Wer gerne liest, liebt Buchhandlungen und Bibliotheken. Was man dort meist nicht kann: sich am Cheminée wärmen oder einen Cocktail zur Lektüre bestellen. Es gibt aber Hotels, die Bücher, Bedienung und Bequemlichkeit bieten, einige besonders schöne sind in der Schweiz.
Das zu Relais & Château gehörende Hotel ist mit nur 14 Suiten das kleinste seiner Art in der Schweiz, trotzdem wurde dort Platz für eine Bibliothek geschaffen. Offenbar war es den Besitzern Tamara und Dario Cadonau wichtig, ihren Gästen nicht nur drei sehr unterschiedliche Restaurants – darunter eines mit einem Michelin-Stern – zu bieten, sondern auch einen Ort, an dem sie sich sozusagen Appetit anlesen können.
Das Hotel bespielt ein gut 400 Jahre altes Engadiner Bauernhaus, das einst von der Familie bewohnt wurde, bis es in den 1960er Jahren zu einem Hotel garni und dann zu einem einzigartigen, 2010 eröffneten Luxusrefugium umgebaut wurde. Um die Substanz des historischen Gebäudes zu erhalten, wurde ein moderner Anbau für die Suiten errichtet und der ursprüngliche Teil so authentisch wie möglich belassen.
Die alte Stube, in der es dank einem schönen Kachelofen schon immer kuschelig warm war, sollte als Aufenthaltsraum erhalten bleiben, und was eignet sich dafür besser als eine Bibliothek? Zumal Dario Cadonau auch Platz für die fast 3000 Kochbücher brauchte, die er als ausgebildeter und leidenschaftlicher Koch seit seiner Lehrzeit gesammelt und zu Hause gelagert hatte.
Gut die Hälfte davon steht heute in den schönen Arvenholzregalen der Hotelbibliothek, darunter Bücher mit persönlichen Widmungen von berühmten Köchen, bei denen Dario Cadonau gearbeitet hat – etwa Harald Wohlfahrt und Philippe Rochat. Es sind aber auch Raritäten wie das auf 100 Exemplare limitierte «Grand Livre de Cuisine» von Alain Ducasse oder die grossformatige «Étude Historique de la Cuisine Française» zu finden. Und die Bibliothek wächst kontinuierlich weiter: Kürzlich kam die komplette Sammlung mit gut 600 Kochbüchern des Bündner Spitzenkochs Armin Maier dazu. Wenn es so weitergeht, wird es wohl nicht lange dauern, bis das Hotel noch einmal anbauen muss.
In Lain Hotel Cadonau, Crusch Plantaun 217, 7527 Brail, DZ ab 460 Franken
Sogar in einem verwöhnten Skidorf wie Pontresina ist noch Luft nach oben. Das erfahrene Hotelier- und Unternehmerpaar Bettina und Richard Plattner eröffnete Ende 2023 ein Vierstern-Superior-Hotel, stilvoll und modern gestaltet vom renommierten Bündner Architekten Gion A. Caminada, der immer wieder bewiesen hat, dass er auch in abgelegenen Bergdörfern zeitgemäss bauen kann, ohne das gewachsene Ortsbild zu stören. In der Lobby, im Restaurant, in den 36 Doppelzimmern und 11 Lodges verbindet er traditionelle Materialien mit jungem Design zu schlicht-schönen Räumen mit starkem Ortsbezug.
So weit, so gut. Doch das Hotel bietet etwas, was sonst rundherum niemand hat: eine liebevoll kuratierte Bibliothek mit über 900 Titeln. Hier können die Gäste das Engadin, seine Seitentäler und die angrenzenden Regionen in all ihren Facetten kennenlernen. Viel Raum nehmen Dichter, Künstler und Maler ein, die das einzigartige Hochtal in den letzten 150 Jahren für sich entdeckt haben. In den Regalen finden sich viele Romane, die im Engadin entstanden sind oder vom Engadin inspiriert wurden.
Die Gäste können eintauchen in die Bündner Frauenliteratur, in die Geschichte des Gastgewerbes, der Architektur und der Landwirtschaft Graubündens. Die Lektüre beleuchtet die Auswanderung und Rückkehr der Zuckerbäcker, die Entwicklung der alpinen Kulinarik, die Welt der Klöster und das Schicksal der Bündner Söldner und Säumer. Präsentiert wird das Ganze im hochalpinen, reduzierten und authentischen Stil des Hotels. Heisst: mit viel Eichenholz, bequemen Designersesseln und der Möglichkeit, im grosszügigen Restaurant mit Terrasse die kreative alpin-orientalische Crossover-Küche des Küchenduos Priscilla Cavagliotti und Sebastian Cigolla zu geniessen.
Hotel Maistra 160, Via Maistra 160, 7504 Pontresina, DZ ab 410 Franken
Da hat wohl noch etwas gefehlt! Jedenfalls eröffnete das Luxus-Boutique-Hotel mit 38 grosszügigen Suiten und Zimmern zu Beginn von 2025 die hoteleigene Bibliothek «The Capra Library» – ein Kulturprojekt, das in Kooperation mit der renommierten Westschweizer Buchhandelskette Payot Libraire entstanden ist und durch eine Reihe kultureller Highlights, Events und Workshops ergänzt werden soll. Die Idee dahinter: das Hotel zu einem Zentrum des kulturellen Austauschs für Gäste und die lokale Gemeinschaft machen.
Neben der neuen Bibliothek wird die Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen des Hotels sichtbar. So werden alle im traditionellen Chaletstil gestalteten Zimmer und Suiten mit einer regelmässig wechselnden Auswahl an Büchern in verschiedenen Sprachen ausgestattet, die den Gästen das ganze Jahr über Zugang zu inspirierender Lektüre bieten.
Dazu sind literarische Veranstaltungen wie Buchpräsentationen, Autorengespräche und Podiumsdiskussionen geplant, die es den Teilnehmenden ermöglichen, in intimer Atmosphäre mit den Schriftstellern und Schriftstellerinnen in Kontakt zu treten und sowohl Schweizer als auch internationale Literatur zu entdecken. Workshops zu den Themen Literatur, Kreativität und Storytelling stehen nicht nur Hotelbesuchern, sondern auch externen Gästen offen und sollen so zur kulturellen Vielfalt von Saas-Fee beitragen.
The Capra, Lomattenstrasse 6, 3906 Saas-Fee, DZ ab 490 Franken
Wo einst Malz mit Wasser gemischt, Würze gekühlt und mit Hefe vergoren wurde, sind heute 60 schicke Zimmer und Suiten mit schönem Holzparkett, offenen Bädern und mobilem Arbeitsplatz untergebracht. Die Minibar ist im Zimmerpreis inbegriffen, ausgesuchte Vintage-Möbel und Designklassiker erinnern an die industrielle Vergangenheit des Gebäudes. Und natürlich gönnt man sich hier, im ehemaligen Sudhaus der früheren Hürlimann-Brauerei, ein frisches Hürlimann-Bier.
Der elf Meter hohe Raum, wo man unter einem gigantischen Kronleuchter aus grünen Original-Hürlimann-Bierflaschen sitzt, ist das Herzstück des Hotels und beherbergt eine Bibliothek mit rund 33 000 zum Teil antiquarischen Büchern. Der Raum versteht sich als Ort der Begegnung. Morgens wird hier gefrühstückt, mittags kommen auch externe Gäste zum Business-Lunch, nachmittags zu Kaffee und Kuchen oder abends zum Date vorbei. Man kann aber auch einfach ein Glas Wein aus dem Raritätenschrank geniessen oder den imposanten Raum für Coworking nutzen.
Die Bücher sind dabei nicht nur Dekoration, es ist gewünscht, dass man sich mitsamt der Literatur auf einen der gemütlichen Diesel-Sessel oder vor den Kamin setzt oder sich gleich damit in sein Hotelzimmer verzieht.
B2 Hotel, Brandschenkestrasse 152, 8002 Zürich, DZ ab 420 Franken
«Das Weltende könnte stattfinden, und man würde davon im ‹Waldhaus› erst eine Woche später erfahren, durch eine unaufgeregte Information des Portiers», schreibt der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach in der 2014 erschienenen Anthologie «Wie gross ist die Welt und wie still ist es hier: Geschichten ums Waldhaus in Sils-Maria» mit Texten von Elke Heidenreich, Daniel Kehlmann, Donna Leon, Milena Moser und anderen Schriftstellern, die regelmässig im Waldhaus zu Gast waren. Man findet sie in der sehenswerten Hausbibliothek mit ihrem bald hundertjährigen Lesesaal, dessen Mobiliar noch aus der Zeit stammt, als Thomas Mann und Hermann Hesse hier an ihren Büchern feilten.
Das «Waldhaus» war schon immer ein literarisches Hotel: Seit seiner Eröffnung 1908 zog es Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler an. Bis heute werden hier Lesungen gehalten und Bucherfolge gefeiert. Viele Verleger und Autoren, die das Belle-Époque-Haus mit seiner weissen Marmortreppe, der sechs Meter hohen Eingangshalle, den Stuckdecken, Mahagonivertäfelungen und 141 Zimmern und Suiten besuchen, hinterlassen signierte Bücher, so dass der Bestand der Bibliothek ganz natürlich und organisch wächst.
Auch Exemplare aus der Generation der Hotelbesitzer, allen voran Felix Dietrich und sein Schwager Urs Kienberger, der selbst mehrere Bücher geschrieben hat («11 Jahre Hotel Waldhaus Sils: Geschichte und Geschichten zu einem unvernünftigen Familientraum») findet man. Es steht in den Regalen der Bibliothek, zusammen mit den rund zweitausend Büchern, die zur Sammlung gehören – vor allem Literatur, Romane, Sachbücher und Biografien, aber auch gebundene Ausgaben der Werke von Goethe, Hermann Hesse, Theodor Storm und Theodor Fontane sowie eine kleine, uralte Ausgabe von «Knigge – Umgang mit Menschen», die im «Waldhaus» niemand mehr lesen muss.
Waldhaus Sils, Via da Fex 3, 7514 Sils im Engadin, DZ ab 525 Franken