Unter Sheikh Hasina übernahmen Komplizen mit Waffengewalt und mithilfe des Militärgeheimdienstes die Banken. Der neue Zentralbankchef versucht nun, einen Teil des Geldes zurückzuholen.
Der grösste Bankraub der Welt – so hat Bangladeshs Zentralbankchef bezeichnet, was in den letzten Jahren unter Premierministerin Sheikh Hasina in Bangladeshs Bankensektor passiert ist. Knapp 17 Milliarden Dollar hätten Geschäftsleute aus Hasinas Umfeld aus den Banken abgezogen und ins Ausland transferiert, sagte Ahsan Mansur am Montag in einem Interview mit der «Financial Times». Diese Plünderung der Banken sei beispiellos im internationalen Vergleich. Ohne staatliche Beteiligung hätte dies niemals passieren können.
Mansur war nach dem Sturz von Sheikh Hasina am 5. August vom Übergangsregierungschef Muhammad Yunus zum Gouverneur der Zentralbank ernannt worden. Unter seiner Ägide hat sich die Zentralbank darangemacht, im Bankensektor aufzuräumen. Die Vorstände einer ganzen Reihe von Banken wurden ausgetauscht, nachdem ihre Institute wegen fauler Kredite in Schieflage geraten waren. Im Fokus standen dabei insbesondere die Banken der S.-Alam-Gruppe.
Der Konzern von Mohammad Saiful Alam hatte nach Hasinas Amtsantritt 2009 nach und nach sieben Banken übernommen. Mansur sagte der «Financial Times», Alam und seine Komplizen hätten die Vorstände der Geldinstitute teilweise unter Anwendung von Waffengewalt mithilfe des Militärgeheimdiensts zum Verkauf ihrer Anteile und zum Rücktritt gezwungen. Über die Jahre hätten sie mindestens 10 Milliarden Dollar aus den Banken abgesogen, sagte Mansur.
Im Hintergrund stand der Machtkampf mit den Islamisten
Der Zentralbankchef bezog sich insbesondere auf den Fall der Islami Bank Bangladesh – eines der grössten Geldinstitute des Landes. Deren Chef Abdul Mannan war 2013 unter Druck geraten, regierungsnahe Geschäftsleute in den Vorstand aufzunehmen. Wie Mannan Anfang September in einem Interview enthüllte, wurden er und andere Vorstandsmitglieder im Januar 2017 vom Militärgeheimdienst verschleppt und mit vorgehaltener Waffe zum Rücktritt gezwungen. Daraufhin habe die S.-Alam-Gruppe die Bank übernommen.
Die 1983 gegründete Bank, die gemäss den Regeln des islamischen Rechts der Scharia operiert, hatte bis zu ihrer Übernahme international einen guten Ruf genossen. Die Regierung warf ihr jedoch vor, von der Jamaat-e-Islami kontrolliert zu sein. Die islamistische Partei ist ein erbitterter Rivale der Awami League von Sheikh Hasina. Die Übernahme der Bank muss daher vor dem Hintergrund von Hasinas Bemühungen gesehen werden, ihre Gegner systematisch auszuschalten.
Die Missstände im Bankenwesen sind seit Jahren bekannt
Einer der grössten Nutzniesser des politischen Machtkampfs war die S.-Alam-Gruppe. Zwar wies der Konzern die Vorwürfe des Zentralbankchefs am Montag zurück. Allerdings gibt es schon seit Jahren Medienberichte, dass die S.-Alam-Gruppe und andere regierungsnahe Konzerne Banken ausgeplündert hätten. So seien in grossem Stil Kredite an Geschäftsleute aus dem Umfeld der neuen Eigentümer vergeben worden, ohne dass dabei die nötigen Sicherheiten eingefordert worden seien.
Erst am Dienstag berichtete die Zeitung «The Daily Star», bei einer Bank der S.-Alam-Gruppe habe ein Angestellter des Konzerns unter Missachtung aller Vorschriften einen Kredit von umgerechnet knapp 10 Millionen Dollar aufgenommen. Eine Prüfung durch die Zentralbank habe ergeben, dass Firmen aus dem Umfeld der S.-Alam-Gruppe insgesamt Kredite von 1,44 Milliarden Dollar erhalten hätten. Das seien 67 Prozent aller Kredite der Bank gewesen.
Schon oft mussten Banken vor dem Bankrott gerettet werden
Auch in anderen Fällen wurde die Kreditwürdigkeit der Gläubiger nicht ernsthaft überprüft. Wie Medien berichteten, machten die Kreditnehmer oft falsche Angaben und fälschten Papiere. Obwohl die Banken gegen grundlegende Regeln der Zentralbank verstossen hätten, seien sie dafür von den Aufsichtsbehörden nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Vielmehr hätten die neuen Bankvorstände dafür gesorgt, dass die Regierung von Sheikh Hasina die Regeln in ihrem Sinne angepasst habe.
Ein erheblicher Teil der Kredite, die Banken an Firmen aus dem Umfeld der Eigentümer vergaben, wurde niemals zurückgezahlt. Immer wieder gerieten Banken deshalb in Schieflage und mussten von der Regierung mit Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet werden. Der heutige Zentralbankchef Mansur kritisierte schon vor Jahren, dass es sinnlos sei, die Banken immer wieder auf Staatskosten zu rekapitalisieren, wenn das Geld in den Taschen korrupter Geschäftsleute verschwinde.
Der Sturz von Sheikh Hasina hat nun die Chance für einen Neuanfang geschaffen. Die Übergangsregierung unter Führung des Nobelpreisträgers und Bankers Muhammad Yunus hat sich an die längst überfällige Reform des Bankensektors gemacht. Nach dem Abschluss einer Prüfung der strauchelnden Geldinstitute will die Zentralbank nun neue Investoren im Ausland suchen, um das Kapital der Banken zu stärken. Mansur kündigte zudem an, Anwälte zu engagieren, um zumindest einen Teil des gestohlenen Geldes zurückzubekommen.