Für die Suizidhilfe hat die Schweiz bisher sehr schlanke und liberale Regeln. Und das solle auch so bleiben, findet Justizminister Beat Jans.
Eine vertiefte politische Debatte zur Sterbehilfe? Fand in der Schweiz jahrelang nicht statt. Man hatte sich darauf geeinigt, dass die geltenden Regeln schon in Ordnung seien. Und es entsprechend keinen Grund gebe, daran etwas zu ändern.
Doch dann kam der australische Aktivist Philip Nitschke mit seinem Sarco. Seit der Ankündigung, dass in der Schweiz Personen in der Sterbekapsel Suizid begehen sollen, herrscht Aufregung – und diese wurde noch grösser, nachdem am 23. September tatsächlich eine Amerikanerin im Sarco gestorben war.
Schon früh hatten Schweizer Sterbehilfeorganisationen davor gewarnt, dass im Zusammenhang mit der Kontroverse um den Sarco Forderungen nach einer strengeren Regelung dieses ethisch heiklen Bereichs aufkommen könnten. Diese Befürchtung teilt offensichtlich der grünliberale Zürcher Nationalrat Patrick Hässig.
Bedürfnis nach Sterbehilfe
Wenige Tage nach der Sarco-Premiere schrieb er in einer Interpellation: Forderungen nach einem Verbot des Sarco, aber auch nach einem generellen Verbot der Sterbehilfe, stünden im Widerspruch zu einer gesellschaftsliberalen Werteordnung, die jedem Individuum das Recht auf Selbstbestimmung zugestehe.
Es gebe offensichtlich ein Bedürfnis nach Sterbehilfe in der Schweizer Bevölkerung – und Anbieter, die darauf reagieren würden, betonte Hässig. «Deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie wir rechtliche Rahmenbedingungen schaffen können, die es ermöglichen, auf legale, ethische und moralisch respektvolle Weise den Freitod zu wählen – auch unter Nutzung von Sterbehilfeorganisationen oder Angeboten wie ‹Sarco›.»
Hässig wollte deshalb vom Bundesrat wissen, was dieser von einem neuen gesetzlichen Rahmen halte. Nun hat das zuständige Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) von SP-Bundesrat Beat Jans geantwortet. Und macht klar: Die Regierung sehe «keine Veranlassung für zusätzliche gesetzliche Regelungen, namentlich ein nationales Suizidhilfegesetz». Sie bekräftigt damit einen Entscheid von 2011. Dieser sah auch vor, die Suizidprävention und Palliative Care zu fördern.
Nur wenige Leitplanken
Aus Sicht des Bundesrates reicht die aktuelle Regelung, die nur wenige Leitplanken aufstellt. Die direkte aktive Sterbehilfe – also dass etwa ein Arzt einem Patienten ein tödliches Mittel verabreicht – ist hierzulande verboten. Die Freitodbegleitung hingegen ist erlaubt, sofern sie nicht aus selbstsüchtigen Gründen erfolgt. Dies unabhängig davon, ob es sich um herkömmliche Methoden der Suizidhilfe handelt – oder um neue wie den Sarco.
Die Schaffhauser Staatsanwaltschaft hegt offenbar den Verdacht, dass die Betreiber der Suizidkapsel selbstsüchtige Motive haben könnten. Das ist einer der Gründe, warum der Direktor der Schweizer Sarco-Organisation, Florian Willet, immer noch in Untersuchungshaft sitzt.
Der rechtliche Rahmen sei heute «deutlich, aber auch ausreichend offen gesteckt, um der liberalen Haltung der Schweiz gegenüber der Suizidhilfe Rechnung zu tragen», schreibt das EJPD. Ausserdem ermögliche dieser unter Einbezug der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, der Betroffenen sowie der Begleitenden und der Angehörigen, zwischen legalem und illegalem Handeln zu unterscheiden.
Skepsis bei Baume-Schneider
Was das in Bezug auf den Sarco bedeutet, führt das EPJD nicht aus. Die Vorsteherin des Innendepartements, Elisabeth Baume-Schneider, hatte sich im September ablehnend zur Kapsel geäussert – pikanterweise ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als der Sarco erstmals zum Einsatz kam.
Dieser sei in zweierlei Hinsicht nicht rechtskonform, betonte die Bundesrätin damals. Er erfülle zum einen die Anforderungen des Produktesicherheitsrechts nicht und dürfe daher nicht in Verkehr gebracht werden. Zum anderen sei die Verwendung von Stickstoff zur Tötung einer Person mit dem Zweckartikel des Chemikaliengesetzes nicht vereinbar.
Ob Baume-Schneider bereit ist, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen, wird sich bald zeigen: nämlich dann, wenn der Bundesrat Stellung bezieht zu einem weiteren Vorstoss zum Sarco. Eingereicht hat diesen die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel. Sie verlangt vom Bundesrat eine Gesetzesbestimmung, mit der weitere Einsätze des Sarcos gezielt verboten werden können.