Die Welt der Uhrmacherei dominieren klassische Designs und vertraute Formen. Doch einige Uhrenhersteller wagen es, den Konventionen den Rücken zu kehren.
Die meisten Uhrenliebhaberinnen und -liebhaber suchen nach klassischen Designs, die Understatement und Eleganz ausdrücken. Doch es gibt auch Zeitmesser auf dem Markt, die aus der Reihe tanzen; mit ungewöhnlichen Formen, exzentrischen Komplikationen und Designs, die auf den ersten Blick wenig mit dem Begriff «Uhr» zu tun haben. In einer Branche, die oft von Tradition geprägt ist, können sie das Auge herausfordern bis provozieren.
«HM4 Thunderbolt» von MB&F
Maximilian Büsser and Friends (MB&F) sind keine Uhrmacher im klassischen Sinne, eher konzeptionelle Künstler. Inspiriert von den massiven Triebwerken eines «A-10 Warthog»-Kampfflugzeugs, verteilt sich der Aufbau des Modells «HM4 Thunderbolt» auf zwei röhrenförmige «Pods», die parallel zueinander liegen: Auf der einen Seite ist darin ein klassisches Zifferblatt zur Zeitanzeige untergebracht, auf der anderen die Gangreserveanzeige für das manuell aufgezogene Uhrwerk. Ein Zeitmesser? Die Bezeichnung scheint nicht auszureichen: Die Genfer Uhrenmanufaktur nennt ihre eigenen Modelle «Horological Machines».
Mit ihrem Design und der handwerklichen Machart ist die «Thunderbolt» nicht primär auf das Gefallen ausgerichtet – und für rund 150 000 Franken richtet sich das Stück eher an Sammlerinnen und Sammler.
Die einzigartige Uhr erlaubt einen Blick auf Uhrzeit und Gangreserve zugleich.
«Crash Skeleton» von Cartier
Die «Crash Skeleton» ist eine der faszinierendsten Uhren – nur schon aufgrund ihrer angeblichen Entstehungsgeschichte: Die Legende besagt, dass eine in den 1960er Jahren zur Reparatur zurückgeschickte Cartier-Uhr das Unternehmen zu diesem Design inspiriert haben soll. Die eingeschickte Uhr sei bei einem Autounfall stark deformiert worden.
Die «Crash Skeleton» von Cartier erinnert an ein Gemälde des Surrealismus.
Heute kombiniert Cartier dieses ungewöhnliche Design mit dem speziell entwickelten Kaliber «9618 MC», das wie das Gehäuse selbst skelettiert und an die verformte Silhouette angepasst ist. Mit 28,15 mm Gehäusebreite und einer Dicke von nur 9,2 mm ist die «Crash» zwar schlank, fällt aber aufgrund der unkonventionellen Form am Handgelenk dennoch auf.
«Astronomia Solar Zodiac» von Jacob & Co.
Die «Astronomia» sieht aus, als hätte Jacob & Co. ein Miniplanetarium für das Handgelenk gebaut. Im Zentrum thront eine 288-fach facettierte «Sonne», während um sie herum kleine Planeten rotieren, gefertigt aus verschiedenen farbigen Edelsteinen: Rhodonit für die Venus, Lapislazuli für den Neptun, und der Saturn hat einen Ring aus 18 Karat Roségold erhalten. Unter all dem bildet ein Himmel aus Aventurin-Quarz die Kulisse für das mechanische Sonnensystem.
Das Uhrwerk ist dabei so aussergewöhnlich wie das Design: ein dreidimensionales Kaliber mit drehenden Satelliten, einem doppelt gelagerten Tourbillon und einer Achse, die sich in zehn Minuten einmal um sich selbst dreht. Ob man in dieser astronomischen Show der amerikanischen Marke die Zeit wirklich ablesen kann, sei dahingestellt – man dürfte sich im Anblick dieser imposanten Mechanik schnell verlieren.
«UR-112 Aggregat Odyssey» von Urwerk
Weniger elegant, dafür wie ein Raumschiff aus der Zukunft wirkt die «UR-112» des Schweizer Herstellers Urwerk. Das Gehäuse besteht aus geriffeltem Stahl und satiniertem Titan. Auf Knopfdruck öffnet sich die Abdeckung, die die digitale Sekundenanzeige und die Gangreserve freigibt. Statt klassischer Zeiger setzt die Marke auf springende Stunden und schleppende Minuten, die auf rotierenden Prismen unter zwei Saphirglasfenstern angezeigt werden. Im Inneren arbeitet das Kaliber «UR-13.01».
Von der geringen Stückzahl – gerade einmal fünf Exemplare wurden davon angefertigt – bis zur Komplexität des Gehäuses zeigt die «UR-112», dass Urwerk ein Design-Statement entworfen hat, das vor allem verblüffen und unterhalten soll.
«Raquel Watch Rings» von Fossil
Eine Uhr für den Finger: Der «Raquel Watch Ring» von Fossil ist mit einem Durchmesser von 15 mm und einer PVD-Beschichtung in Gelbgold Schmuckstück und Zeitmesser in einem. Wie eine Uhr lässt sich der Ring per Faltverschluss öffnen und schliessen, und auf einem runden Zifferblatt wird die Zeit abgelesen.
Dezenter als eine Armbanduhr, auffällig als Ring: die «Ring Watches» von Fossil.
«Heritage Avigation Type A-7 1935» von Longines
Die «Type A-7 1935» von Longines wirkt nicht nur schräg – sie ist es im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Zifferblatt ist um 40 Grad gedreht. Dahinter steckt ein praktischer Gedanke: Piloten in den 1930er Jahren konnten die Zeit so ablesen, ohne ihre Hände vom Steuerhorn nehmen zu müssen.
Gepaart mit klassischen Kathedralzeigern, einer klaren Minuterie und der Vintage-Optik, wirkt die «Type A-7» wie ein Relikt aus früheren Zeiten, aber dennoch ruhig im Design. Das macht sie zu einem passenden Modell für alle, die klassisches Design mit einem Twist schätzen.
«Vendetta X» von Xeric
Auch wenn das angewinkelte, keilförmige Gehäuse der «Vendetta X» eher an den Cybertruck von Tesla erinnert, wurde ihr Design von angesagten Autos aus den 1970er Jahren, wie dem Lamborghini Countach oder James Bonds Lotus Esprit, inspiriert. Unter der «Windschutzscheibe» zeigt eine Wanderstundenkomplikation die Zeit auf rotierenden Scheiben an. Mit 41 mm Breite und 15,4 mm Höhe ist sie so auffällig wie jene Autos aus Vergangenheit und Gegenwart.
Ein angewinkeltes Gehäuse, das an den Cybertruck von Tesla erinnert.
«Reverso Hybris Mechanica Calibre 185 Quadriptyque» von Jaeger-LeCoultre
Jaeger-LeCoultre nennt die «Reverso Hybris Mechanica Calibre 185 Quadriptyque» «die erste Uhr der Welt mit vier Zifferblättern». Auf dem doppelseitigen, drehbaren Gehäuse und der doppelseitigen Bodenplatte verteilen sich insgesamt 11 Komplikationen, darunter ein ewiger Kalender, ein fliegendes Tourbillon, eine Minutenrepetition und eine dreifache Mondphasendarstellung (inklusive Eklipsenanzeige und Supermoon-Berechnung).
Selbst auf dem Gehäuseboden ist eine Mondanzeige – für die, die sich nachts fragen, was gerade auf der Südhalbkugel passiert. Mit einem 51,2 mm langen und 15,15 mm dicken Gehäuse bleibt die Uhr dennoch überraschend tragbar.
«Tread 2» von Devon Works
Die «Tread 2» ist ein technischer Hingucker – ob das ein Geniestreich oder eine Spielerei ist, bleibt Ansichtssache. Statt auf klassische Uhrmacherkunst setzt die amerikanische Marke Devon Works auf elektronische Bänder, die Stunden und Minuten anzeigen, wie bei einem alten Flip-Clock-Wecker. Ein batteriebetriebenes System treibt die Bänder an.
Optisch erinnert die «Tread 2» an die Designsprache von Richard Mille, ihre Grösse von 42×44 mm macht sie dementsprechend zu einem korpulenten Zeitmesser.
«Bugatti Chiron Tourbillon» von Jacob & Co.
Entsprungen aus einer offiziellen Kollaboration zwischen Bugatti und Jacob & Co., orientiert sich die «Bugatti Chiron Tourbillon» mit ihren geschwungenen Linien, der markanten Hufeisenform und den «Scheinwerfern» aus Saphirglas am Design des berühmten Sportwagens «Chiron» von Bugatti. Im Inneren arbeitet ein Miniatur-W16-Motorblock, dessen 16 Zylinder auf Knopfdruck anspringen und ihre kleinen Kolben in Bewegung setzen.
Auch technisch dreht Jacob & Co. mit dem Kaliber «JCAM37» auf: Ein fliegendes Tourbillon, schockabsorbierende Spiralfedern und ein Gehäuse, das durch sieben Saphirglasfenster nahezu vollständig transparent ist, zeichnet dieses aus.