«Wir brauchen mehr Snoop Dogg in der Sportberichterstattung» – der Rapper ist Olympias liebstes Maskottchen

Er trägt die olympische Fackel, fährt bei der Eröffnungsfeier auf dem Boot mit den US-Athleten mit, feiert amerikanische Medaillengewinne auf den Rängen, tritt zur besten Sendezeit beim TV-Sender NBC in Erscheinung: Der amerikanische Rapper Snoop Dogg ist bei den Olympischen Spielen in Paris omnipräsent.

Wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier am vergangenen Freitag war er einer der letzten olympischen Fackelträger. Mathieu Hanotin, der Bürgermeister von Saint-Denis, hatte ihn eingeladen. Mit goldenen Turnschuhen und weissem Outfit trug Snoop Dogg die Fackel einige hundert Meter durch den Pariser Vorort. Rundherum jubelten ihm Menschen zu, und der Rapper legte ein Tänzchen hin.

Später sprach Snoop Dogg von einer besonderen Ehre. Der Moment erinnere ihn an 1996, als Muhammad Ali das olympische Feuer in Atlanta entzündete. Er ist zwar kein Sportexperte, aber ein grosser Fan der Olympischen Spiele. «Ich bin damit aufgewachsen, Olympia zu gucken, und freue mich darauf, diesen unglaublichen Athletinnen und Athleten bei ihren Bestleistungen zuzusehen», sagte er im Januar, als er bekanntgab, dass er die Sportveranstaltung für das amerikanische Fernsehen begleiten wird.

Einst Rapper, jetzt Entertainer

Calvin Cordozar Broadus Jr., wie Snoop Dogg mit bürgerlichem Namen heisst, ist einer der berühmtesten Rapper der Welt. Der 52-Jährige hat in den vergangenen 30 Jahren über 100 Millionen Tonträger verkauft und prägte Anfang der 1990er Jahre den G-Funk, einen Hip-Hop-Stil von der Westküste der USA, der sich bei verschiedenen Genres wie Soul oder Funk bediente. Seine Songs zeichnen sich durch melodische Töne aus und handeln von Drogen, Sex und der Selbstinszenierung als «Pimp».

Die Musik ist aber schon länger nicht mehr seine erste Priorität. In den letzten Jahren war Snoop Dogg vermehrt als Unternehmer, Schauspieler und Entertainer tätig. Besonders als Letzteres tat er sich hervor. Ob in der Talkshow von Jimmy Kimmel, wo er auf amüsante Weise Tierdokus kommentierte, oder wenn er zusammen mit Martha Stewart – «Amerikas bester Hausfrau» – eine Kochshow moderierte: Er nimmt sich nie ernst und ist damit erfolgreich.

Nun ist Snoop Dogg Sportreporter. Für den amerikanischen Sender NBC ist er als «Sonderkorrespondent» in Paris im Einsatz und tritt regelmässig zur besten Sendezeit auf. Er spricht vor Ort mit den US-Athleten sowie deren Familien und erkundet Paris. Dafür braucht es keine Expertise, Snoop Dogg soll unterhalten und dem Publikum «seine einzigartige Sicht auf das Geschehen in Paris vermitteln». So auch am vergangenen Samstag, als er zusammen mit der Ehefrau des US-Schwimmers Caeleb Dressel dessen Goldmedaille in der Staffel feierte.

Olympiaquoten auf Rekordtief

Egal, wo der Rapper in Paris aufkreuzt, die Kameras sind auf ihn gerichtet. NBC will mit Snoop Dogg die schlechten TV-Quoten retten. Mit seiner lockeren Art soll er die Amerikaner wieder für Olympia begeistern. Denn obwohl die USA an Olympischen Spielen stets zu den stärksten Nationen gehören und mit einem der grössten Aufgebote an Athleten anreisen, nimmt das Interesse der Zuschauer stetig ab.

NBC besitzt seit 1988 die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele in den USA. Die Einschaltquoten befanden sich nach den Spielen 2021 in Japan in einem historischen Tief. Schalteten zu Olympia 2012 in London zur besten Sendezeit durchschnittlich 31,1 Millionen Zuschauer ein, waren es vor drei Jahren in Tokio nur noch durchschnittlich 15,5 Millionen, wie der Sender mitteilte. Die Verantwortlichen von NBC nannten die Corona-Pandemie sowie die für Amerikaner ungünstige Zeitzone als Gründe.

Vor allem das jüngere Publikum ist in den vergangenen Jahren abgewandert. NBC versucht sich darum seit Jahren mit digitalen Inhalten sowie Streams und produziert Inhalte für Snapchat. Und auf diesen Kanälen will der Sender mit Snoop Dogg nun auch wieder jüngere Generationen erreichen. Und das funktioniert. Ob er nun im Simone-Biles-Shirt die amerikanischen Kunstturnerinnen anfeuert, bei Michael Phelps Schwimmunterricht nimmt, die US-Beachvolleyballerinnen interviewt oder ein Badminton-Spiel kommentiert: Die Fans feiern seine Auftritte in den sozialen Netzwerken. «Wir brauchen mehr Snoop in der Sportberichterstattung» ist nur einer von vielen Kommentaren.

Snoop Dogg schafft Verbundenheit

Der Rapper hatte bereits bei den Spielen vor drei Jahren eine kleine Rolle bei der Berichterstattung eingenommen. Zusammen mit dem Komiker Kevin Hart moderierte er eine Show auf dem Streaming-Portal Peacock, das zum NBC-Unternehmen gehört. In der Sendung fassten die beiden einzelne Wettbewerbe zusammen und kommentierten sie mit witzigen Sprüchen.

Besonders ein Kommentar von Snoop Dogg zum Dressurwettbewerb ging viral. Er verglich den schrägen Trab eines Pferdes mit dem «Crip-Walk», einem Tanz aus der Hip-Hop-Szene, der nach der berüchtigten Strassengang aus dem Westen der USA benannt ist.

Laut Molly Solomon, der ausführenden Olympiaproduzentin bei NBC, ist Snoop bei den Zuschauern gut angekommen. «Uns wurde dadurch klar, dass Comedy und Humor fester Bestandteil einer Primetime-Show sein sollten.» Snoop Dogg, der auch schon Baseball- oder Eishockeyspiele kommentiert hat, nennt für seine Beliebtheit einen simplen Grund: Was er sage, sei echt. «Es ist, als ob dein Onkel oder dein Vater das Spiel auf die gleiche Weise wie ich sieht, gleich spricht und du dich verbunden fühlst.»

«Die neue Stimme des Volkes»

Die Zusammenarbeit zahlt sich für beide Seiten aus. Für NBC ist der Rapper ein Quotengarant und in Paris der passende Botschafter, um die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles zu bewerben. Snoop Dogg stammt aus Long Beach. Dort sollen in vier Jahren unter anderem die Triathlon-, Ruder- und Kanuwettkämpfe stattfinden.

Für Snoop Dogg ist die neue TV-Rolle der definitive Abschluss einer Transformation. Vom einstigen Gangsta-Rapper, der den Konsum von Marihuana zelebriert, hat er sich zu einer vielseitigen und fröhlichen TV-Persönlichkeit entwickelt. Marihuana konsumiert er zwar immer noch, doch das stört niemanden mehr. Mittlerweile hat der Rapper zwölf Enkel, ist massentauglich und gilt als amerikanisches Kulturgut. «Die Leute legen Wert darauf, dass ich ich selbst bin. Sie wollen nicht, dass ich irgendetwas verwässere oder jemand bin, der ich nicht bin. Sie wollen Snoop Dogg», sagte er vor einigen Monaten in einem Interview. Oder wie die «New York Times» schreibt: «Snoop Dogg ist die neue Stimme des Volkes.»