Freitag, Oktober 18

Genaro García Luna war das Gesicht des Krieges gegen die Drogenmafia – doch insgeheim soll er vom wichtigsten Kartell Millionenbeträge angenommen haben. Ein Bundesgericht in New York hat nun das Strafmass bekanntgegeben.

García Luna ist niemand Geringerer als der Architekt des mexikanischen Krieges gegen die Drogenkartelle, der Ende 2006 von Präsident Felipe Calderón initiiert worden war. Das Bundes-Distriktgericht in Brooklyn in New York hatte den früheren mexikanischen Sicherheitsminister (2006–2012) bereits im Februar 2023 für schuldig befunden, im Geheimen mit dem Sinaloa-Kartell zusammengearbeitet und dafür Millionenbeträge einkassiert zu haben.

Der Schuldspruch erging damals nach einem vierwöchigen Prozess und dreitägigen Beratungen der Geschworenen. Der Verurteilte bestand während des ganzen Prozesses auf seiner Unschuld. Nachdem das Urteil rechtskräftig geworden war, hat das Gericht nun am Mittwochabend das Strafmass festgelegt: 38 Jahre und vier Monate Gefängnis. Davon hat der 56-jährige García Luna bereits fast fünf Jahre abgesessen.

Steile Karriere in der mexikanischen Regierung

Der 1968 geborene García Luna arbeitete seit 1989 im mexikanischen Sicherheitsapparat und erlebte dort eine steile Karriere. Von 2001 bis 2006 war er erster Generaldirektor der neu gegründeten Agencia Federal de Investigaciones (AFI), eines Amts, das vergleichbar ist mit demjenigen des Chefs des FBI in den USA. Von Präsident Calderón wurde er danach zum Minister für öffentliche Sicherheit ernannt und leitete in dieser Funktion den Anti-Drogen-Krieg.

Nach dem Regierungswechsel 2012 zog er in die USA und arbeitete dort auf privatwirtschaftlicher Basis im Sicherheitsbereich. Im Dezember 2019 wurde er in Texas verhaftet. In einem New Yorker Prozess gegen den Chef des Sinaloa-Kartells, Joaquin «El Chapo» Guzmán, hatten ihn mehrere in den USA einsitzende Drogenbosse der Zusammenarbeit mit diesem wichtigsten mexikanischen Kartell bezichtigt. In der Folge wurde García Luna der Verschwörung zum Kokainhandel sowie der Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung angeklagt.

Umstrittene Beweislage

Das Urteil stützt sich fast vollständig auf die Aussagen von einem halben Dutzend in den USA inhaftierten mexikanischen Drogenbossen, die im Zeugenstand erklärten, García Luna habe ein Doppelleben geführt und auf der Lohnliste des Sinaloa-Kartells gestanden. Anders als in den amerikanischen Prozessen gegen führende Mitglieder der mexikanischen Drogenkartelle fehlten diesmal aufgefangene Textnachrichten und aufgezeichnete Gespräche als Beweisstücke.

García Luna verteidigte sich vor Gericht nicht selber, aber seine Ehefrau versuchte seinen markanten Vermögenszuwachs in einer langen Zeugenaussage zu erklären. Unter anderem ging es um seine Sammlung wertvoller Autos. Sein führender Verteidiger zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht und erklärte, trotz mehrjährigen Untersuchungen sei es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen, glaubwürdige und verlässliche Beweise zu präsentieren. Stattdessen stütze sich das Urteil auf die Aussagen von berüchtigten und rücksichtslosen Kriminellen.

Die Zeugen aus dem Drogenmilieu beschrieben im Prozess eine Reihe von Vorfällen, bei denen García Luna Millionenbeträge übergeben worden sein sollen, und bestätigten wichtige Aussagen gegenseitig. So erklärte etwa Jesús «El Rey» Zambada, kurz nach der Ernennung von García Luna zum Sicherheitsminister habe er diesem in einem Restaurant in Mexiko-Stadt drei Millionen Dollar übergeben. Dies sei geschehen, damit sein Bruder, ein führendes Mitglied des Sinaloa-Kartells, vor Verfolgung durch die Polizei sicher gewesen sei. Auch wichtige Drogentransporte sollen mit García Luna abgesprochen worden sein, damit sie von der Polizei nicht vereitelt wurden. In einem Fall soll der Verurteilte gar persönlich in einer Lagerhalle in Chiapas erschienen sein, in welcher das Kartell Drogen lagerte, und seinen Anteil gefordert haben – angeblich mehr als 14 Millionen Dollar in Bargeld.

Wer wusste wann was?

Die Regierung des linken mexikanischen Präsidenten Andreas Manuel López Obrador liess nach dem Urteil von Februar 2023 keine Zeit verstreichen, um dieses für ihre politischen Ziele zu nutzen. Endlich gebe es Gerechtigkeit für den Gehilfen des (rechten) Ex-Präsidenten Calderón, twitterte der Regierungssprecher damals.

Das Urteil hat eine Reihe von neuen Fragen aufgeworfen, insbesondere was die langjährige Kooperation der USA mit García Luna im Krieg gegen die Drogen anbelangt. Gerüchte darüber, dass er mit der Drogenmafia gemeinsame Sache mache, gab es seit 2001. Beamte im mexikanischen Sicherheitsapparat und auch lokale Agenten der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA warnten schon damals, es gebe Anzeichen für eine Zusammenarbeit von García Luna mit dem Sinaloa-Kartell. Sowohl die mexikanische wie auch die amerikanische Regierung nahmen diese Warnungen aber nicht ernst, die Amerikaner arbeiteten weiter mit ihm zusammen. Es bleibt weiterhin unklar, wann die USA wie viel über die Umtriebe von García Luna wussten.

Auch die Frage, ob weitere frühere Regierungsmitgliedern in Mexiko mit der Drogenmafia kollaborierten, stellt sich weiterhin. 2020 wurde in Los Angeles der frühere mexikanische Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos unter demselben Verdacht verhaftet. Er wurde jedoch wenige Wochen später auf grossen Druck von López Obrador hin nach Mexiko abgeschoben.

Exit mobile version