Wir sollten ehrlich sein, schreibt Schriftsteller Leon de Winter: Es sind Unruhen von Einheimischen, die genug haben von Einwanderern, und es sind Unruhen von Muslimen, die die Strassen kontrollieren wollen.
Die ersten Unruhen, die ich miterlebte, waren die «Nieuwmarkt-Krawalle» von 1975 in Amsterdam; ich war damals Student an der Filmhochschule und drehte mit Kommilitonen einen Dokumentarfilm darüber. Es ging um den Bau der ersten U-Bahn-Linie, für die ein altes Wohngebiet weichen musste. Inzwischen zweifelt niemand mehr an der Bedeutung der U-Bahn-Linie.
Fünf Jahre später wurde Amsterdam von den Krönungsunruhen heimgesucht. Die Gewaltorgie entfesselte sich in der Hausbesetzerszene. Die Krönung von Prinzessin Beatrix zur Königin war nur der Auslöser; das Verlangen nach anarchistischer Gewalt schlummerte indessen schon lange. Auch die Unruhen im April 1981 im Londoner Stadtteil Brixton kamen nicht aus heiterem Himmel. Sie wurden durch einen Brand ausgelöst, bei dem dreizehn schwarze Jugendliche ums Leben kamen.
Die Polizei behauptete, das Feuer sei in einem Partylokal ausgebrochen, aber die schwarze Minderheit glaubte, es sei von Rassisten gelegt worden. In der Folge wurden Häuser, Geschäfte und Autos in Brand gesteckt, fast dreihundert Polizisten wurden verletzt.
Kipppunkt zwischen Resignation und Gewalt
Ich bin kein Befürworter solcher Ausschreitungen. Seit jungen Jahren bin ich ein vorsichtiger Hüter des sozialen Friedens. Mein Mitgefühl gilt den Ladenbesitzern und Kleinunternehmern, gleich welcher ethnischen Herkunft, deren Lebenswerk zerstört wird. So etwa im Sommer 2020, als in vielen amerikanischen Innenstädten nach dem Tod von George Floyd ganze Einkaufsstrassen in Flammen aufgingen oder geplündert wurden. Über die Unruhen in Brixton 1981 habe ich damals für eine niederländische Zeitung berichtet. Die Brandursache war damals unklar und ist es heute noch.
Das Timing spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Unruhen. Der Auslöser kann völlig zufällig sein oder auch nicht. Ein unbedeutender Vorfall kann einen Brand entfachen, wenn der Zunder schon bereitliegt. Die gegenwärtigen Unruhen in Grossbritannien haben einen offensichtlichen Auslöser: den Mord an drei englischen Mädchen.
Der mutmassliche Täter ist der Sohn von Einwanderern aus Rwanda. Erste Berichte über seine Religion und seine ethnische Zugehörigkeit waren falsch, wurden aber im Internet massenhaft verbreitet. Das war der Tropfen, der das Fass voll Wut, Argwohn und Verzweiflung zum Überlaufen brachte. Wir sprechen hier über das Fass namens grenzenlose Einwanderung.
Seit langem beschäftige ich mich mit dem Kipppunkt zwischen Resignation und Gewalt. Ich habe darüber einen Roman geschrieben, «Het lied van Europa» (Das Lied von Europa), der im Herbst 2023 in den Niederlanden veröffentlicht wurde und voraussichtlich 2025 auf Deutsch erscheinen wird.
Darin geht es um einen niederländischen Kipppunkt in Richtung Volksgewalt im August 2040, als eine russisch-niederländische Frau zu Tode kommt. In den sozialen Netzwerken verbreitet sich die Nachricht, dass sie von einer syrischen Muslimin ermordet wurde. In der Folge entlädt sich die Frustration über eine radikal veränderte Welt, die jahrzehntelang von den politischen und kulturellen Eliten befördert worden war.
In niederländischen Städten – beziehungsweise in meiner fiktiven Welt – werden Moscheen und Regierungsgebäude in Brand gesteckt. Der Ausnahmezustand wird ausgerufen. Strenge Einschränkungen der Redefreiheit werden verhängt, um die Ordnung wiederherzustellen und Desinformation zu verhindern. Schliesslich schlagen Nato-Einheiten die Aufstände nieder.
Irreführende Thesen
Am vergangenen Montag widmete eine der wichtigsten Nachrichtensendungen des niederländischen Fernsehens den englischen Unruhen einen Beitrag. Fragen zur Einwanderung von Millionen von Muslimen wurden dabei totgeschwiegen. Die Redaktoren behaupteten hingegen, die Unruhen seien eine Reaktion auf das Scheitern des Brexits. Damit wird suggeriert, dass es nicht zu den Unruhen gekommen wäre, wenn Grossbritannien in der EU geblieben wäre. Das ist Unsinn.
Die Redaktoren der niederländischen Nachrichtensendung haben eine wesentliche Tatsache übersehen: In den letzten Tagen kam es zu Brandstiftungen gegen Flüchtlingsunterkünfte, während zugleich randalierende Muslime auf den Plan traten. Wie in meinem Roman verzerren viele Medien die Wahrheit über die Unruhen und lassen den Kern unausgesprochen. Was hier verschwiegen wird: Die nichtakademische englische Bevölkerung wehrt sich gegen die weiter zunehmende Migration. Zuwanderer erhalten Leistungen und Unterkünfte, zu denen die einheimische Bevölkerung kaum oder gar keinen Zugang hat.
Betende Muslime gehen auf die Strasse und protestieren mit den Fahnen von Hamas und Hizbullah gegen Israel. Ganze Teile Englands werden islamisiert und sehen aus wie pakistanische Städte, in denen die Frauen ihren Körper vollständig verhüllen und die Männer traditionelle Kleidung tragen. Von Integration ist nichts zu spüren. Aber Integration ist eine Mindestvoraussetzung für die Teilnahme am grossen westlichen Abenteuer des Fortschritts, an der Gleichberechtigung und der wissenschaftlichen Neugierde.
Der ehemalige britische Schatzkanzler Nadhim Zahawi (er ist irakisch-kurdischer Herkunft) schreibt auf der Website «The Free Press»: «Zu viele Menschen aus dem Ausland weigern sich, sich bei ihrer Ankunft zu integrieren, die Sprache und die Bräuche dieses Landes zu lernen. (. . .) Dies führt zu Ghettoisierung und Ressentiments zwischen Einheimischen und Zuwanderern. (. . .) Von Terroranschlägen im Namen einer radikalen Auslegung des Islams bis hin zu Aufmärschen in den Strassen Londons, die Juden daran hindern, das Haus zu verlassen: Unsere fehlende Bereitschaft, uns mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, hat zu einem Chaos geführt.»
«Jetzt zahlen wir den Preis dafür»
Der Titel von Zahawis Artikel lautet: «Das britische Establishment weigert sich, über Migration zu sprechen. Jetzt bezahlen wir den Preis dafür». Die britischen und fast alle anderen westlichen Medien weigern sich, die konkreten Umstände der Unruhen zu benennen. Wir sollten ehrlich sein: Es sind Unruhen von Einheimischen, die genug haben von Einwanderern, und es sind Unruhen von Muslimen, die die Strassen kontrollieren wollen.
Die politischen und medialen Eliten behaupten, die Gewalt sei von einer rechtsextremen Organisation angezettelt worden. Damit entlasten sie sich von der Schuld an ihrer unbesonnenen Migrationskultur in Nord- und Westeuropa. Also fordern die Eliten eine Zensur der sozialen Netzwerke, in denen es, wie sie sagen, von Fake News wimmelt. Aber das dämpft die Wut nicht. Zahawi schreibt: «Grossbritannien hat viele Feinde, die sich nicht nur die Hände reiben, sondern wahrscheinlich auch das Feuer schüren. Die Muslimbruderschaft ist in britischen Moscheen sehr aktiv. Und zweifellos wird die unheilige Allianz von Putin, der Kommunistischen Partei Chinas und den Mullahs in Iran die Unruhen aus der Ferne anheizen.»
Angesteckt vom marxistischen Dogma über sozioökonomische Verarmung, weigern sich unsere Eliten anzuerkennen, dass solche Entbehrungen auch durch den Verlust von kulturell-religiösen Werten verursacht werden. Nirgendwo in der islamischen Welt haben die Bürger moderne individuelle Freiheiten erworben. Über allem anderen stehen die religiösen Gesetze. Und das Bizarre ist, dass zu viele Migranten die starren Gesetze ihrer Herkunftsländer in ihren Zufluchtsländern einführen wollen.
Sie empfinden ihren untergeordneten sozioökonomischen Status im Westen nicht als Herausforderung, sondern als Ungerechtigkeit, da sie einer überlegenen Religion anhängen, die ihnen das Recht gibt, über die Ungläubigen zu herrschen.
In Deutschland habe ich eine Grenze überschritten
Nicht alle Einwanderergruppen verursachen Probleme. Der Unterschied zwischen indischen und pakistanischen Einwanderern im Vereinigten Königreich ist verblüffend. Die meisten indischen Hindus passen sich an, studieren und werden zu respektierten Bürgern. Auch unter den muslimischen Pakistanern gibt es solche, aber viele flüchten sich in religiöse Obsessionen und verlieren sich in Träumen eines Weges hin zu Wohlstand und Ansehen, der über eine islamistische Revolution führt.
Seit Jahrzehnten warne ich davor, dass Migration ohne Integration in eine Krise führt. Ich habe Angela Merkels Willkommenskultur umgeschrieben zu «Willkommen, Antisemiten!». Damit habe ich in Deutschland eine Grenze überschritten, denn wie konnte ich es wagen, etwas Derartiges über all die aufgeklärten jungen Männer zu sagen, die künftig als Herzchirurgen und Architekten in die Gesellschaft eintreten?
Das politische und mediale Tabu, die negativen Aspekte der Masseneinwanderung aus islamischen Ländern zu diskutieren, wird im Vereinigten Königreich nach den Unruhen noch vehementer aufrechterhalten. Das wird die Unzufriedenheit weiter verschärfen.
Zwischen 1980 und 2013 wurden in der englischen Stadt Rotherham Mädchen von Banden überwiegend pakistanischer muslimischer Männer sexuell missbraucht. Es kursierten Gerüchte über diese Verbrechen, aber die Polizei und die städtischen Behörden griffen nicht ein, aus Angst, als islamfeindlich oder rassistisch bezeichnet zu werden. Mindestens 1400 Mädchen, vermutlich 2000, im Alter zwischen 11 und 16 Jahren waren betroffen. Die Angst der lokalen Behörden, des politisch unkorrekten Verhaltens beschuldigt zu werden, überstrahlte ihre heilige Pflicht, die Mädchen zu schützen. Wenn Politiker und Medien weiterhin die Tatsachen unterdrücken, wird das Gewaltpotenzial nur zunehmen.
Leon de Winter ist ein niederländischer Schriftsteller.