Mittwoch, Oktober 30

Die Verkehrsideen der Stadtzürcher Sozialdemokraten werden immer unausgegorener. Und sündhaft teuer.

Der öffentliche Verkehr ist das Rückgrat der Mobilität in den Städten. Doch in Zürich haben die Linken, einst klare Fürsprecher des öV, ein zwiespältiges Verhältnis zum Massenverkehrsmittel entwickelt. In der Verkehrsplanung ist bekanntlich das Velo neu das Mass aller Dinge. Gleichzeitig wird der öV zum Feld seltsamer Experimente, die ohne Rücksicht auf Verluste lanciert werden.

Jüngstes Beispiel: Die SP will den öffentlichen Verkehr auch in der Nacht rollen lassen – nicht nur am Wochenende, sondern täglich. Das Stadtparlament hat am Mittwoch einen Vorstoss an den Stadtrat überwiesen. Dieser muss die Einführung eines durchgehenden Nachtnetzes prüfen.

Über die Kosten, die in die Millionen gehen würden, verliert die SP kein Wort.

Der 24-Stunden-Betrieb soll vor allem den «Schichtarbeitenden», aber auch den «Nachteulen» zugutekommen. Vorbild soll das bestehende ZVV-Nachtnetz sein. Es ist eine Idee, die zwischen weltfremd und grössenwahnsinnig anzusiedeln ist.

Das Nachtnetz ist nicht aufs Schichtpersonal ausgerichtet

Zwar ist das bestehende Nachtnetz zweifellos eine Erfolgsgeschichte. Dies aber gerade deshalb, weil es auf das Ausgehvolk ausgerichtet ist. Zwar ist das Nachtleben-Angebot in der Stadt Zürich unter der Woche in den letzten Jahren gewachsen, aber am Fokus aufs Wochenende hat sich nichts verändert.

Dann fahren proppenvolle Nachtbusse und -züge Richtung Agglomeration. In den Fahrzeugen hingegen, die an einem Montagmorgen um halb vier durch Stadtzürcher Aussenquartiere gondeln würden, wäre es vermutlich recht einsam. Das ist hochgradig ineffizient.

Gerade weil das heutige Nachtnetz auf die «Nachteulen» ausgerichtet ist, nützt es den Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeitern, die der SP angeblich so sehr am Herzen liegen, wenig. Es handelt sich nicht um ein engmaschiges Netz wie am Tag. Die Abfahrten konzentrieren sich auf die Gegend um den Hauptbahnhof. Dies wird gemäss ZVV-Strategie auch dem Ausgehverhalten gerecht.

Spitäler und Pflegeheime stehen aber nun einmal nicht im Zentrum von Zürich. Und auch der Takt des Nachtnetzes ist nicht auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgelegt.

Heisst: Wollte man wirklich das Personal auch mitten in der Nacht befördern, müsste ein anderes, engeres Netz her, eines wie am Tag. Mit Kosten, die erst recht nicht zu rechtfertigen wären.

Ganz abgesehen davon, dass Schichtwechsel, etwa in den Spitälern, in der Regel nicht mitten in der Nacht stattfinden.

Der Groll auf das Auto führt zu seltsamen Ideen

Die Situation nachts spricht eben gerade nicht für ein Massenverkehrsmittel, nicht für den öV – sondern für den Individualverkehr, auch in der motorisierten Form. Nur verteufelt Rot-Grün das Auto. Die Folge sind solch unausgegorene, unverhältnismässige und sündhaft teure Vorschläge wie der 24-Stunden-ÖV.

Die Folgen für die Verkehrsbetriebe Zürich wären gravierend. Schon heute suchen sie verzweifelt nach Personal und haben wegen Engpässen den Fahrplan für das ganze Jahr 2024 ausgedünnt. Und gemäss Mitarbeiterbefragung sind gerade die Schichten nachts unbeliebt. Wer also soll die weitgehend leeren Fahrzeuge durch die Nacht kutschieren?

Und auch wenn der 24-Stunden-Betrieb noch kein Preisschild hat, ist klar: Es würde teuer. Finanzielle Nachhaltigkeit sieht anders aus. Überraschen kann dies allerdings nicht, denn die SP ist ja auch jene Partei, die die ÖV-Kosten für alle Zürcherinnen und Zürcher mittels Volksinitiative halbieren will, ungeachtet ihres Einkommens. Dies trotz fragwürdigem Nutzen und 150 Millionen Franken Kosten für die Stadtzürcher Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – pro Jahr.

Die gute Nachricht ist, dass der Kanton das Stadtzürcher Nachtnetz bezahlen – und somit billigen – müsste. Im Strategiepapier des ZVV zu einem Nachtangebot steht aber klipp und klar: «Gemäss den Nachfrageanalysen beträgt die Nachfrage an einem Werktag nur rund 30 Prozent eines durchschnittlichen Wochenendtages. Damit kann keine wirtschaftlich vertretbare Leistung erbracht werden.»

Man darf also hoffen, dass der Kanton das irrwitzige Stadtzürcher Experiment rechtzeitig abbricht.

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