Sonntag, September 29

Am 22. September stimmt die Stadt Zürich über die Volksinitiative «Uferschutz» und den Gegenvorschlag dazu ab. Die Vorlage im Detail.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Stadt Zürich soll die Ufer von Zürichsee und Limmat besser schützen und als Naherholungsgebiete erhalten.
  • Die Initiative verlangt deshalb, für beide Gewässer Uferzonen zu definieren, in denen Bauten von über 25 Meter Höhe nicht erlaubt sind. Für den Zürichsee ist eine 150 Meter breite Uferzone vorgesehen. Die der Limmat variiert je nach Flussbreite zwischen 180 und 240 Metern.
  • Stadt- und Gemeinderat lehnen die Volksinitiative ab. Dies, weil die Initiative nur auf Hochhäuser ausgerichtet ist und nur zwei Gewässer berücksichtigt werden.
  • Der Stadtrat hat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Er ist genereller formuliert und bezieht alle Gewässer im Stadtgebiet mit ein.

Auslöser für die Volksinitiative war ein Planungsbericht der Stadt zu den neuen Hochhausrichtlinien. In dem Papier wurden die Vorschläge verschiedener Planungsteams vorgestellt. Der Vorschlag, den die Experten als besonders gelungen einschätzten, sah unter anderem eine Ausweitung der Hochhausgebiete vor, teilweise auch zum See hin und an der Limmat. Je nach Gebiet sollten bis zu 250 Meter Höhe erlaubt sein.

Das parteiübergreifende Initiativkomitee stellt sich auf den Standpunkt, dass am See und an der Limmat keine Hochhäuser mehr gebaut werden dürfen. Dies sei für den Erhalt der Lebensräume und Naherholungsgebiete dort entscheidend. Hochhäuser würden die Zugänglichkeit und die Besonnung der Ufer einschränken und sich negativ auf das Stadtklima auswirken.

Für das Seeufer definiert die Initiative einen Schutzperimeter von 150 Metern. Dies entspricht ungefähr der Distanz von der Limmatschiffstation beim Utoquai bis auf die andere Seite des Sechseläutenplatzes. Entlang der Limmat sollen die Breiten der beidseitigen Schutzzonen je nach Flussbreite zwischen 180 und 240 Metern variieren.

Das Projekt «Ensemble» im Westen von Zürich beinhaltet nebst einem neuen Fussballstadion auch einen Genossenschaftsbau und zwei Wohntürme. Der Standort von Letzteren liegt rund 200 Meter von der Limmat entfernt – also noch innerhalb der durch die Initiative definierten Uferschutzzone.

Welche Auswirkungen eine Annahme der Volksinitiative auf das Projekt hätte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Meinungen gehen auseinander.

Die Stadtregierung gibt sich zuversichtlich, dass Initiative und Stadionprojekt gut aneinander vorbeikommen. Die Pläne für das neue Stadion seien bereits gutgeheissen worden, das Vorhaben sei zu weit fortgeschritten.

Die Mitglieder des Initiativkomitees beteuern, dass es nicht ihre Absicht sei, die neue Fussballarena infrage zu stellen. Allerdings sind in der Initiative selbst nur bestehende Bauten von den neuen Regeln ausgenommen. Das Stadion, um dessen Baubewilligung nach wie vor ein Rechtsstreit ausgefochten wird, fällt nicht in diese Kategorie.

Entsprechend beunruhigt sind die Verantwortlichen des Stadionprojekts. Sie befürchten, dass eine Annahme der Initiative neuen Einsprachen den Weg ebnen würde.

Der Gegenvorschlag nimmt das grundsätzliche Anliegen auf, Gewässerufer zu schützen, verzichtet aber auf ein Hochhausverbot. Der sorgsame Umgang mit den Ufern aller städtischen Gewässer soll in der Zürcher Gemeindeordnung – also der Verfassung der Stadt – geregelt werden. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf den Erhalt von Grünräumen und deren Zugänglichkeit für die Bevölkerung gelegt werden.

Gegenwärtig ist der Uferschutz im nationalen Gewässerschutzgesetz, in der Bau- und Zonenordnung, im Richtplan und in den Leitbildern der Stadt Zürich geregelt. Stadt- und Gemeinderat vertreten deshalb die Meinung, dass dem Uferschutz mit den bestehenden Massnahmen Genüge getan sei.

Wo in der Stadt künftig in die Höhe gebaut werden kann, hat der Stadtrat in den im Juni beschlossenen Hochhausrichtlinien festgehalten. Verglichen mit den heutigen Richtlinien sind die Gebiete mit Hochhauspotenzial kleiner geworden und sind im Westen und im Norden der Stadt konzentriert.

Entlang des Seebeckens sind weiterhin keine über 25 Meter hohen Bauten vorgesehen. Auch die Limmat wird künftig nicht zwischen Wolkenkratzern hindurchfliessen. Nördlich des Flusses gilt weiterhin die Maximalhöhe von 25 Metern. Auf der Südseite der Limmat sind bis 60 Meter hohe Gebäude auf einem etwa 1,4 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Lettenviadukt und den Bernoulli-Häusern zulässig.

Ein zonenkonformes Hochhaus darf aber die maximale Ausnützungsziffer nicht übertreffen. Die von den Initianten befürchteten Hochhausriegel dürften folglich ein Schreckgespenst bleiben.

Die Initianten sind mit der Baupolitik von Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) nicht zufrieden. Er setze zu stark auf Hochhäuser, um die städtischen Ziele in Sachen Verdichtung zu erreichen.

Als Negativbeispiel verweist das Komitee auf seiner Website auf die beiden Hochhäuser, welche die Stadt über dem Tramdepot Hard erstellt. Die beiden Wohntürme mit fast 200 Wohnungen sind über 60 Meter hoch. Rund 71 Prozent der Stadtzürcher Stimmbevölkerung sagten vor vier Jahren Ja zu dem Projekt.

Solche Bauten sollten künftig nicht mehr bewilligungsfähig sein, auch nicht mittels Gestaltungsplan, findet das Initiativkomitee. Vielmehr solle die Stadt auf die sogenannte flache Verdichtung setzen, auf fünf- bis sechsstöckige Gebäude in Blockrandbauweise.

Die Initianten begrüssen, dass der Gegenvorschlag das grundsätzliche Anliegen der Initiative berücksichtigt. Er sei jedoch zu wenig konkret.

Die Unterstützer des Gegenvorschlags argumentieren, dass die Ufer damit effektiver geschützt werden könnten. Denn im Gegensatz zur Initiative bezieht sich der Vorschlag des Stadtrats nicht nur auf den Zürichsee und die Limmat, sondern auf alle städtischen Gewässer.

Das in der Initiative geforderte umfassende Verbot, im Uferschutzbereich Projekte umzusetzen, die eines Gestaltungsplans bedürfen, lasse sich nicht umsetzen. Denn bei Gestaltungsplänen handle es sich um kantonsrechtliche Instrumente.

Die Kritiker argumentieren, dass sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag Bereiche beträfen, die bereits hinlänglich geregelt seien. Die Initiative ziele darauf ab, das von der Bevölkerung mehrfach angenommene Stadionprojekt zu verhindern. Der Gegenvorschlag verschlimmbessere die Initiative, indem er den Uferschutz auf alle Gewässer und Gebäudearten ausweite.

Folglich würden beide Vorlagen ohne Not zusätzliche Bürokratie aufbauen, ohne dass dabei ein relevanter Nutzen entstünde.

Die NZZ lehnt sowohl die Volksinitiative wie auch den Gegenvorschlag dazu ab. Wo in der Stadt Hochhäuser entstehen dürfen, ist in den Hochhausrichtlinien festgelegt. Das Seeufer und weite Teile der Limmatufer gehören nicht zu den Hochhausgebieten.

Die Ufer von Limmat, Sihl und See sind in den letzten Jahren vielerorts neu gestaltet worden und sind damit zugänglicher geworden, beispielsweise im Wipkingerpark oder bei der Sihlpost.

Sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag zielen folglich auf einen Bereich, in dem es keinen wirklichen Handlungsbedarf gibt. Ihre Annahme würde vielmehr dazu beitragen, das Bauen in der Stadt weiter zu verkomplizieren, was angesichts der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt kontraproduktiv wäre.

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