Freitag, März 14

Anne Marie Hochhalter wurde beim Amoklauf am 20. April 1999 zwei Mal angeschossen. Seither setzte sie sich für strengere Waffengesetze ein. Nun ist sie verstorben.

Mehr als 25 Jahre nach dem Schulmassaker von Columbine gibt es ein 14. Todesopfer. Anne Marie Hochhalter wurde beim Amoklauf am 20. April 1999 zwei Mal angeschossen. Nun wurde sie am 16. Februar tot in ihrem Haus aufgefunden. Sie verstarb im Alter von 43 Jahren an einer Sepsis. Doch ihr Tod wird als Totschlag eingestuft, wie die «New York Times» am Donnerstag berichtete.

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Die Zeitung beruft sich auf einen 13-seitigen Autopsiebericht der Gerichtsmedizin von Jefferson County. Darin steht, dass Hochhalters Tod mit den Verletzungen zusammenhängt, die sie als 17-Jährige beim Columbine-Amoklauf erlitten hat. Die Pathologin schreibt, dass «Komplikationen einer Querschnittslähmung durch zwei Schusswunden» ein wesentlicher Faktor für ihren Tod waren.

Eine Kugel traf den Rücken, die andere die Brust

Anne Marie Hochhalter wollte am 20. April 1999 einfach ihre Mittagspause an der Sonne geniessen. Mit Freunden setzte sie sich auf eine Bank im Schulhof. Plötzlich hörte sie ein Knallen. Dann wurde sie von einer Kugel im Rücken getroffen. Als eine Freundin ihr zur Hilfe eilte, traf Hochhalter eine weitere Kugel. Diesmal in die Brust, wo der Schütze eine lebenswichtige Vene erwischte.

Hochhalter war damals 17 Jahre alt und besuchte die elfte Klasse der Columbine High School in Littleton im amerikanischen Gliedstaat Colorado. Eine ganz gewöhnliche Schule, wie es sie in den USA tausendfach gibt. Doch an diesem Tag im Frühling 1999 brannte sich diese Schule ins kollektive Gedächtnis aller Amerikaner.

Zwei bewaffnete Schüler stürmten an diesem Tag die Columbine High School. Ursprünglich hatten die Täter einen Bombenanschlag geplant, der Hunderte von Schülern auf einen Schlag hätte töten sollen. Doch die Zünder versagten, und die selbstgebauten Sprengsätze explodierten nicht. Daraufhin begannen die Täter, wahllos Schüler und Lehrer zu erschiessen. Sie töteten 12 Personen und verletzten 23 weitere zum Teil schwer.

Wann immer seither in den USA ein Amoklauf an einer Schule passiert, kommen Erinnerungen an den 20. April 1999 und Columbine hoch. Dieser Tag gilt nicht als der schlimmste Amoklauf in der Geschichte der USA, aber als der prägendste.

Sie verzieh den Eltern eines der Amokläufer

Columbine war der erste Amoklauf des digitalen Zeitalters. Der Welt wurde er live über Fernsehen und Nachrichtenkanäle gezeigt. Die Bilder zeigten fliehende Schüler, verzweifelte Polizisten, die versuchten, die Lage zu kontrollieren. Bis zu diesem Tag im April schien es unvorstellbar, dass Schüler von ihren eigenen Mitschülern in ihrer eigenen Schule erschossen werden könnten. Columbine zerstörte diese Illusion. Eine Reporterin vor Ort sprach vom «Tag, an dem die Unschuld starb».

Das Massaker stellte eine kulturelle Zäsur dar, die öffentliche Wahrnehmung von Schulgewalt änderte sich. Columbine löste eine hitzige Debatte über strengere Waffengesetze aus, doch der politische Wandel in den USA blieb begrenzt.

Auch Anne Marie Hochhalter setzte sich seither aktiv gegen Waffengewalt ein. Sie war seit dem Amoklauf von der Hüfte abwärts gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Hochhalter sprach öffentlich über die langfristigen Folgen von Schusswaffengewalt und engagierte sich in der No-Notoriety-Bewegung. Diese setzt sich dafür ein, die Namen der Täter nicht in den Medien zu nennen, um Nachahmungstäter zu verhindern. Auch Hochhalters Leben blieb von Columbine geprägt.

Fünf Jahre nach dem Massaker erinnerte sie sich in einem Medienbericht an den Moment, als sie zwei Mal angeschossen wurde: «Äusserlich sah es nicht so schlimm aus, aber innerlich fühlte es sich komisch an – es fühlte sich nass an. Ich dachte, ich verblute.» Die Schusswunden verursachten ihr lebenslang chronische Schmerzen, und oft dachte sie an die Folgen des Amoklaufs. Trotzdem blieb sie positiv. «An diesem Tag ist viel Schlimmes passiert, aber vieles lief auch gut», sagte sie einmal.

Vor neun Jahren zeigte Hochhalter eine bemerkenswerte Grösse, als sie den Eltern eines der Amokläufer verzieh. Nachdem die Mutter ein Buch mit dem Titel «A Mother’s Reckoning» veröffentlicht hatte, in dem sie über ihre Beziehung zu ihrem Sohn und die Auseinandersetzung mit seinen unvorstellbaren Taten sprach, schrieb Hochhalter ihr eine Nachricht. Sie unterstütze das Buch und hege keinen Groll gegenüber der Familie. «Ich bin sicher, Sie haben sich den Kopf darüber zerbrochen, was Sie hätten anders machen können», schrieb sie der Mutter. «Ich weiss das, denn mir geht es genauso, wenn ich darüber nachdenke, wie ich den Tod meiner Mutter hätte verhindern können.»

«Es wird besser, aber es geht nie weg»

Der Selbstmord ihrer Mutter war für Hochhalter ein schwerer Schicksalsschlag. Und er traf sie sechs Monate nach dem Amoklauf. Am 22. Oktober 1999 nahm sich ihre Mutter das Leben. Sie ging in ein Pfandhaus, verlangte eine Waffe, lud sie und tötete sich. Hochhalter sagte 2009 in einem Interview, dass ihre Mutter bereits vor dem Amoklauf an Depressionen und anderen psychischen Problemen gelitten habe. Doch der Tod ihrer Mutter war für sie schlimmer als das, was an der Columbine High School passiert war. «Es hat mich schockiert, weil ich selbst durch eine Schusswaffe verletzt wurde. Dass sie sich mit einer solchen Waffe das Leben nahm, war für mich kaum begreifbar.»

Um diesen Verlust zu bewältigen, fand sie Halt im Glauben. Zudem setzte sie sich für die Überlebenden von Amokläufen ein und wollte ihnen mit ihrem eigenen Umgang mit dem Trauma Hoffnung geben. Ihre Botschaft war klar: «Es wird besser, aber es geht nie weg.»

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