riese genug gegen die Verbreitung illegaler Inhalte tut und ob er etwa beim Jugendschutz oder bei der Werbetransparenz gegen EU-Regeln verstösst. Das teilte die EU-Kommission am Montag in Brüssel mit.
Bei den möglichen Verfehlungen geht es auch darum, dass Tiktok unter Umständen nicht genug unternimmt, damit die App kein Suchtverhalten fördert. Konkret hat die Kommission etwa Algorithmen im Verdacht, die Abhängigkeiten anregen oder einen sogenannten Rabbit-Hole-Effekt (auf Deutsch etwa: Kaninchenbau-Effekt) auslösen können.
Suchtgefahr und Bedenken des Jugendschutzes
Dieser Effekt – der Name ist angelehnt an die Geschichte von «Alice im Wunderland» – beschreibt das Phänomen, sich sehr intensiv in einem Thema zu verlieren und es nicht mehr zu schaffen, sich davon loszureissen. Algorithmen können theoretisch solche Verhaltensmuster erkennen und ausnutzen, damit Nutzerinnen und Nutzer mehr Zeit auf einer Plattform verbringen.
Schutzmassnahmen für Minderjährige wie Altersüberprüfungen zum Jugendschutz seien möglicherweise nicht wirksam, so die Kommission. Die Plattform ist laut eigenen Angaben für Menschen gedacht, die mindestens 13 Jahre alt sind. Auf der Website des Unternehmens heisst es: «Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass Teenager ihr richtiges Geburtsdatum angeben.»
Neues EU-Gesetz in Kraft
Die Kommission hatte bereits eine Voruntersuchung durchgeführt, deren Ergebnis zu dem nun eingeleiteten förmlichen Verfahren gegen Tiktok geführt hat. Vor zwei Monaten hatte Brüssel ein ähnliches Verfahren gegen die Plattform X eröffnet. Dabei ging es unter anderem um Hinweise auf illegale und irreführende Beiträge zum Gaza-Krieg. Online-Plattformen werden von einem neuen EU-Gesetz über digitale Dienste (DSA) verpflichtet, strikt gegen illegale Inhalte wie Hassrede und Hetze im Netz vorzugehen.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat die EU-Kommission einigen grossen Online-Plattformen einen Fragenkatalog geschickt, darunter Facebooks Mutterkonzern Meta oder Snapchat. Sie mussten unter anderem Angaben dazu liefern, wie sie die psychische Gesundheit von Jugendlichen schützen.
Die Plattformen müssen ihren Nutzern Informationen über Anzeigen zur Verfügung stellen. Also zum Beispiel, warum die Anzeigen ihnen gezeigt werden und wer für die Werbung bezahlt hat. Ausserdem sollen Minderjährige besonders geschützt werden. So ist es verboten, sie gezielt mit Werbung anzusprechen, die auf persönlichen Daten beruht.
Hohe Strafe steht im Raum
Die EU-Kommission will ausserdem untersuchen, ob Tiktok genug tut, um ausreichend Privatsphäre für Nutzerinnen und Nutzer zu gewährleisten. Dabei geht es darum, welche Datenschutzeinstellungen als Standard für Minderjährige eingestellt sind. Zudem wird analysiert, ob ein durchsuchbares Verzeichnis für die auf Tiktok präsentierten Anzeigen die rechtlichen Auflagen erfüllt. Darüber hinaus hat die EU-Kommission Zweifel, ob Forschende wie vorgeschrieben ausreichend Zugang zu Daten von Tiktok bekommen.
Sollte die Kommission zu dem endgültigen Schluss kommen, dass Tiktok gegen das EU-Gesetz über digitale Dienste verstösst, können Geldbussen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden. Die Kommission kann ausserdem Zwangsgelder in Höhe von bis zu fünf Prozent des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes von Tiktok verhängen. Und das für jeden Tag, an dem der Konzern etwa zugesagte Massnahmen nicht umsetzt.
Laut Berichten hat Tiktok einen Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro. Das Unternehmen selbst veröffentlicht keine Zahlen. Bei dem nun eingeleiteten Verfahren gibt es keine Frist. Wie lange die Untersuchung dauert, ist offen. Nach Angaben der Brüsseler Behörde hängt die Länge etwa davon ab, wie kompliziert ein Fall ist und wie kooperativ ein Unternehmen mit der Kommission zusammenarbeitet. Zudem ist offen, welches Ergebnis die Untersuchung haben wird.