Mit guten Ideen und neuen Formaten wie ABM oder Interio hat die Globus-Gruppe einst den Schweizer Detailhandel aufgemischt. Doch plötzlich ging die Rechnung nicht mehr auf. Ende der 1990er Jahre sahen sich die Besitzerfamilien gezwungen, die Eigenständigkeit aufzugeben.
Globus steht heute in Zürich für eine Luxuswelt mit teuren Taschen und einer reichhaltigen Delikatessenabteilung. Doch bei dem Glanz der Bahnhofstrasse geht leicht vergessen, dass die Warenhausgruppe einst auch aus weniger glamourösen Geschäften bestand.
Wer in den 1960er, 1970er oder 1980er Jahren in der Schweiz aufgewachsen ist, trug als Kind ziemlich sicher Kleider aus dem ABM. Denn die günstigen Kleinwarenhäuser, die zu Globus gehörten, waren ein wichtiger Anbieter für Kindermode.
Globus bestand damals nicht nur aus den neun Warenhäusern, deren Betrieb jetzt die thailändische Central Group vollständig übernommen hat. Globus war eine familiengeführte, breit aufgestellte Detailhandelsgruppe. Tochterfirmen waren unter anderem das Einrichtungshaus Interio, der Büromaterialhändler Office World und eben: ABM.
Der Name der Kette stand für «Au Bon Marché» – im Volksmund auch scherzhaft für «Alles billiger Mist». Globus hatte ABM 1956 nach ausländischem Vorbild gegründet. Die Läden führten ein überschaubares Sortiment mit Bekleidung und Haushaltsartikeln zu günstigen Preisen. Sie waren eine Ergänzung zu den höherpreisigen Globus-Warenhäusern – und verdienten gutes Geld.
Erneuerung verschlafen
Doch ausgerechnet die Tochter ABM war es, die in den späten 1990er Jahren dazu beitrug, das Ende der ganzen Globus-Gruppe als eigenständiges Unternehmen einzuläuten. Die Kette, die für rund einen Drittel des Umsatzes des Konzerns stand, war tief in die roten Zahlen gerutscht.
Ob dem langjährigen Erfolg hatte ABM es verpasst, sich zu erneuern. Das Umfeld im Schweizer Detailhandel hatte sich verändert. Zunächst sorgten nationale Wettbewerber wie Spengler oder die Migros, später auch internationale wie H&M oder C&A für Konkurrenz im Bekleidungsgeschäft. Eine ABM-Neupositionierung mit den Beratern von Boston Consulting war gescheitert.
Verdoppelung der Verkaufsfläche dank Jelmoli
Aber auch im Mutterhaus Globus standen Veränderungen an. Mit der Übernahme von sechs Jelmoli-Warenhäusern war Globus 1996 erstmals in die Romandie und ins Tessin vorgestossen. Plötzlich war man nicht mehr bloss eine Deutschschweizer Warenhausfirma, sondern ein nationaler Akteur.
Globus versprach sich von dem Schritt günstigere Konditionen beim Wareneinkauf und eine bessere Verteilung der Fixkosten im Unternehmen. Doch die Verdoppelung der Verkaufsfläche und die Integration der neuen Filialen waren für die Familienfirma eine grosse Herausforderung.
Einen Notstand gab es auch in personeller Hinsicht. Kurz nach dem Rücktritt des langjährigen Patrons und Globus-Präsidenten Rudolf Bitterli fiel sein Nachfolger Ulrich Zollikofer von einem Tag auf den anderen aus gesundheitlichen Gründen aus und kam nicht mehr ins Geschäft zurück.
Nur noch ein Ausweg
In dieser dramatischen Situation sahen die ursprünglichen Besitzerfamilien keinen anderen Ausweg mehr, als das Unternehmen in andere Hände zu geben. Und so verkauften die Familien Mahler, Bitterli, Schmidheiny und weitere Aktionäre 1997 ihre Mehrheit an der Warenhausgruppe an die Migros.
Als Kaufpreis für die Firma inklusive Liegenschaften wurden damals in den Medien 700 Millionen Franken herumgeboten – das wäre ungefähr so viel wie alleine die wohl etwas zu stolze Bewertung des Hauptsitzes an der Bahnhofstrasse in den vergangenen Jahren.
Auswirkungen hatte der Deal auch auf die Besitzverhältnisse des Glattzentrums. Ursprünglich hatte die Immobilie zu je einem Drittel der Migros, Globus und Jelmoli gehört. Später übernahm Globus den Jelmoli-Anteil und besass zwei Drittel des Einkaufszentrums. Mit dem Globus-Kauf wurde die Migros dann alleinige Besitzerin – und verkaufte es später an Swiss Life.
Stolze «Globianer»
Dass der grösste Schweizer Detailhändler bei Globus das Zepter übernahm, löste in der bis dahin überschaubaren Warenhauswelt Unsicherheit aus. Globus, das war ein familiär geführtes Unternehmen, das zu seinen Mitarbeitern schaute. Man war stolz, ein «Globianer» zu sein – und jetzt sollte man plötzlich ein Teil des Migros-Kolosses werden.
Auch die NZZ hatte ihre Zweifel. «Nicht begeisternd» stand als Titel über dem Kommentar zu der Übernahme. Skepsis hegte das Blatt, weil die Migros Globus weiterhin an der Börse lassen wollte. Der Redaktor fragte sich, wie eine kotierte Firma zum «pragmatischen Umsatz- sowie Rentabilitätsdenken» der genossenschaftlichen Migros sowie zu ihrem «gesellschaftspolitischen Auftrag jenseits reiner Gewinnorientierung» passe. Dieser Spagat erledigte sich insofern, als die Migros bald auch die restlichen Titel kaufte und Globus von der Börse nahm.
Die Ängste innerhalb der Warenhausfirma zerstreuten sich allerdings bald, als die Migros-Führung die Parole «Globus bleibt Globus, Migros bleibt Migros» durchgab.
Daran hat sich die Käuferin gehalten. Betroffene Kader-Mitarbeiter attestieren der Migros ein faires Vorgehen nach der Übernahme. Wenn ein Bereich gute Ergebnisse lieferte, wurde man in Ruhe gelassen.
Flop mit Oviesse
Das galt natürlich nicht für das Sorgenkind ABM. Doch mit der Sanierung klappte es auch unter der Migros nicht. Die Kette wurde 2003 geschlossen.
Der Plan: Die nicht mehr benötigten ABM-Ladenflächen sollten mit Filialen der italienischen Bekleidungskette Oviesse gefüllt werden – je nach Platz ergänzt durch Estorel-Drogerien oder Nannini-Cafés, als Franchise der Familie der Sängerin Gianna Nannini aus Siena. Doch es zeigte sich bald, dass die Sache mit Oviesse ein Flop wird, und die Übung wurde abgebrochen.
Ein grosser Erfolg war hingegen die Umwandlung des ehemaligen ABM-Warenhauses am Bellevue in Zürich. Dort setzte Globus unter dem Motto «Fast Food für die Goldküste» auf Gastronomie. Andere ABM-Läden wurden zu Herren-Globus- oder Interio-Filialen umgenutzt, ein gutes Dutzend wurde zu C&A-Läden.
Selbst zehn Jahre nach der Übernahme liess die Migros 2007 die Globianer für die Feier zum 100-Jahr-Jubiläum unter sich. An das rauschende Fest für sämtliche Globus-Mitarbeiter in der Event-Halle 550 in Oerlikon mit einer Abba-Coverband und dem Sänger Michael von der Heide erinnern sich Teilnehmer noch heute gerne.
Weg mit Globi und Interio
Anlass zum Feiern gab es jedoch immer weniger. Das Globus-Reich schrumpfte. Die Beteiligungen der Gruppe wurden eine nach der anderen abgestossen. Der Globi-Verlag wurde ebenso verkauft wie der Büromaterialhändler Office World und das Einrichtungshaus Interio.
Der alte Werbespruch «Wer rechnet, kauft im Globus» stimmte für viele Kunden in einem Umfeld mit immer tieferen Kleiderpreisen irgendwann nicht mehr. Rückblickend hätte Globus seine Ambitionen im Bekleidungsbereich wohl besser schon früher aufgegeben, als sich 2013 das Modehaus Schild aufzuladen und noch per Anfang 2019 die Schuh- und Modemarke Navyboot zu übernehmen.
Nur wenige Monate später kam die Migros-Führung nämlich zum Schluss, dass Globus «immer weniger Berührungspunkte und Synergien» mit dem Detailhändler habe, und suchte einen Käufer.
Diesen fand sie Anfang 2020 in der thailändischen Central Group und dem österreichischen Immobilienunternehmer René Benko. Kaum hatten die beiden Globus übernommen, stutzten sie die Gruppe weiter zusammen: Die ehemaligen Schild- und Herren-Globus-Geschäfte sowie das eben erst erworbene Navyboot landeten beim Walliser Modehändler Bayard.
Luxus und Marken erhalten mehr Gewicht
Vom einstigen Globus-Kosmos waren jetzt nur noch die Warenhäuser übrig. Seit die Thailänder und der Tiroler das Sagen haben, hat sich auch der Geist von Globus gewandelt. Die Frage, was ein Warenhaus ist, beantworten die neuen Eigner anders als die Migros, ganz zu schweigen von den alten Globus-Besitzern.
Statt auf den Schweizer Mittelstand richteten sich die Häuser in den letzten Jahren stärker auf eine gehobenere Klientel aus. Heute haben bei Globus internationale Marken ein grösseres Gewicht und beeinflussen die Präsentation in den Läden, insbesondere in Zürich.
Früher stand die akribische Abstimmung des Sortiments für ein perfektes Gesamtbild über alle Bereiche hinweg im Vordergrund. Dazu gehörten die Länderaktionen. Seit Mitte der 1950er Jahre waren diese für Globus ein Mittel, um Kunden Produkte aus exotischen Ländern (Indien) oder näherliegenden Destinationen (Italien) näherzubringen. Die aufwendig – und teuer – gestalteten Auftritte waren ein wichtiges Marketinginstrument.
Als schweizweit wegweisend für die Warenhausgestaltung galt der 1967 eröffnete Neubau für das Globus-Hauptgeschäft an der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Architektur machte die Inszenierung von sogenannten Erlebniswelten möglich. Nun liegt es ganz an der Central Group, diese Bühne optimal zu bespielen.