Die Verteidigungsministerin hat im Bundesrat einen neuen Vorschlag für die stärkere Erhöhung des Armeebudgets lanciert. Die Sache ist zwiespältig.

Könnte man mit gescheiterten Geheimplänen Raketen kaufen, die Schweizer Armee wäre bewaffnet bis an die Zähne. Seit Monaten überschlägt sich die Politik in Bern mit kreativen Ideen, wie und wo der Bund mehr Geld für den Wiederaufbau der Armee beschaffen könnte. Manche sind bereits gescheitert, andere werden noch diskutiert, laufend kommen weitere hinzu.

Der neuste Plan stammt von höchster Stelle: von Bundespräsidentin Viola Amherd, der Chefin des Verteidigungsdepartements (VBS). Sie hat ihn am Mittwoch ihren Bundesratskollegen vorgelegt, in der letzten Sitzung vor den Ferien. Die Begeisterung soll sich in Grenzen gehalten haben, zumal das Kollegium in derselben Sitzung auch über das Budget und den Finanzplan bis 2028 befinden musste.

Das Geld ist knapp, es drohen Defizite. Doch die bürgerlichen Parteien verlangen, dass das Armeebudget stärker und schneller erhöht wird als geplant. Der Bundesrat lässt sich bislang nicht beeindrucken. Auch am Mittwoch hat er darauf verzichtet, die Gelder für die Armee aufzustocken. Laut Informationen der NZZ hatte auch das VBS keinen entsprechenden Antrag eingereicht. Stattdessen hat Amherd ihren neuen 10-Milliarden-Plan präsentiert.

Sie kam damit aber nicht durch. Offiziell lässt der Bundesrat nur verlauten, er habe am Mittwoch darüber diskutiert, «wie die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Armee finanziert werden könne». Amherds Vorschlag wurde jedoch am Donnerstag via «Tages-Anzeiger» publik. Gut informierte Quellen bestätigen die Eckwerte, und obwohl noch Unklarheiten bestehen, ist die Stossrichtung klar.

Wie bei der Eisenbahn

Amherd will die Forderung der bürgerlichen Parteien erfüllen: Damit die Armee dringende Beschaffungen möglichst rasch angehen kann, soll ihr Budget bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erhöht werden – und nicht erst bis 2035, wie dies zurzeit geplant ist. Die Differenz zwischen den beiden Szenarien beträgt kumuliert bis 2030 rund 10 Milliarden Franken.

Woher das Geld kommen soll, das ist die grosse Preisfrage. Eine Mitte-links-Allianz wollte die Mittel «auf Pump» finanzieren, mit neuen Schulden, ist damit aber gescheitert; eine überparteiliche Gruppe im Ständerat will stattdessen die Mehrwertsteuer für die Armee erhöhen.

Viola Amherd schlägt eine Art Mittelweg vor: keine höheren Steuern, dafür höhere Schulden, aber nur vorübergehend. Sie will die Milliarden über einen neuen Spezialfonds finanzieren, der zuerst Schulden machen darf, sie später aber zurückzahlen muss. Damit würde man zwar die Schuldenbremse aushebeln, aber «nur» vorübergehend. Das ist im Prinzip erlaubt, sofern die Absicherungen wasserdicht sind. Vereinzelt gibt es bereits Fonds mit solchen Regeln, etwa für die Eisenbahn oder die Förderung erneuerbarer Energien («Netzzuschlag»). Auch für die Hilfszahlungen an die Ukraine wurde ein solches Konstrukt diskutiert, dann aber verworfen. Und bei der Armee? Wäre hier ein solcher Fonds sinnvoll?

Vielleicht – aber nur, wenn es wirklich um eine vorübergehende Zahlungsspitze geht: Dies ist laut Fachleuten der entscheidende Punkt. Wenn die Armee in den nächsten Jahren grosse Beschaffungen tätigen muss, ihre Ausgaben danach aber wieder sinken – dann könnte ein solcher Fonds sinnvoll sein. In diesem Fall müsste man wohl im Gesetz festlegen, dass zum Beispiel ab 2030 oder 2035 ein fixer Teil des Armeebudgets verbindlich in den Schuldenabbau fliessen muss.

«Da mache ich nicht mit»

Zentral ist der Faktor Zeit. Wann muss die Rückzahlung beginnen? Wie lange darf sie dauern? Je länger die Fristen sind, umso mehr widerspricht ein solcher Fonds dem Geist der Schuldenbremse. Die bestehenden Ausnahmen sind relativ strikt. Der Netzzuschlagsfonds muss seine Schulden innert sieben Jahren zurückzahlen. Bei ausserordentlichen Schulden sind es sechs Jahre. Eine Ausnahme machte das Parlament bei den Corona-Schulden mit einer Frist von zwölf Jahren. Doch hier geht es mit 25 Milliarden auch um eine andere Dimension. Und gerade dieses Beispiel zeigt, wie heikel die nachträgliche Rückzahlung ist. Der Abbau der Corona-Schulden ist gegenüber dem Fahrplan bereits beunruhigend im Rückstand.

Wie viel Zeit würde man dem VBS geben, um die Verschuldung von 10 Milliarden abzustottern? Könnte es sich die Armee leisten, diese Beträge aus dem ordentlichen Budget zu bezahlen, auch wenn es ab 2030 nur noch parallel zum BIP wächst? Und was passiert, wenn es nicht klappt?

«Dieser Plan ist verantwortungslos», sagt der FDP-Ständerat Josef Dittli. Er kennt die Armee als ehemaliger Berufsoffizier von innen. Dittli setzt sich für die Aufstockung des Budgets ein, lehnt aber den Vorschlag der VBS-Chefin ab. «Wie soll das gehen? Woher soll die Armee das Geld nehmen, um die Schuld abzuzahlen? Worauf soll sie verzichten?» Niemand wisse, wie die Sicherheitslage nach 2030 aussehe. Dittli befürchtet ein Dilemma: Entweder könnte die Armee wichtige Ausgaben nicht tätigen – oder die Schuldenbremse würde nachträglich eben doch dauerhaft ausgehebelt. «Da mache ich nicht mit.»

Unerschütterliches Vertrauen

Die Alternative liegt auf dem Tisch: eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Armee, die auch Dittli unterstützt. Damit wäre klar, woher das Geld kommt, eine Neuverschuldung wäre ausgeschlossen – allerdings würde die Steuerbelastung zunehmen und die Wirtschaft gebremst. Auch die Hürden sind grösser. Für die Erhöhung der Mehrwertsteuer braucht es zwingend eine Volksabstimmung, der 10-Milliarden-Fonds unterstünde nur dem fakultativen Referendum.

Der Bundesrat hat sich nicht festgelegt. Offenkundig ist es Amherd nicht gelungen, die SVP- und FDP-Kollegen zu überzeugen. Zu hören ist, das VBS habe die notwendigen Grundlagen für einen Entscheid von dieser Tragweite nicht geliefert. Nun steht Amherd mit leeren Händen da. Sie hat von der Sicherheitskommission des Nationalrats einen Auftrag erhalten: Diese möchte das Armeebudget ebenfalls aufstocken, weiss aber nicht, woher das Geld kommen soll. Also bat sie das VBS in fast schon rührendem Ton, «breit abgestützte Vorschläge für die Kompensation zu präsentieren».

Breit abgestützt? In diesem Dossier? Das Vertrauen der Kommission in den Bundesrat scheint unerschütterlich zu sein. Es dürfte enttäuscht werden.

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