Der Vorsteher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne spricht von einer «Salamitaktik» und sieht gar die Zukunft des Landes in Gefahr. Auch sein Kollege von der ETH Zürich geht in die Offensive.
2,5 Milliarden Franken – so viel fehlt dem Bund gemäss aktueller Planung schon ab nächstem Jahr für ein ausgeglichenes Budget. Vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat deshalb Vorentscheide getroffen, die fürs Budget 2025 Entlastungen von insgesamt 2 Milliarden Franken bringen sollen.
Die grösste Einsparung soll dadurch erfolgen, dass für die Ausgaben für die Ukraine-Flüchtlinge weiterhin die Ausserordentlichkeit geltend gemacht wird. Es ist dies ein buchhalterischer Trick, damit die Schuldenbremse nicht greift.
Doch dieser Posten reicht noch längst nicht, der Bundesrat will unter anderem auch den Beitrag an die Eidgenössischen Technischen Hochschulen einmalig um 100 Millionen Franken kürzen. Er weist darauf hin, dass die ETH über Reserven von 1,4 Milliarden Franken verfügten und ihre Aufgabenerfüllung «nicht gefährdet» sei.
Reserven sind «nicht zum Spass»
Die Adressaten der dicken Post sehen dies naturgemäss anders. «Aus Sicht der Schweiz ist das ein Fehler», sagt Martin Vetterli, Präsident der ETH Lausanne (EPFL), dem Westschweizer Radio RTS. Besonders erbost ist er über den bundesrätlichen Verweis auf die Milliardenreserve. «Das ist nicht Geld, das wir einfach so zum Spass zurückhalten», sagt er. Die Mittel seien an konkrete Projekte gebunden und teilweise fix budgetiert, notabene für Infrastrukturmassnahmen.
So habe man, in «guter unternehmerischer Manier», eine langfristige Planung gemacht, um nicht ausschliesslich vom jeweils vierjährigen Leistungsauftrag abhängig zu sein. Ende 2030 seien die Reserven gemäss heutigem Wissensstand «praktisch aufgebraucht».
Die EPFL erstellt derzeit einen Neubau, weil sie an Kapazitätsgrenzen stösst. Er soll 1500 Studenten Platz bieten und 70 Millionen Franken kosten. Ein weiteres Gebäude – das «Advanced Science Building», in dem sich der Einfluss von Erschütterungen, Magnetfeldern und Temperatur besser kontrollieren liesse – ist zurzeit in Planung. Auch dieses würde wohl mehrere Dutzend Millionen Franken verschlingen.
Kein Stellenabbau geplant
Was würde der 100-Millionen-Schnitt denn konkret bedeuten? Investitionen könnten nicht getätigt und geplante Projekte nicht ausgeführt werden, sagt Vetterli. Man werde das fehlende Geld im gesamten ETH-Bereich spüren. Ein Stellenabbau sei nicht vorgesehen, da man eingegangene Verpflichtungen einhalten wolle.
Wenn es so weitergehe, seien «drastische Massnahmen» aber unumgänglich. Vetterli spricht von einer «Salamitaktik» des Bundes – bereits vergangenen Frühling hatte er für den ETH-Bereich eine Beitragskürzung von 70 Millionen Franken (oder 2 Prozent des Budgets) in Aussicht gestellt.
Private Partnerschaft als Eigengoal?
Wie aus dem Umfeld der ETH zu vernehmen ist, ist man über die langfristige Entwicklung besorgter als über die einmalige Kürzung von 100 Millionen. Denn aufgrund der äusseren Umstände – Zunahme der Studenten, vertraglich vorgegebene Lohnerhöhungen, Grundlagenforschung in neuen Bereichen – ist mit einem weiteren Ausgabenwachstum zu rechnen.
Intern ist deshalb nicht nur gut angekommen, dass die ETH Zürich im Dezember eine Partnerschaft mit der Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz angekündigt hat, die für KI-Forschung mutmasslich mehrere hundert Millionen Franken in Aussicht stellt. Die Befürchtung: Der Öffentlichkeit und dem Bund werde damit suggeriert, dass man sich über private Geldgeber schon zu helfen wisse, wenn nur der Spardruck genügend gross sei.
Irgendwo muss der Bund sparen
Es dürfte in der Öffentlichkeit nicht überall goutiert werden, dass die Hochschulen nun aufmucken. Irgendwo muss der Bund ja sparen – und im internationalen Vergleich sind die ETH auch mit drohenden Budgetkürzungen immer noch gut aufgestellt.
Für Vetterli ist diese Lesart aber verkürzt. «Wir sprechen nicht einfach von Forschung. Sondern von Investitionen in Jobs mit hoher Wertschöpfung, auf die die Schweizer Wirtschaft angewiesen ist.» Es gehe um nicht weniger als «die Zukunft des Landes», so der EPFL-Präsident.
Dass der Verteilkampf um Bundesgelder mitunter über die Medien ausgetragen wird, gehört zum bekannten Spiel. So hat auch der ETHZ-Präsident Joël Mesot dem Vernehmen nach demnächst einen grösseren Radioauftritt geplant, diesmal bei SRF. Der Mann, der in Bundesbern voraussichtlich von Amtes wegen versuchen wird, die Gelder zu «behalten», ist freilich der Chef der beiden: Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rates.