Unqualifizierte Prüfer, Mitarbeiterbefragungen unter staatlicher Aufsicht, nicht eingehaltene Standards: Bei der Untersuchung zu den Praktiken im VW-Werk in der Uiguren-Provinz Xinjiang ging offenbar nicht alles mit rechten Dingen zu.
Der Volkswagen-Konzern schien sich seiner Sache sehr sicher, als er im vergangenen Dezember die Ergebnisse einer internen Prüfung der Praktiken in seiner Fabrik in der chinesischen Provinz Xinjiang vorlegte. Man habe «keine Hinweise auf den Einsatz von Zwangsarbeit gefunden», erklärten die Wolfsburger damals stolz. Jetzt zeigt sich, dass VW seine Erkenntnisse auf eine Untersuchung stützte, die gravierende Mängel aufweist.
So behauptete das Unternehmen, die Prüfung im VW-Werk in Xinjiang auf der Grundlage des Standards SA8000 der International Labor Organization vorgenommen zu haben. Der Abschlussbericht der Untersuchung zeigt allerdings, dass die Prüfer der beauftragten Kanzlei Guangdong Liangma Law kritische Aspekte des SA8000-Standards nicht beachteten. Ausserdem befragten die Prüfer ausschliesslich Manager zum möglichen Einsatz von Zwangsarbeitern in dem VW-Werk. Arbeiter in den Werkshallen wurden von den Liangma-Prüfern nicht angehört.
Interviews per Live Stream übertragen
Die Interviews wurden per Live Stream in die Liangma-Büros übertragen. Dies ermöglichte es dem chinesischen Staat, den Gesprächen zu folgen. Die Anonymität der Befragten war nicht garantiert.
Volkswagen betreibt in Xinjiangs Provinzhauptstadt Urumqi seit 2013 ein Werk. Derzeit beschäftigt der Konzern in der Fabrik noch 197 Mitarbeiter, die im Wesentlichen die Qualitätskontrolle von aus Schanghai angelieferten Autos erledigen.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen hielt China zwischen 2017 und 2019 in Xinjiang zeitweise zwischen einer und zwei Millionen ethnische Uiguren gefangen. Augenzeugen berichteten über Misshandlungen, Vergewaltigungen und Zwangsabtreibungen. Auch soll es in Xinjiang verbreitet zum Einsatz von Zwangsarbeitern gekommen sein.
Der Abschlussbericht der VW-Prüfung wurde im August der Organisation Campaign for the Uyghurs zugespielt. Diese trat mit den Unterlagen an den in den USA lebenden Experten Adrian Zenz heran. Zenz hat intensiv zu den Missständen in Xinjiang geforscht. Die Zeitung «Financial Times», der «Spiegel» und das ZDF berichteten zuerst über den geleakten Bericht.
Bei der Auswahl der Kanzlei nicht genau hingeschaut
Wie schlampig Volkswagen bei der Untersuchung der Praktiken im Werk in Urumqi vorging, zeigt bereits die Auswahl der Kanzlei. Zunächst beauftragte das Unternehmen die Berliner Beratungsgesellschaft Löning. Diese setzte daraufhin die Kanzlei Guangdong Liangma Law ein. Wie sich jetzt herausstellte, unterhält die Kanzlei Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas.
Mindestens einem der Prüfer fehlten offensichtlich auch die nötigen Qualifikationen. Clive Greenwood trat kurz vor Beginn der Untersuchung bei Guangdong Liangma Law ein. Der Brite hatte in der Vergangenheit in der ostchinesischen Stadt Suzhou jahrelang eine Bar für Expats betrieben.
Später unterhielt er in Birmingham einen Pub mit dem Namen The Lad in the Lane. Greenwood kehrte 2020 nach China zurück und gründete eine Firma, die sich auf Qualitäts-Audits bei europäischen KMU spezialisierte. Die Linkedin-Posts zu Greenwoods Vergangenheit sind inzwischen gelöscht.
Die KP redet immer mit
Das Debakel rund um die VW-Untersuchung zeigt, wie schwierig es in China ist, wirklich unabhängige Prüfungen vorzunehmen. Letztlich reden die Behörden – und damit die KP – bei jedem einzelnen Schritt mit. Wenig verwunderlich erklärte Greenwood öffentlich, Untersuchungen auf der Grundlage des Standards SA8000 seien in China wertlos.
VW betreibt das Werk in Xinjiang gemeinsam mit dem staatlichen Autobauer SAIC. Dieser wird letztlich von der KP gesteuert. SAIC ist ebenfalls Partner bei VWs Joint Venture in Schanghai. Die Deutschen würden am liebsten aus dem Werk in Urumqi aussteigen. Das Problem: SAIC spielt nicht mit.