Sonntag, November 24

Am 24. Januar 1984 präsentierte Apple den ersten Macintosh-Computer. Der PC gilt als Meilenstein in der Technikgeschichte. Bei Apple führte er intern zum Bruch.

Der Apple-Gründer Steve Jobs wollte Mitte der 1980er Jahre den Technikmarkt revolutionieren. Revolutionär sollte auch die Präsentation seines neusten Produktes sein. Jobs spann zur Vermarktung eine Geschichte mit Held und Bösewicht. Bei Jobs hiess der Bösewicht IBM. Das amerikanische Unternehmen war zu dieser Zeit der führende Computerproduzent. Den Helden mimte Jobs’ neuste Entwicklung: der Apple Macintosh.

Jobs gab eine Werbung in Auftrag, die dieses Held-Bösewicht-Epos aufzeigen sollte. Dafür suchte er die passende Werbeplattform. Er fand sie in der grössten Werbebühne überhaupt und kaufte für knapp eine Million Dollar eine Minute Werbezeit beim Super Bowl.

Am 22. Januar 1984 standen sich in Tampa die Los Angeles Raiders und die Washington Redskins gegenüber. Das Spiel war beim Stand von 21:3 für die Raiders so gut wie entschieden, als im dritten Viertel der Werbespot ausgestrahlt wurde. Knapp 80 Millionen Menschen schauten vor dem Fernseher zu, als «1984» über die Bildschirme flimmerte und den ersten Apple Macintosh ankündigte.

Dystopie statt Computer

Für die Regie des 60 Sekunden langen Clips engagierte Apple den Star-Regisseur Ridley Scott. Der Spot ist an den gleichnamigen Roman «1984» von George Orwell angelehnt, eine düstere Zukunftsvision eines totalen Überwachungsstaates.

Die Apple-Version handelt von einer jungen Frau, die sich von ihrem «grossen Bruder» befreit. Zwischen apathischen Glatzköpfen rennt sie durch Korridore, während sie von Polizisten in Kampfmontur verfolgt wird. In den Händen hält sie einen Vorschlaghammer. Am Ende des Clips schleudert sie den Hammer in einen grossen Bildschirm. Das Glas birst, der «grosse Bruder» verschwindet, und weisses Licht flutet den Raum. Die Glatzköpfe erwachen aus ihrer Apathie.

Dann fliegt Text ins Bild, und eine Stimme liest vor: «Am 24. Januar 1984 wird Apple Computer den Macintosh vorstellen. Und du wirst sehen, warum 1984 nicht wie ‹1984› sein wird.» Die Werbung sendete die Botschaft aus: «Der Macintosh wird die Welt davor bewahren, dass die dystopische Version von Orwells Roman Wirklichkeit wird.»

1984 Apple's Macintosh Commercial (HD)

«Hallo, mein Name ist Macintosh»

Was ein Macintosh ist, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. Der Werbefilm zeigte das Produkt, für das er warb, nicht. Dieses präsentierte Steve Jobs zwei Tage später an der jährlichen Aktionärsversammlung von Apple in Cupertino. Er verlas einen Songtext von Bob Dylan («The Times They Are A-Changin’»), holte den Computer auf die Bühne, schloss ihn ans Stromnetz an und legte eine Diskette ein. Einige Illustrationen flimmerten über den Bildschirm. «Sie haben gerade ein paar Bilder vom Macintosh gesehen. Jetzt möchte ich Ihnen den Macintosh persönlich vorstellen», sagte Jobs.

Während im Hintergrund die Titelmusik von «Die Stunde des Siegers» lief, begann der Computer zu sprechen. «Hallo, mein Name ist Macintosh. Ich bin es nicht gewohnt, vor vielen Leuten zu sprechen, doch möchte ich Ihnen verraten, was ich mir dachte, als ich zum ersten Mal einem IBM-Grossrechner begegnete: Traue keinem Computer, den du nicht hochheben kannst.» Eine Spitze gegen den grossen Rivalen. Der Macintosh war die Antwort auf die PC-Übermacht von IBM, deren Geräte man bei Apple als grau und unkreativ empfand.

Der Macintosh revolutionierte den Markt. Die eigentliche Sensation war aber nicht die synthetische Stimme des Computers, sondern seine Bedienoberfläche. Der Mac war einer der ersten PC mit einer grafischen Bedienoberfläche, mit Programmfenstern und Maussteuerung. Zwar wurden diese Dinge alle nicht von Apple erfunden, doch der Konzern verfeinerte sie und machte sie massentauglich. Der erste Macintosh war ein Computer für Personen, die sich vor dieser Technik fürchteten. Der Mac wurde vermarktet mit dem Slogan: «The Computer for the Rest of Us.»

Erst Kaufrausch, dann sackte der Umsatz ab

Kommerziell konnte der Macintosh die Erwartungen zu Beginn erfüllen. Bis Mai 1984 verkaufte Apple fast 75 000 Stück. Dann brach der Hype ein. Das lag einerseits am hohen Verkaufspreis. Apple bot den ersten Macintosh zum damaligen Preis von knapp 2500 Dollar an. Das entspricht heute rund 7000 Euro. Nach einem ersten Kaufrausch der Fans sackte der Absatz rasant ab.

Zum anderen lag es aber auch am Computer selbst. «Der Mac konnte einfach nicht viel», sagte der ehemalige Apple-Chef John Sculley einst in einem Fernsehinterview. Der Macintosh habe mit Mac Paint und Mac Write über lediglich zwei Anwendungen verfügt. Auf dem PC des Konkurrenten IBM hingegen hätten die Benutzer über Programme verfügt, die sie benötigten. «Tabellenkalkulationen, Textverarbeitung, Datenbanken. Der IBM-PC war nicht so einfach zu benutzen wie der Macintosh. Aber er hatte das, was die Benutzer wollten.»

Jobs geht im Streit

Weil sich der Macintosh bei weitem nicht so toll verkaufte, wie Jobs prognostiziert hatte, kam es bei Apple zum Streit. Steve Jobs und John Sculley hatten unterschiedliche Ansichten zur Ursache der Absatzmisere. Jobs wurde von Sculley in der Folge aus der Firma gedrängt. Es folgten für das Unternehmen in den folgenden Jahren viele Höhen und Tiefen, bis Jobs 1997 zu Apple zurückkehrte und den angeschlagenen Konzern mit neuen Produkten zurück in die Erfolgsspur brachte. Beispielsweise 1998 mit der Einführung des iMac. Den Ruf des Macintosh haben vor allem die Laptop-Modelle wieder aufgebessert. Das ultraleichte MacBook Air, das 2008 vorgestellt wurde, erwies sich als grosser Erfolg.

Gegenwärtig treibt eine Technologiewende den Absatz der Macs an. 2020 stellte Apple mit den Neuauflagen des MacBook Air, des Mac mini und des MacBook Pro seine ersten Macintosh-Computer vor, die nicht mehr mit Chips von Intel laufen, sondern mit Apple Silicon. Das sind Systeme, die von Apple ursprünglich für das iPhone selbst entworfen wurden und besonders stromsparend sind.

Der Macintosh wird heute nur noch iMac genannt. Obwohl sich Apple die Rechte am Namen Macintosh und dessen Werbespot einst einiges kosten liess. Die Werbung wurde nur dieses eine Mal während des Super Bowl ausgestrahlt.

Dennoch schrieb der Spot Geschichte. Nachrichtensendungen wiederholten ihn mehrfach. Die Zeitschriften «Advertising Age» und «TV Guide» kürten «1984» später zum besten Werbespot aller Zeiten. Dadurch blieb auch der Kult um die revolutionäre Maschine bestehen. Oder wie der 2011 verstorbene Jobs einst sagte: «Ich könnte so einiges mit meinem Leben machen, aber der Macintosh wird die Welt verändern.»

Mit Agenturmaterial

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