Viele Grosstransaktionen finden in der Schweiz statt, auch wenn Käufer und Verkäufer aus dem Ausland sind.
Donald Trump will die USA zur «Kryptohauptstadt der Welt» machen und eine strategische Bitcoin-Reserve schaffen. Der Nachteil dieser öffentlichen Ankündigung ist: Andere Akteure kommen Washington zuvor. So kaufen erste Staatsfonds Kryptowährungen und antizipieren damit den Preisanstieg, der wohl einsetzt, wenn die USA effektiv Bitcoins zu horten beginnen.
Vor ein paar Tagen ist bekanntgeworden, dass Mubadala Investment Company, ein Staatsfonds von Abu Dhabi, Bitcoin-ETF im Wert von 461 Millionen Dollar erworben hat. ETF sind börsenkotierte Anlagefonds und schaffen Transparenz über ihre grössten Investoren. Zu ihnen gehört auch die öffentliche Pensionskasse State of Wisconsin Investment Board. Sie hat für 321 Millionen Dollar Bitcoin-ETF gekauft.
Andere staatliche Player gehen dem Vernehmen nach diskreter vor. «Wir sind überzeugt, dass einige Staatsfonds Bitcoins von Mining-Unternehmen kaufen oder konfiszieren», sagt Leon Curti, Leiter Research der Firma Digital Asset Solutions.
Wahrscheinlich häufen auch China und Russland Bitcoins an
Naheliegende Kandidaten seien Russlands National Wealth Fund und die China Investment Corporation, deren Heimatländer über eine starke Mining-Infrastruktur verfügten. Notenbanken sind laut Curti noch zurückhaltender. «Kleine Allokationen stehen aber bereits zur Diskussion und wären eine logische Folge der weltweiten Gold-Aufstockung vieler Währungshüter.»
Wer sich mit grossen Mengen an Bitcoins eindecken, aber gleichzeitig vermeiden will, dass dies ruchbar wird, der wählt weder einen ETF noch eine Transaktion über eine Krypto-Börse. Der kauft direkt bei jenen, die über grosse Bitcoin-Bestände verfügen – man redet im Jargon dann von einem Blocktrade.
Grosstransaktionen an der Bahnhofstrasse
Und ein besonders beliebter Ort, um solche Grosstransaktionen abzuwickeln, ist die Schweiz. «Wir haben derzeit täglich Anfragen für Bitcoin-Blocktrades», sagt Marcel Hostettler, Partner bei Allegra LAW, einer Anwaltskanzlei an der Zürcher Bahnhofstrasse. «Auf der Käuferseite gibt es eine Mischung aus Staatsfonds, grossen institutionellen Anlegern und Unternehmen. In letzter Zeit hatten wir auch Krypto-Protokolle, die Bitcoins kaufen wollen.» Damit sind andere Blockchain-Projekte gemeint.
Die Verkäuferseite sei sehr heterogen, berichtet Hostettler, der zuvor auch bei der Finanzmarktaufsicht (Finma) gearbeitet hatte. Das Spektrum reiche von sehr vermögenden Privatpersonen bis hin zu Industriekonglomeraten.
Grosse Bitcoin-Transaktionen könnten nicht an Börsen stattfinden, weil es unter Umständen an Sicherheit und Diskretion für die Käufer und Verkäufer mangle, so der Anwalt. Diese bestünden auf strengen Sicherheitsvorkehrungen.
1,46 Milliarden Dollar gestohlen
Wie gross die Gefahren sind, hat sich gerade diese Woche gezeigt. Am Freitag ist der bisher grösste Krypto-Diebstahl in der kurzen, aber turbulenten Geschichte der Branche bekanntgeworden: Der Börse Bybit sind umgerechnet 1,46 Milliarden Dollar abhandengekommen. Im dringenden Verdacht steht die berüchtigte nordkoreanische Hackerbande Lazarus Group.
Doch auch wenn eine Transaktion ausserbörslich geschieht, laufen Käufer und Verkäufer Gefahr, von der Gegenpartei über den Tisch gezogen zu werden oder Probleme mit den Behörden zu bekommen. Zum Beispiel für den Fall, dass die Gelder krimineller Herkunft sind oder der Vertragspartner auf einer Sanktionsliste steht.
Wenn ein chinesischer Bitcoin-Miner einem amerikanischen Pensionsfonds Bitcoins verkaufen will, wieso machen die beiden das nicht am Domizil des Käufers, sondern in der Schweiz? Wegen fehlender Rechtssicherheit.
Das Schweizer Parlament hat bereits 2021 festgelegt, wie es Kryptowährungen behandeln will – eine rechtliche Grundlage, die vielen anderen Ländern noch fehlt. Auch den USA, deren Präsident sich nun als Pate der Branche gebärdet.
In den USA fehlt die Rechtssicherheit
Spreche man mit amerikanischen Anwälten, dann seien die nicht so «bullish», wie man es eigentlich erwarten würde. Sie gäben sich noch sehr zurückhaltend, sagt Luka Müller-Studer, Partner bei der Kanzlei MME, die ebenfalls Dienstleistungen für die Krypto-Branche anbietet. «Die USA werden ihre Hausaufgaben erledigen, aber das braucht Zeit», so Müller-Studer. Er ist Mitgründer der Krypto-Bank Sygnum.
«Die Schweiz ist aus mehreren Gründen ein Knotenpunkt für Kryptowährungen: Der rechtliche Status von Kryptowährungen ist hier klar, stabil, gesetzlich verankert und streng», sagt Hostettler.
Ein anderer Trumpf der Schweiz ist ihr Ruf für Diskretion. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass sowohl Käufer als Verkäufer ein eigenes Vertragsexemplar unterzeichnen, so dass sie nie erfahren, wer auf der anderen Seite der Bitcoin-Transaktion steht. Denn die Geschäfte kommen meist über Vermittler zustande.
Es obliegt dem zwischengeschalteten Anwalt, die Identität von Verkäufer und Käufer und die Herkunft der Gelder zu überprüfen. Die Transaktionen werden über ein Treuhandkonto abgewickelt – das A und O für Sicherheit und Diskretion.
Nur eine von zehn Bitcoin-Transaktionen kann stattfinden
Die Abklärungen im Vorfeld von Bitcoin-Blocktrades sind sehr aufwendig. «Von zehn Anfragen für Transaktionen können wir maximal eine durchführen, weil wir absolut sicher sein müssen, dass keine Geldwäsche stattfindet und dass keine der Vertragsparteien in etwaige Verfahren verwickelt ist», sagt Hostettler.
Ein anderer spezialisierter Anwalt, der regelmässig Anfragen für Bitcoin-Blocktrades bekommt, sagt sogar, dass bei ihm noch nie eine solche Transaktion zustande gekommen sei.
Wenn die Abklärungen einen Blocktrade erlauben, folgt eine Verhandlung über den genauen Ablauf der Transaktion. In der Regel gibt es zehn oder mehr Teilschritte, die mehrmals wiederholt werden, um grössere Transaktionen in mehrere Tranchen aufzuteilen. Beim Kauf und Verkauf von Bitcoins lohnt es sich, paranoid zu sein.
Kryptowährungen geniessen mittlerweile zwar Sukkurs in vielen Ländern. Aber die Schweiz hat einen First-Mover-Vorteil, weil sie bereits über die nötigen Gesetze verfügt. Bis auch die USA auf einem vergleichbaren Stand seien, eröffne sich ein «sehr interessantes Zeitfenster für die Schweiz», sagt Müller-Studer. «Wir müssen dieses nutzen, wenn wir inskünftig eine Rolle in der Topliga spielen wollen.»