Freitag, Januar 10

Die mittlere globale Temperatur lag im vergangenen Jahr 1,6 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Über diese und viele weitere Höchstmarken hat der europäische Erdbeobachtungsdienst Copernicus jetzt Bilanz gezogen.

Schon im Herbst gab es Mutmassungen – jetzt ist es aktenkundig: 2024 geht als das wärmste Jahr auf der Erde, seit wissenschaftliche Messungen begonnen haben, in die Geschichte ein. Dies und viele weitere Klimadaten des vergangenen Jahres hat der europäische Erdbeobachtungsdienst Copernicus heute bekanntgegeben.

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2024 war das zweite Rekordjahr in Folge; das Jahr war mehr als ein Zehntelgrad wärmer als 2023. Die Temperatur lag rund 1,6 Grad Celsius über dem Niveau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Messungen aus jener Zeit werden als Näherungswert für das Niveau in vorindustrieller Zeit verwendet).

Die symbolische Marke von 1,5 Grad Celsius wurde somit überschritten. Das einmalige Überschreiten bedeutet aber noch nicht, dass sie im Sinne des Pariser Klimaabkommens durchbrochen worden ist – dafür müsste der Durchschnitt über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahrzehnten darüberliegen. Doch Fachleute rechnen fest damit, dass dies in den kommenden Jahren passieren wird.

«Das 1,5-Grad-Ziel ist praktisch bereits heute Geschichte», sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg – das Science Media Center Germany hat ihn um eine Einschätzung gebeten. Wer noch immer propagiere, die Welt könne unter 1,5 Grad Erwärmung bleiben, gebe sich Illusionen hin.

Die Daten von fünf anderen Instituten bestätigen, dass die Temperatur von 2024 über der 1,5-Grad-Marke lag. Neben Copernicus werten auch die amerikanische Klimabehörde Noaa, das Goddard Institute for Space Studies der Nasa, das Institut Berkeley Earth, der Wetterdienst Japans und das britische Hadley Centre die globalen Temperaturmesswerte und andere Daten aus. Die Analysen weichen nur wenig voneinander ab.

Natürliche Schwankungen verursachen einen Zickzackkurs

Die globale Erwärmung, die durch den Ausstoss von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan verursacht wird, setzt sich mit dem neuen Rekordjahr fort. 2025 wird aber voraussichtlich keine weitere Höchstmarke bringen. Denn die Erderwärmung verläuft nicht kontinuierlich, sondern im Zickzackkurs. Natürliche Schwankungen sind dem langfristigen Temperaturtrend überlagert.

Die dominierende natürliche Klimaschwankung ist diejenige zwischen El Niño und La Niña. Das letzte El-Niño-Ereignis, charakterisiert durch hohe Wassertemperaturen im tropischen Pazifik, ging mit dem Jahreswechsel 2023/24 zu Ende. In den Monaten nach El Niño steigt die globale Mitteltemperatur immer um ein paar Zehntelgrad an – so war es auch diesmal.

Anschliessend, wenn La Niña kommt, kühlt sich die Erde normalerweise wieder ein wenig ab. Diesmal verharrten die Temperaturen allerdings auch nach dem El-Niño-Ereignis auf hohem Niveau; bis jetzt ist die typische Abkühlung ausgeblieben. Warum das so ist, können Klimaforscher noch nicht genau sagen.

Die Wärme verstärkt den Wasserkreislauf

Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie grundsätzlich aufnehmen. 2024 enthielt die Atmosphäre laut Copernicus rund fünf Prozent mehr Wasserdampf als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020, so viel wie seit Messbeginn noch nicht. Das Potenzial für extreme Regenfälle war somit vielerorts höher als sonst.

Dies begünstigte zum Beispiel die sintflutartigen Regengüsse, die Ende September die spanische Provinz Valencia verwüsteten. Zusammen mit dem warmen Meer trug der hohe Wassergehalt der Luft laut Copernicus auch zur Entwicklung von besonders kräftigen tropischen Wirbelstürmen bei.

Andererseits litten mehrere Regionen der Erde im vergangenen Jahr unter starken Dürren. Aussergewöhnlich trocken war es zum Beispiel in Teilen des Amazonasregenwalds. Weil die Erderwärmung den Wasserkreislauf der Atmosphäre verstärkt, rechnen Klimaforscher generell mit einer gleichzeitigen Verstärkung von heftigen Niederschlägen und starken Dürren.

An den Polen trieben zeitweise sehr wenig Eisschollen

Die grosse Wärme wirkt sich auch auf das Meereis aus. In der Arktis war es bis Juli noch ähnlich weit ausgedehnt wie im Mittel der Jahre 1991 bis 2020. In der zweiten Jahreshälfte hatte die Eisfläche jedoch unterdurchschnittliche Ausmasse.

Am südlichen Ende der Erde erreichte die Ausdehnung des Meereises im November den bisher niedrigsten Wert für diesen Monat. Inzwischen ist die Eisfläche rings um die Antarktis aber wieder zu durchschnittlichen Werten zurückgekehrt.

Die Konzentration der Treibhausgase erreicht neue Höhen

Die treibende Kraft für den menschengemachten Klimawandel sind die Treibhausgase, allen voran Kohlendioxid (CO2) und Methan. 2024 nahm der Gehalt beider Gase in der Luft laut Copernicus erneut zu und erreichte neue Höchstwerte.

Der CO2-Anteil stieg um 2,9 ppm auf 422 ppm (ppm sind Anteile pro eine Million Anteile Luft). Das sind fast 51 Prozent mehr als zu vorindustrieller Zeit. Der Methananteil nahm um 3 ppb zu und wird nun mit 1897 ppm angegeben (ppb sind Anteile pro eine Milliarde Anteile Luft).

Eine Trendwende des Anstiegs ist derzeit noch nicht in Sicht. Fachleute rechnen aber damit, dass der CO2-Ausstoss in den kommenden Jahren ein Plateau erreichen wird. Dann würde sich der Anstieg der CO2-Konzentration wenigstens nicht mehr beschleunigen. Beim gegenwärtigen Stand der Klimaschutzbemühungen inmitten geopolitischer Verwerfungen wäre wohl schon das als ein Erfolg zu werten. Dass Copernicus in den kommenden Jahren weitere Rekordjahre melden wird – damit muss man fest rechnen.

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