Wegen des Kinos geht man eher selten ins Kino. Man wählt einen Film, geht dorthin, wo er läuft, und wenn das Licht ausgeht, beginnt das Vergnügen. Aber es gibt Lichtspielhäuser, die sind etwas Besonderes – besonders schön, besonders alt, besonders eingerichtet.
Dieses hochmoderne Kino war früher ein Schlachthof. Das mag nicht der appettitlichste Ort für einen netten Abend sein, doch den spanischen Architekten Churtichaga + Quadra-Salcedo ist es gelungen, in die teilweise riesigen Räume ein dreistöckiges Filmarchiv, ein Studio, zwei Kinosäle, Büros, eine Kantine und eine Terrasse für Open-Air-Filmvorführungen zu integrieren und sie glamourös, spacig, aber auch minimalistisch-karg wirken zu lassen.
Zu den wenigen erhaltenen Elementen, die auf die Geschichte des Gebäudes hinweisen, gehören freigelegte Ziegel und der eine oder andere Betonboden, die sich perfekt in das neue, futuristische Design einfügen. Dieses wiederum besticht einerseits durch überdimensionale dunkelgraue Holzpaneele und Neonbeleuchtung, andererseits durch durchlässige Korbstrukturen, die das orangefarbene LED-Licht filtern und gleichzeitig als Lampen dienen. Im Hauptprojektionssaal bedecken diese Körbe Wände und Decke und werfen ein sanftes, orange-golden schimmerndes Licht, bis der Film beginnt und nur noch eine schwarze Fläche übrig bleibt.
Die imposanten Lichtstrukturen dominieren die sonst nur schwach beleuchteten drei Stockwerke der Cinemathek, die diversen Treppenhäuser und die beiden Kinosäle, wo sie allerdings schwarz gestrichen sind, um nicht von der Leinwand abzulenken.
Die Cineteca befindet sich im Zentrum für zeitgenössische Kunst Matadero Madrid und ist das erste und einzige Kino in Spanien, das sich fast ausschliesslich dem Non-Fiction-Film widmet. Jedes Wochenende finden hier Filmpremieren statt, jeden Mittwoch wird ein kostenloser Film gezeigt, und für alle, die zwischendurch hungrig werden, gibt es die Cantina: Sie befindet sich im umgebauten alten Kesselhaus des Matadero und bietet Pizza, Tapas und Kuchen, dazu Kerzen, Blumen, gute Musik und eine sehr gemütliche Terrasse.
Die Fondazione Prada ist ein Muss für jeden Kulturinteressierten – allein schon wegen Rem Koolhaas’ grandiosem Umbau einer weitläufigen, stillgelegten Gin-Destillerie aus dem Jahr 1910 an Mailands Stadtrand, die heute ein Kunstzentrum beherbergt. Obwohl die bestehenden Strukturen schon recht gross waren, wurden sie durch drei neue Gebäude ergänzt: das sogenannte Podium (eine Ausstellungshalle), einen Turm, der weitere Werke aus der Prada-Kunstsammlung beherbergt, und eben das Kino in einer Art Black Box.
Der multimediale Kinosaal ist dem einflussreichen französisch-schweizerischen Regisseur Jean-Luc Godard gewidmet, dessen Werk Generationen von Filmemachern, Künstlern und Zuschauern beeinflusst hat. Der Kinosaal wurde ebenfalls von Rem Koolhaas’ Architekturbüro OMA entworfen und mit den charakteristischen olivgrünen Samtsesseln von AMO, dem Forschungszweig von OMA, ausgestattet.
Das Kino ist nicht gross, verfügt aber über bewegliche Wände, die Innen- und Aussenraum miteinander verbinden. Seit 2015 bringt das Filmprogramm ein breites Spektrum von Genres, Produktionen und Epochen zusammen, seit 2023 wird das neu ausgerichtete Programm unter der Leitung von Paolo Moretti als ein sich ständig weiterentwickelndes Festival betrachtet, mit einem dichten Kalender von Vorführungen, der Retrospektiven, Premieren und Begegnungen mit Regisseuren, Schauspielern und Kritikern umfasst.
Eine weitere cineastische Attraktion der Fondazione Prada ist die von Wes Anderson gestaltete Bar Luce: Der Kultregisseur hat sie wie ein altmodisches Mailänder Café aus den 1950er Jahren eingerichtet, mit einer Jukebox, pastellfarbenen Formicatischen, einem Flipperautomaten, einer farbenfrohen Candy-Bar und detailverliebten Tapeten, die an klassische Mailänder Hausfassaden erinnern.
Opulent, plüschig und rot: Das Kino im Szeneviertel Notting Hill versprüht Puff-Atmosphäre. Und tatsächlich: Das 1861 erbaute Gebäude beherbergte einst ein Freudenhaus. Im Erdgeschoss, dem heutigen holzgetäfelten Kinosaal, befand sich zunächst das damals stadtbekannte Restaurant North End and Harvey Dining Room. Knapp zwanzig Jahre später zog das Golden-Bells-Hotel ein, das Restaurant wurde zum «Golden Bells Coffee Palace and Restaurant», das Obergeschoss zum Bordell.
1911 änderte sich das Programm: Im April eröffnete das Kino Electric Palace mit 280 Sitz- und 200 Stehplätzen, dessen Grundriss dem heutigen nicht unähnlich war und das mit prächtigem edwardianischem Stuck an Decke und Wänden glänzte. Später wurde es in The Embassy umbenannt, 1931 zählte es zu den ersten britischen Kinos, die komplett auf Ton umgestellt wurden. Seit den 1950er Jahren ist es als ambitioniertes Programmkino mit Mut zu Avantgarde- und Experimentalfilmen bekannt.
Nach einem erneuten Besitzerwechsel 1974 änderte sich der Name in The Gate, der Betreiber war die kleine unabhängige Kinokette Cinegate. 1985 wurde es geschlossen, ein Jahr später wiedereröffnet und 2003 in die Picturehouse-Familie aufgenommen und komplett renoviert. Heute ist The Gate Picturehouse eines der beliebtesten unabhängigen Kinos in London mit einem anspruchsvollen Programm und einem angesagten Foyer-Café.
Viele der alten Kinos in Portugal wurden in den letzten fünf Jahrzehnten in Wohnungen, Einkaufszentren und Hotels umgewandelt. Eines der wenigen grossen Kinos, die überlebt haben, ist dieser legendäre Filmpalast an Lissabons Prachtstrasse Avenida da Liberdade. Er gilt als englischsprachiges Erbe des Kinoimperiums Rank British Picture Corporation, die 1946 die Sociedade Anglo-Portuguesa de Cinemas mit dem Ziel gründete, in Lissabon ein Kino zu bauen und zu betreiben, das zum ersten Theater der Hauptstadt werden sollte.
Das gelang: Anfang 1950 war das Gebäude fertiggestellt. Es umfasste Eingangshalle, Foyer, Kinosaal, Toiletten für Männer und Frauen, Verwaltungsräume, Vorführraum und Nebenräume, Umkleideräume für das Personal, Klimaanlage und eine elektrische Orgel, die hydraulisch aus dem Keller auf die Bühne gehoben wurde. Das Kino mit 1827 Sitzplätzen, davon 913 im Saal und 914 auf den drei Balkonen, wurde 1948 mit der Premiere des Films «The Red Shoes» des britischen Duos Michael Powell und Emeric Pressburger eröffnet.
Die Architektur des Cinema São Jorge ist eine Mischung aus Modernismus und Art déco.
In den 1980er Jahren wurde das Kino geschlossen, in einen Komplex von drei kleineren Kinos aufgeteilt und in Anwesenheit des Schauspielers Roger Moore mit dem Film «007 – For Your Eyes Only» wiedereröffnet. Der Erfolg währte leider nicht lange. 1986 verkaufte die Rank-Gesellschaft ihre Anteile an die amerikanische Cinema International Corporation, doch die Besucherzahlen gingen immer weiter zurück, bis das Kino Ende 2000 geschlossen wurde.
Heute gehört es der Stadtverwaltung von Lissabon und ist Schauplatz von Filmfestivals und Treffpunkt für filmbegeisterte Lisboetas, die das ausgewählte Programm, die Mischung aus Modernismus und Art déco sowie die grosse Caféterrasse vor der Tür schätzen.
2004 schien es für immer vorbei zu sein: Das Stella Theatre, ein Wahrzeichen im Herzen von Dublins elegantem Stadtteil Rathmines, das in den goldenen zwanziger Jahren trotz der strengen Zensur im katholischen Irland eröffnet worden war und den Bewohnern der Stadt eine Art filmisches Refugium bot, schloss seine Pforten. Wie so viele andere Kinos überlebte es als kulturelle und soziale Institution bis ins 20. Jahrhundert, um dann der gnadenlosen Ära von Xtravision, einem irischen Video-, Film- und Musikhändler, zum Opfer zu fallen.
Ein gutes Dutzend Jahre später geschah ein kleines Wunder: Nach einer perfekt gelungenen Renovierung erstrahlt das einst renommierte Kino wieder in seiner alten Pracht mit Mosaikfliesen, Art-déco-Geländer, handbemalter Decke, Kronleuchtern und dem «Stella Cocktail Club» mit Scott-Fitzgerald-Atmosphäre, Art-déco-Möbeln und einer romantischen Aussenterrasse, auf der man unter freiem Himmel Craft-Biere und von Filmen inspirierte Cocktails geniessen kann.
Das Kino-Foyer mit seiner Erfrischungsbar, den antiken Spiegeln und der verführerisch gedämpften Beleuchtung führt an die Schwelle einer vergessenen Epoche. Der Vorführraum selbst ist wunderbar nostalgisch, mit holzgetäfelten Wänden, die sich bis zur historischen Decke hinaufziehen, altmodischen Lampen, die neben purpurroten Ledersesseln auf kleinen Tischen stehen, Sofas und Liegestühlen, alles mit Blick auf die grosse Leinwand. Dazu der tadellose Service: Das freundliche Personal serviert die vorbestellten Häppchen und Cocktails pünktlich, kurz bevor das Licht ausgeht, direkt an die Tische.
Dieses Kino wird auch von Menschen besucht, die keinen Film sehen wollen. Le Grand Rex hat es in Stadtführer und auf Must-see-Listen geschafft, es gibt offizielle Führungen durch die denkmalgeschützten Säle, und es wurde gerade von «Time Out» zum schönsten Kino der Welt gekürt.
Der 1932 eröffnete Filmpalast mit seiner monumentalen Art-déco-Fassade steht am Boulevard Poissonnière im Szeneviertel Sentier, er wurde von Auguste Bluysen entworfen, die extravagante Innenausstattung im Stil der goldenen Hollywood-Ära stammt vom amerikanischen Designer John Eberson. Die Idee dahinter ist allerdings von Jacques Haïk, dem Besitzer der Pariser Konzerthalle Olympia, der einen von den New Yorker Music Halls inspirierten Kinosaal errichten wollte.
Le Grand Rex ist eines der wenigen Kinos, die attraktiver sind als das, was sie zeigen.
Das märchenhafte Gebäude mit seiner original erhaltenen Dekoration, einschliesslich der spektakulären nachtblauen Decke mit Sternen, beherbergt den grössten Kinosaal Europas mit 2650 Plätzen. Geometrische Linien, stilisierte Blumenmotive und luxuriöse Materialien zeugen von einer raffinierten Ästhetik. Die Kombination aus stromlinienförmigen Konturen und raffinierten Details, kräftigen Farben, Kristall-Lampen in Form von Blumenkelchen und viel Samt schafft eine ungewöhnliche visuelle Harmonie, die das Kino zu einem architektonischen Monument macht.
Das Programm besteht hauptsächlich aus Blockbustern, die meist ins Französische übersetzt und auf die 300 Quadratmeter grosse Leinwand zugeschnitten sind. Aber das Kino spielt auch eine wichtige Rolle bei der Förderung der siebten Kunst und bietet ein reichhaltiges Programm mit Vorpremieren, Retrospektiven und Themenabenden.
Die Lichtspiele sind zwar kein Museum, aber doch ein wenig museal. Das älteste Kino Münchens eröffnete am 24. November 1910 in einem ehemaligen Variété-Theater im Erdgeschoss eines sonst ganz gewöhnlichen Wohnhauses im damals noch dörflich geprägten Stadtteil Au. Der Gründer und Besitzer Carl Gabriel nannte es Gabriels Tonbildtheater, erst später wurde es wegen seiner Nähe zum Deutschen Museum in Museum Lichtspiele umbenannt. In den folgenden Jahrzehnten wuchs das Kino von anfänglich 220 auf 280 Plätze, wechselte mehrfach den Betreiber und hielt sich bis Mitte der 1970er Jahre mehr schlecht als recht mit dem üblichen Vorstadtkinoprogramm über Wasser.
1975 übernahm der Schauspieler Hartmut Hinrichs den Betrieb und spezialisierte sich auf Musik- und Tanzfilme. Leider konnten sich die Münchner nicht so recht für «My Fair Lady» und Co. begeistern, oft kamen nur zwei, drei Leute über die Isarbrücke. Also verkleinerte Hartmut Hinrichs seinen Vorführraum und baute einen zweiten, den er allerdings zunächst an Beate Uhse untervermietete.
Dann kam die «Rocky Horror Picture Show». Die Verfilmung des Rockmusicals war anders als die üblichen seichten Musicalfilme, wurde zum Überraschungserfolg und katapultierte die Museums-Lichtspiele in eine neue Ära. Das Publikum übernahm die Regie und feierte die transsylvanische Party im Kinosaal mit – stilecht gekleidet und ab 1980 in einem rockymässig gestalteten Saal und 68 blutroten Sesseln.
Der Film lief so oft, dass er ins «Guinness-Buch der Rekorde» aufgenommen wurde und die Museum-Lichtspiele weltweit bekannt machte. Inzwischen ist er zum Markenzeichen des Kinos geworden: Seit rund 48 Jahren wird die Originalfassung freitags und samstags in der Spätvorstellung gezeigt. Echte Fans kommen in Strapsen und wissen genau, in welcher Szene sie Reis werfen oder mit der Wasserpistole spritzen müssen.