Personalvermittler sprechen von einem Affront und prüfen rechtliche Schritte.
Viele Zürcher Spitäler sind am Limit. Die meisten haben in den letzten Jahren Defizite geschrieben. Das Kinderspital und das Unispital mussten staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und das Spital Wetzikon kämpft gar ums Überleben. So unterschiedlich die Probleme im Einzelnen sind, eine Sache beklagen alle: steigende Ausgaben.
Am stärksten ins Gewicht fallen die Personalkosten. Da der Markt bei den Pflegekräften seit Jahren ausgetrocknet ist, geben die Spitäler immer mehr Geld aus, um an die begehrten Fachkräfte zu kommen. Da viele die Lücken trotzdem nicht stopfen können, müssen sie zu Temporärkräften greifen. Doch die kosten mehr als Festangestellte – die Spitäler sprechen von 20 bis 40 Prozent – und sind mit den internen Abläufen weniger vertraut.
Die Spitäler haben in den letzten Jahren allerhand versucht, um die Zahl der Temporären zu verringern: die Wochenarbeitszeit verkürzen (bei gleichem Lohn), den Festangestellten mehr Flexibilität bieten oder höhere Gehälter bezahlen. Mit unterschiedlichem Erfolg.
Spitalverband: «Der Zusammenhalt leidet»
Nun hat sich der Verband der Zürcher Krankenhäuser zu einem verblüffenden Schritt entschieden. Seine Mitglieder, zu denen alle grossen Zürcher Spitäler zählen, wollen ab diesem Sommer komplett auf temporäres Pflegepersonal verzichten. Dies teilte der Verband am Donnerstag mit.
Nicht allein wegen der Kosten. Die inzwischen hohe Zahl an Temporären sei eine Belastung für die Teams. «Der Zusammenhalt leidet», sagt Ronald Alder, Sprecher des Spitalverbands. Zudem verursachten die Temporären zusätzlichen Aufwand, weil man sie erst im Betrieb einarbeiten müsse. Die vielen Personalwechsel seien auch der Behandlungsqualität abträglich. Und nicht zuletzt fehle es zunehmend an Personal, das Lernende ausbilde. Temporäre übernähmen solche Aufgaben nicht.
«All diese Probleme haben sich in der letzten Zeit akzentuiert, deshalb haben wir uns entschieden, ein Zeichen zu setzen», sagt Alder. Es soll auch ein Zeichen an die Vermittlungsfirmen sein, die zum Teil aggressiv aufgetreten seien und den Spitälern Festangestellte abgeworben hätten – mit der Aussicht, sich künftig für einen höheren Lohn und zu flexibleren Bedingungen anstellen lassen zu können.
Darum hätten sich die Spitäler nun gemeinsam das Ziel gesetzt, künftig ohne Temporäre auszukommen. Verpflichtend ist das für die einzelnen Institutionen nicht. Aber positive Beispiele in einzelnen Betrieben hätten gezeigt, dass das Ziel erreichbar sei. So ist es dem Spital Bülach mit einem flexibleren Anstellungsmodell gelungen, die Zahl der Temporären drastisch zu senken.
Der Entscheid der Spitäler kommt auch bei der Gesundheitsdirektion gut an. Deren Direktorin Natalie Rickli lässt sich in der Medienmitteilung wie folgt zitieren: «In letzter Zeit hat sich die Temporärarbeit zu einem Trend entwickelt, der den Spitälern zunehmend schadet.» Festanstellungen verbesserten die Versorgungsqualität und die Teamzufriedenheit und kämen damit direkt den Patientinnen und Patienten zugute.
Branchenverband: «Rechtlich kaum haltbar»
Weniger begeistert sind jene Firmen, die temporäre Pflegekräfte vermitteln. Eine der bekanntesten von ihnen ist die Careanesth AG, die seit 25 Jahren in diesem Geschäft tätig ist. «Die Behauptung, temporäre Mitarbeitende würden schlechter arbeiten als interne Mitarbeitende, ist ein Affront gegenüber den hoch qualifizierten Fachkräften, die wir den Institutionen tagtäglich zur Verfügung stellen.» Das schreibt die Firma in einer Stellungnahme.
Die geplante Massnahme treibe einen unnötigen Keil zwischen «Festangestellte» und «Temporäre». Zudem würden die Mehrkosten übertrieben dargestellt. So habe eine Erhebung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ergeben, dass die Temporären nur 5 bis 10 Prozent teurer seien. Würden sie richtig eingesetzt, könnten sie gar zu Kosteneinsparungen führen.
Ähnlich sieht es auch der Branchenverband Swissstaffing. Er hält den Entscheid der Spitäler für verfehlt: «Auf Temporärarbeit zu verzichten, würde den Fachkräftemangel weiter verschärfen und insbesondere im Fall situativer Personalengpässe auch das Wohl der Patientinnen und Patienten gefährden.» Falle die Option der Temporärarbeit weg, bestehe die Gefahr, dass ein Teil des Pflegepersonals den Beruf ganz verlasse.
Swissstaffing will es nicht allein bei der Kritik belassen. Man werde die Absprache unter den Spitälern rechtlich prüfen lassen. Der vom Spitalverband gewählte Ansatz erscheine vor dem Hintergrund der Wirtschaftsfreiheit und unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten kaum haltbar.