Ein Plädoyer dafür, wieder einmal dort zu reservieren, wo man länger nicht mehr war und wo gutes Essen und feine Weine mit verblüffender Selbstverständlichkeit kombiniert werden.
Wer in Zürich up to date sein will in der Gastroszene, muss sich Mühe geben. Praktisch jede Woche öffnen neue Restaurants. Nicht zu vergessen die Mode der Pop-ups, der nur für ein paar Wochen oder Monate existierenden Lokale, die vielfach Spannendes, manchmal gar Wegweisendes bieten. Bei all diesen Neueröffnungen können bewährte Adressen in Vergessenheit geraten – nicht die legendären Restaurants, über die alle reden, sondern jene, die über Jahre oder gar Jahrzehnte abseits des Mainstreams blühen, die sich auf anderswo vergessene Gerichte kaprizieren oder einfach Nostalgie zelebrieren.
Nirgendwo kann man so entspannt und gleichzeitig gut essen wie in diesen acht Zürcher Klassikern der modernen oder historischen Art, in denen garantiert auch hin und wieder NZZ-Autorinnen und -Redaktoren anzutreffen sind.
«Italia»: hausgemachte Ravioli und beste Zutaten
Es hat viele italienische Restaurants in der Stadt. Manche richtig gut und kreativ, manche auf Fine Dining spezialisiert, andere eher langweilig bei mässig guter Pizza. Doch so etwas wie das «Italia» existiert kein zweites Mal. Klassik bedeutet hier, zum Einstieg einfach mal Mortadella und Bio-Salami zu bestellen, ein paar Oliven und vielleicht sogar das Carne cruda vom Fassone-Rind. Die Tomatenspaghetti sind prima, die Ravioli natürlich im Haus zubereitet, und die Schokolade für den abschliessenden Kuchen stammt von Original Beans, einem der besten Kakao-Experten der Welt.
«Kindli»: Züri-Geschnetzeltes und Desserts
Bis ins 15. Jahrhundert lässt sich die Geschichte des Gasthofs Kindli zurückverfolgen. Doch obwohl hier Generationen von Zürcher Wein- und Speisenliebhaberinnen und -liebhabern getafelt haben, hat die Beiz nie den Ruhm der «Kronenhalle» erreicht. Man kann darüber streiten, ob das Menu heute nicht vielleicht ein bisschen zu modern ausfällt, aber für Klassiker wie Backhendl oder Züri-Geschnetzeltes gehen wir gern hin, und die Desserts finden wir besonders empfehlenswert. Mousse au Chocolat geht ja bekanntlich fast immer. Ein paar feine reife Bordeauxweine sind auch zu haben!
«Tina-Bar»: Klassiker der Cocktailwelt
Eigentlich ist ja nicht nur die «Tina-Bar» einer der grossen Klassiker der Zürcher Gastronomie, eigentlich muss man auch die «Brasserie Louis» würdigen. In deren erstem Stockwerk befindet sich seit einigen Jahren diese historische Baradresse, die zuvor an anderer Stelle für Furore gesorgt hat. Hier trinkt man die Klassiker der Cocktailwelt wie Boulevardier und Old Fashioned, erfährt, was ein Highball ist und dass sich die Mischung aus Minzlikör, Rahm und einem ungefärbten Kakaolikör viel schlimmer anhört, als sie schmeckt. Jede Menge Absinth ist verfügbar, und an Zigarren mangelt es dank Fumoir auch nicht.
«Griechische Taverne Le Beaujolais»: unbedingt die griechischen Weine testen
Mit griechischer Küche ist das ja so eine Sache. Die wird von Gastronomen in Mitteleuropa oft zu einer kaum wiederzuerkennenden Langeweile abgeschliffen, indem Hackfleisch, Pommes frites und Zwiebeln in immer neuen Variationen verarbeitet werden. Mit der echten griechischen Küche hat all das nichts zu tun. In der «Griechischen Taverne» ist das ganz anders, und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – arbeitet sie unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit. Jannis Lygkonis zeigt seit zwanzig Jahren, was man unter Einsatz von Blätterteig, erstklassigem Olivenöl und Gemüse so machen kann. Bitte nie Galaktoburéko als Dessert auslassen und unbedingt die verblüffend guten griechischen Weine probieren!
«Hongxi»: authentisch zubereitete chinesische Speisen
In wenigen Jahren – eröffnet wurde 2018 – ist dieses chinesische Restaurant zum Klassiker aufgestiegen, was bedeutet, dass die Reservierungssituation an manchen Tagen immer noch ein bisschen angespannt sein kann. Kennerinnen und Kenner der chinesischen Küche freuen sich ob der unspektakulär klingenden, aber authentisch zubereiteten Speisen. Poulet nach Art des Generals Tso etwa, herrlich würzig und leicht süss abgeschmeckt, oder geschmorter Schweinebauch sind zu empfehlen, die Dim Sum machen Spass und überfordern nie finanziell. Der chinesische Rotwein ist ebenso gut wie günstig, aber Tee gefällt uns hier noch besser.
«Bodega Española»: die besten Kroketten der Stadt
Wenn sich bewährte Konzepte neu erfinden, ist das immer ein Balanceakt. Wie viel Neues darf der Wirt einbringen, wie viel Altes muss bewahrt werden? Im Falle dieses spanischen Klassikers im Niederdorf scheint der Ausgleich zu funktionieren. Die mit Ibérico-Schinken zubereiteten Kroketten gehören nach unserer Meinung zu den besten der Stadt, der Ochsenschwanz in Rotweinsauce dürfte anderswo in Zürich kaum je anzutreffen sein, und in der Bar im Erdgeschoss tun es auch Hackbällchen in Tomatensauce und der in Spanien beliebte Russische Salat. Überzeugenden Sherry gibt es zum Glück auch.
Die «Hummer- und Austernbar»: Meeresfisch und Hummer
Es gab eine Zeit, da gingen die Zürcher Gourmets, wenn sie mal richtig was zu feiern hatten, in Restaurants wie dieses. Wer heute einkehrt in die 1935 (!) eröffnete Gastronomie des Hotels St. Gotthard, entdeckt noch Menschen, welche die alte Zeit feiern, lieber Crevettencocktail, gebratene Foie gras oder die am Tisch filetierte Seezunge auf dem Teller haben als kreative Spielereien. Meeresfisch und Hummer sind hier nicht billig, können sie auch nicht sein – dafür ist ausser am Sonntag stets mittags und abends geöffnet.
«Conti»: Klassiker der italienischen Küche
Es ist ein Gerücht, dass die Redaktorinnen und Redaktoren der NZZ ständig zur Mittagszeit im Restaurant Conti anzutreffen seien, weil sich das NZZ-Gebäude gleich vis-à-vis befinde. Kein Gerücht ist es, dass man hier, wo lange Jahre die bekannte Wirtin Marisa Odermatt amtierte, Klassiker der italienischen Küche in sehr zuverlässiger Güte und in einem wahrlich gediegenen Rahmen erleben kann. Carpaccio, Ravioli in brodo und Kalbsschnitzel an Zitronensauce sind die Speisen der Wahl – sofern man sich nicht Fisch im Ganzen oder das längst aus der Mode gekommene Rindsfilet Rossini leisten will.