Dienstag, November 26

Am Sonntag beginnt in Les Sables-d’Olonne die Vendée Globe. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Solo-Weltumrundung.

Am Sonntag startet an Frankreichs Atlantikküste die Vendée Globe, die legendärste Segelregatta der Welt. 40 Seglerinnen und Segler aus zehn verschiedenen Ländern werden dabei die Erde nonstop und allein umrunden. Die Vendée Globe findet alle vier Jahre statt.

Was macht die Vendée Globe so besonders?

Die Regatta gilt als der härteste Segelwettkampf überhaupt. Das liegt unter anderem an den klimatischen Bedingungen, denen die Teilnehmenden auf der Reise um die Erde ausgesetzt sind. Ausserdem muss die Vendée allein und – anders als bei anderen Einhand-Weltumseglungen – ohne die Möglichkeit eines Zwischenstopps absolviert werden.

In der heutigen Form gibt es die Vendée Globe seit 1989, in diesem Jahr findet die zehnte Regatta statt. In der Geschichte haben 114 Seglerinnen und Segler das Ziel erreicht. Zum Vergleich: Bisher waren doppelt so viele Personen auf der Internationalen Raumstation (ISS).

Die Regatta ist französisches Kulturgut, der Start findet im Département Vendée statt, einer Region mit engem Bezug zum Meer. Der Startort Les Sables-d’Olonne gilt zusammen mit Lorient als Zentrum des Hochseesegelsports. Die neun bisherigen Sieger der Vendée Globe waren allesamt Franzosen.


Wann startet die Vendée Globe, und wann endet sie?

Das Rennen beginnt am Sonntag, 10. November, um 13 Uhr 02. In der Woche vor der Vendée erwarten die Organisatoren 1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher in Les Sables-d’Olonne, am Start werden mehr als eine halbe Million Menschen vom Ufer aus zuschauen. Das französische Fernsehen überträgt live.

Das Rennen dürfte rund drei Monate dauern, den Streckenrekord hält der Franzose Armel Le Cléac’h mit 74 Tagen 3 Stunden und 35 Minuten, aufgestellt 2017. Vor vier Jahren kam der Erste in 80 Tagen ins Ziel, der «langsamste» Gewinner, Alain Gautier, brauchte 1993 110 Tage für die Erdumrundung.


Welche Route schlagen die Seglerinnen und Segler ein?

Die Vendée Globe wird in Richtung Osten gesegelt, die Teilnehmenden legen dabei etwa 45 000 Kilometer zurück. Es geht zunächst durch die Biskaya über den Atlantik Richtung Süden. Gemäss Reglement müssen die Teilnehmenden dann das Kap der Guten Hoffnung, das Kap Leeuwin und das Kap Hoorn an Backbord und die Arktis an Steuerbord halten.

Dass die Richtung immer gleich bleibt, liegt an den «Roaring Forties» im Südpazifik. Wetter, Seegang und die Bedingungen gelten dort als sehr anspruchsvoll. In diesen Breitengraden weht der Wind praktisch ausschliesslich von Westen und mit Geschwindigkeiten, die manchmal 100 Kilometer pro Stunde erreichen. Eine Umsegelung in Westrichtung gilt deshalb als sehr schwierig, wäre aber möglich.


Welche Bootsklasse wird gesegelt?

An der Vendée kommen Boote der Open 60, auch Imoca genannt, zum Einsatz. Diese Einrumpfboote wurden Anfang der 1990er Jahre insbesondere für lange Regatten wie Weltumsegelungen oder Atlantiküberquerungen entwickelt und seither stetig verbessert. Sie können allein oder zu zweit gesegelt werden.

Die Jachten sind etwa 20 Meter lang, der Mast knapp 30 Meter hoch. Die Grösse ist vorgegeben, in diesem Rahmen haben die Konstrukteure allerdings grosse Freiheiten. An der Vendée Globe 2016/2017 setzten einige Teilnehmer erstmals Auftriebsflügel, sogenannte Foils, ein. Trotz der neuen Technologie verwenden auch an dieser Vendée Globe nicht alle Skipperinnen und Skipper Foils – aus Kostengründen.


Welche Teilnehmenden aus der Schweiz machen mit?

  • Justine Mettraux: Die 38-Jährige aus Genf absolviert die erste Vendée Globe und ist die erste Schweizerin überhaupt. Mettraux stammt aus einer Seglerfamilie, auch ihre vier Geschwister sind in diesem Sport aktiv, ihr Bruder Brian nahm mit Alinghi am letzten America’s Cup teil. Justine Mettraux setzt sich immer wieder dafür ein, mehr Frauen zum Offshore-Segeln zu bringen. Sie gilt als stärkste Seglerin unter den Schweizer Teilnehmenden – mit Chancen auf einen Spitzenplatz.
  • Alan Roura: Der Genfer ist mit 31 Jahren einer der jüngsten Teilnehmer im Feld. Er absolviert die Vendée Globe allerdings schon zum dritten Mal. Bei seiner Premiere im Winter 2016/2017 war Roura erst 23 Jahre alt und damals der jüngste Segler, der je an einer Einhandregatta um die Welt mitgemacht hat. Bei beiden Starts ist der Westschweizer bisher ins Ziel gekommen, 2017 als Zwölfter, 2021 als Siebzehnter.
  • Oliver Heer: Der 36-jährige St. Galler ist der erste Teilnehmer aus der Deutschschweiz. Heer sagt, er wolle bei der Premiere vor allem Erfahrungen sammeln. Er bekam von den Organisatoren der Vendée Globe die einzige Wild Card zugesprochen; lange war jedoch offen, ob er starten darf. Er kenterte im vergangenen Mai während der Transat und telefonierte daraufhin mit seinem Mentalcoach. Es gab Diskussionen darüber, ob der Anruf eine unerlaubte Hilfeleistung gewesen sei. Die Jury prüfte den Vorwurf, erkannte aber kein Fehlverhalten.

Auf welche Teilnehmenden soll man sonst noch achten?

Jean Le Cam, auch «Roi Jean» genannt, ist mit 65 Jahren der älteste Teilnehmer. Der Bretone startet bereits zum sechsten Mal zur Vendée Globe – auch das ist Rekord. Le Cam hat es allerdings noch nie auf das Podest geschafft. Im Januar 2009, bei seiner zweiten Teilnahme, kenterte er an dritter Stelle segelnd; ein Konkurrent rettete ihn. An der letzten Vendée Globe fand sich Le Cam seinerseits in der Rolle des Retters wieder. Er kam dem Landsmann Kevin Escoffier zu Hilfe, dessen Boot auseinandergebrochen war.

Um den Sieg dürfte Le Cam auch dieses Mal nicht mitsegeln, er verzichtet auf seiner Imoca 60 mit Baujahr 2022 auf Foils. Zu den Anwärterinnen und Anwärtern auf das Podest zählen nebst der Schweizerin Mettraux der Deutsche Boris Herrmann sowie die Briten Samantha Davies und Sam Goodchild. Frankreichs Hoffnungen ruhen vor allem auf dem letzten Sieger, Yannick Bestaven, sowie auf Charlie Dalin.


Wie lebt es sich an Bord?

Viel Schlaf bekommen die Seglerinnen und Segler während der Erdumrundung nicht. Die Boote sind zwar mit Autopiloten ausgestattet. Mehr als etwa 30 Minuten Schlaf am Stück sind trotzdem selten – selbst bei guten Wetterbedingungen. Dies, weil immer wieder die Segel sowie der Autopilot justiert und die Umgebung beobachtet werden muss. Auf mehr als fünf Stunden Schlaf pro Tag kommt kaum ein Teilnehmer.

Auch für kulinarische Höhenflüge bleibt keine Zeit. Wegen der langen Dauer des Rennens gibt es nur kurz nach dem Start frische Lebensmittel. Danach greift etwa der Schweizer Heer auf gefriergetrocknete Mahlzeiten zurück – als Belohnung gönnt er sich hin und wieder etwas Bündnerfleisch.


Wie gefährlich ist die Vendée Globe?

In der Geschichte der Regatta gab es bisher zwei Todesfälle. 1992 verschwand der Amerikaner Mike Plant bei der Überführung seiner Jacht zum Start nach Les Sables-d’Olonne im Atlantik. In der ersten Nacht des Rennens ging der Brite Nigel Burgess über Bord und ertrank in der Biskaya.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vendée Globe wurden mit den Jahren immer professioneller. Trotzdem kommt es fast jedes Jahr zu Unfällen oder Havarien. Ursachen sind meist hoher Seegang und Stürme oder Kollisionen mit im Meer treibenden Objekten – das können verlorengegangene Schiffscontainer, Eisberge, aber auch Meerestiere wie Wale sein. An der letzten Vendée Globe kollidierte der Deutsche Herrmann während einer Schlafpause kurz vor dem Ziel mit einem spanischen Fischerboot. Trotz Schäden am Boot erreichte er das Ziel als Fünfter.

Besonders heikel sind Unfälle im Südpazifik. Das Seegebiet liegt fernab aller Schifffahrtsrouten, bis Hilfe kommt, kann es dauern. Die Teilnehmenden absolvieren deshalb Medizinkurse speziell für Offshore-Segler. Der Schweizer Debütant Heer sagte dem SRF, er könne sich beispielsweise im Notfall einen Zahn ziehen oder eine Wunde nähen. Letzteres erlebte der Franzose Bertrand de Broc 1992: Er hatte sich heftig in die Zunge gebissen und nähte diese selbst wieder an – angeleitet per Telex durch den Rennarzt.

The 10th edition is coming ! | Vendée Globe 2024

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