Freitag, November 22

Der politische Brandstifter aus Florida hätte einen der wichtigsten Regierungsposten übernehmen sollen – doch ein Sexskandal bringt ihn zu Fall. Angesichts des Widerstands in seiner eigenen Partei hat Matt Gaetz seine Kandidatur für das Amt zurückgezogen.

Es ist erst eine Woche her, als Donald Trump auf einem Flug zwischen Washington und Florida die zündende Idee hatte, den 42-jährigen Abgeordneten Matt Gaetz zu seinem Justizminister zu ernennen. Offenbar traf er die Entscheidung spontan, im Beisein einer seiner Anwälte, ohne sie vorher mit seinem Transitions-Team zu diskutieren. Seine Kampagnenführerin und künftige Stabschefin Susie Wiles solle ahnungslos in einer anderen Kabine des Flugzeugs gesessen haben, berichten Medien.

Doch bereits eine Woche später ist Gaetz Traum von einem Platz am Kabinettstisch im Weissen Haus vorbei. Unter dem Druck von Enthüllungen über sein Privatleben erklärte er am Donnerstag, er ziehe sich aus dem Bestätigungsverfahren zurück. Offensichtlich war er im Gespräch mit Parteikollegen im Senat zur Einsicht gelangt, dass er die notwendige Mehrheit in der kleinen Kammer des Kongresses nicht überwinden würde.

Ein Troll auf dem Capitol-Hügel

Vergangene Woche war die Nomination von Gaetz in Washington wie eine Bombe eingeschlagen. Als die Neuigkeit das Repräsentantenhaus erreichte, war im Sitzungssaal ein schockiertes Stöhnen zu hören, und nicht nur aus den linken Sitzreihen.

Seit seiner Wahl in den Kongress 2016 spielte Gaetz den Troll, auch in der eigenen Fraktion. Er verfolgte das Prinzip Chaos, wie der «New Yorker» in einem Porträt titelt. Gemässigte Republikaner verhöhnte er, und schliesslich brachte er, zusammen mit andern Rechtsaussen-Revoluzzern, den Minderheitsführer der Republikaner, Kevin McCarthy, zu Fall. Einmal stürmte Gaetz mit einer Gasmaske die geschlossene Sitzung einer Kommission, der er nicht angehörte. Ein anderes Mal stimmte er gegen ein Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels, als einziger Parlamentarier auf dem Capitol Hill.

Mit solchen theatralischen Aktionen machte sich Gaetz in der eigenen Fraktion unbeliebt. Aber Donald Trump, dessen bombastisch-konfrontativen Politstil der «Bad Boy» Matt Gaetz kopiert, war angetan vom jungen Rabauken mit der Elvis-Tolle. So sehr, dass er nun Gaetz zum Justizminister ernannt hat. Einige Republikaner im Kongress machten ihrem Entsetzen öffentlich Luft. «Gaetz hat eine bessere Chance, mit der (verstorbenen) Queen Elizabeth II. zu dinieren, als vom Senat bestätigt zu werden», sagte der Abgeordnete Max Miller. Er sollte recht behalten.

«Ich war . . . überrascht», meinte der republikanische Vorsitzende der Ethikkommission, Michael Guest. Kein Wunder: Er war gerade damit beschäftigt, einen brisanten Ethikbericht über Gaetz fertigzustellen.

Das auffällige Sexleben von Gaetz

Denn auch in seinem Privatleben war Gaetz verhaltensauffällig. Seit 2021 untersucht die Ethikkommission Vorwürfe von Drogenkonsum, Zuhälterei und Sex mit einer Minderjährigen. Mehr als ein Dutzend Zeugen wurden angehört, unter anderem eine Zeugin, die aussagte, sie sei 2017 für Sex mit ihm bezahlt worden und habe gesehen, wie er mit einer 17-jährigen Kollegin Sex gehabt habe. Auch das Justizdepartement ermittelte zwei Jahre gegen Gaetz, stellte aber die Ermittlungen schliesslich ein.

Nach der Nomination von Gaetz zum Justizminister wurden diese Woche Ergebnisse der Ermittlungen an die «New York Times» geleakt. Die Dokumente zeigen ein Netzwerk von Zahlungen von Matt Gaetz und einem Dutzend Bekannten, die sich angeblich an Sexpartys mit sehr jungen Frauen und Drogen vergnügten. Zwei Frauen soll Gaetz je 10 000 Dollar überwiesen haben.

Gaetz streitet sämtliche Vorwürfe ab und nennt diese eine Schmierkampagne. Allerdings wurde sein früherer Partykumpan in Florida, der republikanische Anwalt und ehemalige Steuerermittler Joel Greenberg, vor zwei Jahren zu elf Jahren Haft verurteilt, nachdem er sich des Menschenhandels schuldig erklärt hatte. Er erscheint in den geleakten Dokumenten als zentraler Akteur im Sex-Netzwerk und pflegte mit Gaetz zur fraglichen Zeit enge Beziehungen.

Brisanter Ethikbericht unter Verschluss

Letzte Woche trat Gaetz überraschend von seinem Amt als Kongressabgeordneter zurück – einen Tag bevor der parlamentarische Ethikbericht über ihn hätte publiziert werden sollen. Mit seinem Rücktritt verhinderte er die Veröffentlichung.

Seither schwelte ein Konflikt zwischen den Republikanern der beiden Kongresskammern. Die Republikaner im Repräsentantenhaus wollen den Bericht nicht veröffentlichen. Speaker Mike Johnson, ein loyaler Partner Trumps, sprach von einer «schrecklichen Verletzung des Protokolls», würde der Bericht nach dem Rücktritt eines Kongressabgeordneten herauskommen.

Im Senat, wo die Ernennung von Matt Gaetz zur Abstimmung hätte kommen sollen, war die Stimmung jedoch anders. Mehrere republikanische Senatoren verlangten Einsicht in den Bericht. Auch aus anderen Gründen geriet Bestätigung rasch in Gefahr. Die Republikaner können nicht mehr als drei Stimmen verlieren, um Trumps Nominierungen im Senat zu bestätigen. Da sich rund zehn Republikaner skeptisch geäussert haben, sah es für Gaetz schon Mitte der Woche schlecht aus. Der Kandidat traf zwar Mitglieder des Senats zu Gesprächen und bat sie um eine «faire» Behandlung. Aber offensichtlich war der Widerstand zu gross.

Trumps Taktik und das Ziel

Am Ende steht die Frage im Raum, warum Donald Trump Gaetz zum Justizminister ernannt hatte. Dieser ist in keiner Art und Weise qualifiziert für das wichtige Amt. Er hat zwar Recht studiert, übte aber den Anwaltsberuf nur einige Jahre aus. Sein Ruf war schon vorher dermassen ramponiert, dass Trump wissen musste, welchen Affront er mit der Ernennung anrichtete.

Eine These besagt, dass es ein Ablenkungsmanöver sein könnte, um andere kontroverse Kandidaturen wie Tulsi Gabbard als Geheimdienstkoordinatorin und Pete Hegseth als Verteidigungsminister durch den Senat zu bringen. Tatsache ist, dass Trump mit der Nominierung von Gaetz eine deutliche Duftmarke in Washington gesetzt hat. Regeln und Ethik sind unwichtig, Loyalität bedeutet alles. Trump will die Unabhängigkeit der Institution beenden. Ganz so einfach wird es ihm der Senat aber offensichtlich nicht machen.

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