Montag, September 30

Schülerinnen und Schüler brauchen engagierte Lehrer, keine Bauten der Extraklasse. Sogar Privatschulen bauen günstiger.

Es soll den Kindern an nichts fehlen. Wenn die Stadt Zürich Schulen baut, können Planer und Architekten aus dem Vollen schöpfen, wie ein Schulhausprojekt in Altstetten zeigt. Jeder der 24 Klassen steht ein Gruppenraum zur Verfügung. Hinzu kommen 13 Handarbeits-und Werkstatträume, 7 Aufenthalts- und Verpflegungsräume, 4 Schulküchen, ein Mehrzwecksaal, eine Bibliothek, eine Dreifachturnhalle und ein Schülergarten.

Und es geht noch weiter: Ein Kunstprojekt ist geplant, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird. Die städtische Fachstelle Kunst und Bau wird eigens ein Auswahlverfahren mit Künstlerinnen und Künstlern durchführen.

Das alles hat seinen Preis. Stolze 111 Millionen Franken wird das neue Schulhaus Tüffenwies in Altstetten kosten, über das am 22. September abgestimmt wird. Das sind 4,6 Millionen pro Klasse und 209 000 Franken pro Schulkind. Der Erweiterungsbau der Schulanlage Luchswiesen in Schwamendingen für 102 Millionen Franken, über den im September ebenfalls abgestimmt wird, kostet gar 5,4 Millionen pro Klasse.

Damit sind beide Projekte im Verhältnis noch teurer als das neue Riesen-Schulhaus Saatlen in Schwamendingen. Das kostet mit 231 Millionen Franken mehr, ist aber deutlich grösser.

Solche Zahlen wären in einer durchschnittlichen Zürcher Gemeinde, wo oft jeder Rappen zweimal umgedreht werden muss, undenkbar. Wenn die Kosten ausufern, ruft das die gestrenge Rechnungsprüfungskommission auf den Plan, und an der Gemeindeversammlung folgt Tadel. Selbst noble Privatschulen bauen günstiger.

In der Stadt Zürich sind solche Dimensionen hingegen ganz normal und unbestritten. Die 231-Millionen-Schule wurde an der Urne mit 80 Prozent angenommen. Die Stadt kann darum getrost davon ausgehen, dass die Stimmberechtigten die beiden neuen Projekte durchwinken werden. Das Geld ist ja da, der Bedarf an zusätzlichem Schulraum ist ausgewiesen, so lautet der Tenor. Vor allem aber: Es ist eine Investition in die Bildung, in die Kinder!

Kritik aus der Politik gibt es kaum. Von der FDP, die sich sonst für Kosteneffizienz einsetzt, war bei der Debatte zu den jüngsten Schulhausprojekten höchstens ein Murren zu hören. Sich gegen Schulbauten zu stellen, ist unpopulär, man will es sich ja nicht mit der Wählerschaft verscherzen. Einzig die SVP lehnte beide Projekte ab und moniert die hohen Kosten.

Zu Recht. Sie laufen aus dem Ruder.

Warum sind Zürichs Schulhäuser so teuer?

Klar: Ein gewisses Korsett beim Bauen ist gegeben. Die Platzverhältnisse in der Stadt sind eng, weshalb man gern in die Höhe baut. Dadurch steigen die Ausgaben für den Brandschutz. Auch Glasfronten – sie werden oft eingesetzt, um möglichst viel natürliches Licht ins Klassenzimmer zu lassen – verteuern das Bauen.

Allerdings gibt es kaum Vorgaben, wie die Stadt ihre Schulhäuser zu bauen hat. Die Bildungsdirektion des Kantons spricht lediglich Empfehlungen aus.

Eine wesentliche Rolle spielen dürften die gestiegenen und politisch gewollten Anforderungen an die Schulen. Diese sind längst nicht mehr nur ein Ort der Wissensvermittlung. Schulen werden als «Lebensraum» definiert, besonders in der Stadt Zürich. Und da ist vielen Eltern nur das Beste gut genug für ihre Kinder. Das zeigte sich auch, als die Stadt vor rund zwei Jahren über die Einführung von Tagesschulen abstimmte. Aus zwei Varianten wählten die Zürcher, natürlich, die teurere.

Die Stadt lässt sich den Betrieb der Tagesschule jährlich 126 Millionen Franken kosten. Alle Schulen müssen nach und nach mit der entsprechenden Infrastruktur ausgerüstet werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Im Neubau der Schule Tüffenwies etwa sind neun Küchen geplant.

Dazu kommen die Extrawünsche von linker Seite, die noch über die hohen städtischen Standards hinausgehen. So verlangen die Grünen bei beiden Schulhäusern, über die nun abgestimmt wird, einen Witterungsschutz für die Veloabstellplätze. Beim Schulhaus Luchswiesen soll die Stadt zusätzlich die Installation eines Pumptracks, also eines Velo-Parcours mit Wellen und Steilkurven, und einer Bike-Sharing-Station prüfen.

Das ist der «Zürich-Finish»: Man packt noch ein paar Wünsche obendrauf, die Mehrheiten im Parlament lassen es zu.

Ausserhalb der Stadt wird deutlich günstiger gebaut

Die Kritik an teuren Schulhausbauten ist nicht neu. Ein 2016 eröffnetes Schulhaus in Altstetten sollte ursprünglich 70 Millionen Franken kosten und wurde bald als Luxusprojekt betitelt. Schliesslich konnten 13 Millionen Franken eingespart werden – und die Stadt hat basierend darauf interne Richtlinien erarbeiten lassen, an denen sie sich orientiert.

Bei den beiden Schulhäusern, die nun geplant sind, will die Stadt von überbordenden Kosten nichts wissen. Sie würden «flächeneffizient» umgesetzt.

Beim Schulhaus Tüffenwies liegen die Erstellungskosten pro Klasse 20 Prozent unter dem Benchmark, womit die Einsparvorgabe «übererfüllt» sei. Beim Schulhaus Luchswiesen betragen die Einsparungen bei den Gebäudekosten 8 Prozent. Trotzdem wird der Bau teuer. Das liegt unter anderem daran, dass die Turnhalle unterirdisch gebaut wird und es auf den Aussenplätzen Massnahmen zur Hitzeminderung wie beispielsweise zusätzliche Pflanzungen geben soll.

Alles in Ordnung, vermittelt diese Argumentation. Beispiele aus dem Kanton zeigen aber: Auch mit den gestiegenen Anforderungen an die Schule wäre es durchaus möglich, günstiger zu bauen – selbst dann, wenn viele Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen.

In Dübendorf entsteht für 64 Millionen Franken ein Neubau für 22 Klassen mitsamt Musikschule, Doppelturnhalle, schulergänzender Betreuung und Produktionsküche. Das macht 2,9 Millionen Franken pro Klasse.

Dabei vermittelt das Schulhaus keineswegs den Eindruck, als sei es im Sparmodus geplant worden. Die Fassade ist aus Holz, auf dem Dach ist ein Garten vorgesehen, verwendet werden möglichst umweltfreundliche und langlebige Materialien. Das Geld reicht sogar für den Minergie-Standard.

Noch günstiger baut die Privatschule Zurich International School. Sie eröffnete 2022 in Adliswil einen neuen Schulkomplex inklusive Dreifachturnhalle für 42 Millionen Franken und gab nur 2,1 Millionen pro Klasse aus. Es ist unwahrscheinlich, dass die dort unterrichteten Kinder unter pädagogischen Nachteilen leiden. Schliesslich zahlen ihre Eltern – oft sind es begüterte Expats – viel Geld für die Ausbildung ihrer Sprösslinge.

Wird es teuer, zeigt sich der Stadtrat unbekümmert

Die Kostenunterschiede zu den Stadtzürcher Projekten sind frappant. Doch eine Mässigung ist nicht zu erwarten. Die linken Parteien und der Stadtrat vermitteln die Haltung, die Stadt könne sich alles leisten, schliesslich sprudeln die Steuergelder nach wie vor.

Auch bei anderen öffentlichen Bauten lässt sich die Stadt nicht lumpen. In Oerlikon ist ein neues Sportzentrum geplant mit mehreren Schwimmbecken, einem Saunabereich und ganzjährigen Eisfeldern. 400 Millionen Franken soll es kosten, fast doppelt so viel, wie ursprünglich vorgesehen. Der Stadtrat begründete die Mehrkosten mit der Bauteuerung, Altlasten im Baugrund und höheren Preisen bei der Haustechnik.

Die Exekutive selbst gab sich ob der massiven Kostensteigerung entspannt. Zürich, liess SP-Stadtrat André Odermatt die Medien wissen, könne sich dies leisten.

Diese Unbekümmertheit beim Ausgeben von Steuergeldern drückt immer wieder durch. Zu welchen Phantastereien Zürichs Geldsegen führen kann, zeigt eine Episode aus dem Jahr 2022: Da wollte der Stadtrat allen Ernstes für bis zu 1,2 Milliarden den Bürokomplex Üetlihof, in dem die Credit Suisse eingemietet war, als Landreserve kaufen. Das Parlament lehnte das Milliardengebot dann aber ab. Zwei Jahre später gibt es die Credit Suisse nicht mehr, und die Stadt dürfte heilfroh sein, sich nicht um die Zukunft dieser Liegenschaft Gedanken machen zu müssen.

Fakt ist: Die teuren Bauten sind eine Hypothek für die Stadt. Ihr Unterhalt wird die Kasse über Jahrzehnte belasten. Das gilt auch für die Schulhäuser, die im Herbst zur Abstimmung kommen. Beim Erweiterungsbau der Schulanlage Luchswiesen fallen jedes Jahr Folgekosten von fast 13 Millionen Franken an, bei der Schule Tüffenwies 11 Millionen. Es sind Beträge, die momentan leicht zu stemmen sein mögen. Wie Zürich in zwanzig Jahren finanziell dastehen wird, weiss niemand. Die Schulhäuser aber, die dürften noch stehen.

Natürlich muss die Stadt auf die steigenden Schülerzahlen reagieren. Es spricht auch nichts dagegen, dass sie moderne Schulen baut. Aber der wahre Wert der Bildung liegt nicht in teuren Bauten, die zusätzlich mit Schnickschnack wie Kunst am Bau garniert werden. Kinder brauchen keine Schulhäuser der Extraklasse oder Bike-Sharing-Stationen, sondern engagierte Lehrpersonen und ein inspirierendes Umfeld. Es ist die Qualität der Bildung, die den Unterschied macht – und nicht ein möglichst hoher Preis pro Quadratmeter Schulzimmer.

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